Leitsatz

Für die Verpflichtung des Veräußerers einer Option (Stillhalter), auf Verlangen des Optionsberechtigten innerhalb der Optionsfrist den Optionsgegenstand zu verkaufen oder zu kaufen (Call/Put-Option), ist eine Verbindlichkeit in Höhe der dafür vereinnahmten Prämie auszuweisen; die Verbindlichkeit ist erst bei Ausübung oder Verfall der Option auszubuchen.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 6 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Bank. Im Rahmen ihres Bankgeschäfts führte sie (nach den Bedingungen der deutschen Terminbörse) Optionsgeschäfte durch. Als Veräußerin einer Option (Stillhalterin) verpflichtete sie sich gegenüber den Käufern einer Option, bestimmte Optionsgegenstände (Aktien, Obligationen, sonstige Wertpapiere) während eines bestimmten Zeitraums (amerikanischer Typ) oder zu einem bestimmten Zeitpunkt (europäischer Typ) zu im Voraus festgelegten Konditionen zu verkaufen (Call) bzw. zu kaufen (Put). Dafür erhielt die Klägerin beim Abschluss des Optionsgeschäfts eine Optionsprämie. Die Prämie wurde (auch der Höhe nach) unabhängig davon gewährt, ob die Option ausgeübt wird; sie verblieb der Klägerin in jedem Fall.

Der Käufer einer Kaufoption (Call) erwarb das Recht, während der Optionslaufzeit oder zum vorgesehenen Zeitpunkt vom Stillhalter den Optionsgegenstand zu dem vereinbarten Basispreis zu erwerben. Von diesem Recht machte er im Regelfall Gebrauch, wenn der Kurs des Optionsgegenstands während der Laufzeit stieg. Der Stillhalter musste seinerseits während der Optionszeit diesem Verlangen entsprechen und hatte daher den Optionsgegenstand grundsätzlich vorzuhalten. Zur Absicherung seiner Verpflichtung leistete er u.U. Sicherheit.

Der Käufer einer Verkaufsoption (Put) erwarb demgegenüber das Recht, während der Laufzeit der Option den Optionsgegenstand jederzeit an den Stillhalter zu verkaufen. Dies tat er im Regelfall bei fallendem Kurs. Dann musste der Stillhalter den Optionsgegenstand zum vereinbarten Basispreis abnehmen (vgl. dazu im Einzelnen BGH, Urteile vom 16.2.1981, II ZR 179/80, BGHZ 80, 80; vom 22.10.1984, II ZR 262/83, BGHZ 92, 317).

Das Optionsrecht des Käufers erlosch mit Erfüllung oder Verfall nach Ablauf der Optionszeit oder des vorgesehenen Zeitpunkts. Die Erfüllung erfolgte in aller Regel im Weg einer sog. "Glattstellung" durch Abschluss eines entsprechenden Gegengeschäfts zu inhaltsgleichen Konditionen. Der Verkäufer der Option hatte dann eine bestehende Differenz zwischen Basispreis und Kurs auszugleichen. Wurde die Option ausgeübt, wurde die Prämie als zusätzlicher Verkaufserlös des Optionsgegenstands erfasst oder als Minderung der Anschaffungskosten behandelt.

Soweit die Optionen am jeweiligen Bilanzstichtag weder ausgeübt noch verfallen waren, behandelte die Klägerin die Optionsprämien in den in der Revision streitigen Jahren 1991 bis 1992 durch Passivierung einer Verbindlichkeit, im Jahr 1993 durch Ausweis einer Rückstellung in Höhe der jeweils vereinnahmten Beträge erfolgsneutral.

Das FA behandelte die Optionsprämien hingegen mit Zufluss als erfolgswirksam. Rückstellungen für drohende Verluste oder Rechnungsabgrenzungsposten bildete es nicht.

 

Entscheidung

Nicht nur das FG (EFG 2002, 559), auch der BFH gab der Klägerin Recht. Es sollte nicht alles wiederholt werden, was den BFH zu seiner Entscheidung bewogen hat. Einzelnes ergibt sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Die Beteiligten – das FA als Rechtsmittelführer und die Klägerin, eine Bank – stritten um die bilanzsteuerliche Behandlung vereinnahmter Optionsprämien. Um die Rechtsausführungen des BFH zu verstehen, muss zuvor der tatsächliche Entscheidungsplafond ausgeleuchtet und verinnerlicht werden, weswegen der geneigte Leser zunächst um die Lektüre des tatsächlichen Streitstoffs (nachfolgend "Der Fall") gebeten wird.

2. Auf dieser Basis gilt nach Meinung des BFH sodann das Folgende:

a) Der Kaufmann ist nach den GoB verpflichtet, Verbindlichkeiten auszuweisen, sobald diese zivilrechtlich begründet sind. So liegen die Dinge hier. Der Abschluss der Optionsverträge bedingt entsprechende Leistungsverbindlichkeiten der Klägerin als sog. Stillhalterin. Dessen zu erbringende Leistung ist keine Nebenleistung zu einem nachfolgenden Effektengeschäft, vielmehr die eigentliche (und als solche erzwingbare) Hauptleistung des Optionsgeschäfts.

b) Diese Verpflichtung ist noch nicht mit dem Abschluss des Optionsvertrags erfüllt. Darin ist lediglich die schuldrechtliche Grundlegung (die Stillhalteleistung) zu sehen, das von dem nachfolgenden (und erfüllenden) sachenrechtlichen Veräußerungsgeschäft zu trennen ist (sog. Zweivertragstheorie). Die Stillhaltung ermöglicht lediglich die Ausübung der Option und duldet diese. Erst die Ausübung selbst führt jedoch zum Entfallen der eingegangenen Optionsverpflichtung.

c) Diese Verpflichtung bleibt als Dauerverpflichtung ungeschmälert während der gesamten Laufzeit bestehen, weshalb sowohl eine (zeitliche oder periodische) Aufteilung als auch eine passive Rechnungsabgrenzung ausschei...

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