Leitsatz

1. Eine Bilanz kann nicht nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG geändert ("berichtigt") werden, wenn sie nach dem Maßstab des Erkenntnisstands im Zeitpunkt ihrer Erstellung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht (Bestätigung des Senatsurteils vom 05.06.2007, I R 47/06, BFH/PR 2007, 412).

2. Eine Bilanz kann nicht mit dem Ziel eines niedrigeren Gewinnausweises nach § 4 Abs. 2 S. 2 EStG geändert werden, wenn das FA den Gewinn zwar höher als vom Unternehmer erklärt ansetzt, dies aber auf einer Berücksichtigung von außerbilanziellen Gewinnerhöhungen beruht.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Eine GmbH stellte am 30.04.2002 ihren Jahresabschluss für das Streitjahr 2001 auf. Den auf dieser Basis ermittelten Gewinn berücksichtigte das FA in Steuerbescheiden, die gem. § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung ergingen.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass der von der GmbH erklärte Gewinn um 6 347 DM (Verminderung eines Aktivpostens) und um weitere 51 330 DM (Erhöhung von Rückstellungen) zu vermindern sowie um 135 000 DM (Ansatz eines Übernahmegewinns gem. § 12 Abs. 2 S. 2 UmwStG 1995) und um weitere 29 913 DM (Erhöhung der nicht abziehbaren Betriebsausgaben) zu erhöhen sei.

Daraufhin machte die GmbH geltend, dass sie für das Streitjahr eine Rückstellung für die Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen hätte bilden müssen (BFH, Urteil vom 19.08.2002, VIII R 30/01, BFH/NV 2002, 1662), was bisher nicht geschehen sei. Das FA berücksichtigte diese Rückstellung nicht.

Die deshalb erhobene Klage hat das FG abgewiesen (FG Köln, Urteil vom 21.03.2007, 13 K 4358/06, Haufe-Index 1763586, EFG 2007, 1472).

 

Entscheidung

Der BFH sah das im Ergebnis genauso:

Infolge des nunmehr in ständiger Spruchpraxis verfochtenen sog. subjektiven Fehlerbegriffs wäre eine Bilanzkorrektur in Bezug auf die Aufbewahrungspflichten nur als Änderung gem. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG im Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung in Betracht gekommen. An Letzterer aber fehlte es. Denn die Korrekturen infolge der Betriebsprüfung waren solche außerbilanzieller, nicht aber, wie jedoch erforderlich, bilanzieller Art.

 

Hinweis

1. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG kann ein Unternehmen eine "Bilanzberichtigung" vornehmen, wenn er seine Bilanz beim FA eingereicht hat, diese Bilanz aber inhaltlich fehlerhaft ist. Mittlerweile hat der BFH wiederholt entschieden, dass allein die objektive Unrichtigkeit einer Bilanz deren Berichtigung nicht rechtfertigt; eine Bilanzberichtigung setzt vielmehr voraus, dass der Unternehmer bei der Aufstellung der Bilanz den Fehler hätte erkennen können. Es gilt der zwar verobjektivierte, im Ergebnis jedoch sog. subjektive Fehlerbegriff.

Zuletzt ergab sich das aus den BFH-Urteilen vom 05.04.2006, I R 46/04 (BFH/PR 2006, 341) sowie vom 05.06.2007, I R 47/06 (BFH/PR 2007, 412) und daran hält der BFH einmal mehr fest, sodass jetzt von einer ständigen Judikatur gesprochen werden muss. Dort und dazu wurden auch die materiellen und formellen Konsequenzen entwickelt, weshalb darauf zu verweisen ist.

2. Ergänzend seien angesichts vereinzelter "kräftiger" Kritik an dieser Judikatur zwei wichtige Aspekte angemerkt:

Zum einen scheint sich die Finanzverwaltung damit zu begnügen, wenn der Steuerpflichtige seine Bilanzierung mit einem entsprechenden Zusatz oder Vermerk versieht, wonach er zwar der Bilanzierungspraxis der Verwaltung "formal" folgt, diese im Ergebnis jedoch nicht teilt und einen entgegenstehenden Ansatz begehrt. Das wird als Indiz für einen bereits im Aufstellungszeitpunkt der Bilanz gewollten – aufgrund der Verwaltungsanweisung aber nicht gewählten – abweichenden Wert angesehen; eines expliziten Rechtsbehelfs bedarf es dann nicht mehr. Das vertritt das BMF bislang zwar nur für die Altersteilzeit (Schreiben vom 11.03.2008, BStBl I 2008, 496), ist jedoch verallgemeinerungsfähig.

Zum anderen ist die Bindung an die einmal getroffene, bei Bilanzaufstellung subjektiv "richtige" Bilanzierung keine "Einbahnstraße". Es besteht durchaus Waffengleichheit mit der Finanzverwaltung, wenn diese die aus ihrer Sicht "falsche", jedoch subjektiv vertretbare und damit ebenfalls "richtige" Bilanzierung mit Blick auf eine nachfolgende Betriebsprüfung (zunächst einmal) akzeptiert! Auf die Bestätigung durch eine nachfolgende höchstrichterliche Rechtsprechung kommt es dann nicht mehr an. Das ergibt sich letztlich zweifelfrei aus dem BFH-Urteil vom 05.06.2007, I R 47/06 (BFH/PR 2007, 412), wird aber (und wurde dies auch in BFH/PR 2007 412, mea culpa) augenscheinlich nicht hinreichend gewürdigt.

3. Im Urteilsfall wirkte sich die besagte Judikatur dessen ungeachtet einmal mehr zulasten des Steuerpflichtigen aus. Denn dieser wollte künftige Aufwendungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen passivisch abbilden.

Dazu soll ein ordentlicher Kaufmann zwar aus Gründen der Vorsicht verpflichtet sein. Allerdings hat der BFH dies erst und erstmals durch Urteil vom 19.08.2002, VIII R 30/02 (BFH/PR 2003, 11) erkannt. Für den Steuer...

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