OFD Niedersachsen, 29.7.2014, S 2141 - 25 - St 221/St 222

Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs

Bezug: Beschluss des BFH vom 31.1.2013 (BStBl 2013 II S. 317)

Nach der bislang geltenden Rechtsprechung des BFH und auch nach der Verwaltungsauffassung (vgl. R 4.4 EStR) konnte eine durch BFH-Rechtsprechung geänderte Verwaltungsauffassung zu einer bestimmten Rechtsfrage frühestens in der ersten nach dem Datum der Entscheidung des BFH aufzustellenden Bilanz berücksichtigt werden. Sie war spätestens in der ersten nach amtlicher Veröffentlichung der Entscheidung im Bundessteuerblatt aufzustellenden Bilanz zu berücksichtigen. In Fällen, in denen der Steuerpflichtige bis zur amtlichen Veröffentlichung keine Bilanzberichtigung vorgenommen hat, konnte er dies rückwirkend bis zur ersten nach dem Entscheidungsdatum aufgestellten Bilanz nachholen. Darüber hinaus kam eine rückwirkende Berichtigung von Bilanzen, die einer nach den AO-Vorschriften noch änderbaren Veranlagung zugrunde lagen, nicht in Betracht. Es wurde davon ausgegangen, dass bis zur Änderung der Verwaltungsauffassung die Bilanzen als subjektiv richtig zu werten waren (sog. subjektiver Fehlerbegriff).

Diesem subjektiven Fehlerbegriff hat der Große Senat des BFH mit seinem o.b. Beschluss hinsichtlich bilanzieller Rechtsfragen eine Absage erteilt: Das Finanzamt ist auch dann nicht an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Bilanz zugrunde liegt, wenn diese Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar war. Es ist vielmehr an die objektiv richtige Rechtslage am Bilanzstichtag gebunden. Die Besteuerung knüpft an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an (§ 38 AO), nicht aber an Rechtsansichten des Steuerpflichtigen und erfolgt materiell-rechtlich ohne Rücksicht auf deren Vertretbarkeit oder ein Verschulden des Steuerpflichtigen.

Eine Bilanzberichtigung ist bei Änderung der Verwaltungsauffassung also grundsätzlich ab der ersten nach den AO-Vorschriften noch änderbaren Bilanz möglich. Das gilt unabhängig davon, ob sich die jetzt nicht mehr geltende Rechtsansicht zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen ausgewirkt hat. Die Bilanzberichtigung kann bzw. muss vom Steuerpflichtigen selbst vorgenommen werden, jedoch ist auch das Finanzamt berechtigt und verpflichtet, eine eigenständige Gewinnermittlung der Besteuerung zugrunde zu legen.

Durch die Veröffentlichung des Beschlusses im BStBl 2013 ist das Urteil in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Die dargestellten Grundsätze sind jedoch nur auf Rechtsfragen anzuwenden und nicht auf Tatsachenfragen zu übertragen. Für Tatsachenfragen gilt weiterhin der subjektive Fehlerbegriff.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 2

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