Änderungen der Steuergesetze sind zu berücksichtigen, wenn der Bundesrat der Gesetzesänderung vor oder am Bilanzstichtag zugestimmt hat (so DRS 18.48). Demzufolge ist in Abschlüssen, deren Aufstellung am oder nach dem 8.7.2022 erfolgt, bei der Bemessung von Rückstellungen für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen der Zinssatz von 1,8 % p. a. zu verwenden.

Dieser Zinssatz wurde erstmals mit dem am 22.2.2022 vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) verabschiedeten Referentenentwurf (RefE) für das "Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung" (2. AOÄndG) zu einer künftigen Neuregelung der §§ 233a, 238 Abs. 1 AO am 23.2.2022 auf der Website des BMF öffentlich bekannt.

Seitdem das BVerfG den Zinssatz von 6 % p. a. als verfassungswidrig erklärt hat, war dessen Anwendung in allen noch offenen Abschlüssen nicht mehr sachgerecht. Auch wenn Gesetzesänderungen erst mit der Zustimmung des Bundesrats zu berücksichtigen sind (DRS 18.48), stellt der Zinssatz von 1,8 % p. a. ab dem Tag seiner Veröffentlichung auf der Website des BMF (23.2.2022) den besten Schätzwert zur Bewertung der Rückstellung für Nachzahlungszinsen dar und ist daher in allen Abschlüssen zu verwenden, deren Stichtag am oder nach dem 23.2.2022 liegt.

Der FAB des IDW hat hingegen als Reaktion auf den am 22.2.2022 vom BMF verabschiedeten RefE entschieden, dass es sachgerecht ist, den im RefE des BMF vorgesehenen Zinssatz bei der Bemessung von Rückstellungen für Nachzahlungszinsen in allen Abschlüssen zu verwenden, deren Aufstellung bis zum Ablauf des 23.2.2022 (also des Tages der Veröffentlichung des RefE auf der Website des BMF) nicht beendet ist, d. h. in allen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des RefE noch "offenen" Abschlüssen.

 
Hinweis

Der BFH hat mit Beschluss v. 23.5.2022, V B 4/22 in einem AdV-Verfahren (Aussetzung der Vollziehung) entschieden, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen nach § 240 AO bestehen, soweit diese nach dem 31.12.218 entstanden sind. Er begründet seine ernstlichen Zweifel mit der in Teilen zinsähnlichen Funktion von Säumniszuschlägen. So dienen Säumniszuschläge zwar grundsätzlich als Druckmittel, hätten aber zudem die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern. Im Hinblick auf noch nicht rechtskräftige Festsetzungen von Säumniszuschlägen, die nach dem 31.12.2018 entstanden sind, empfiehlt es sich daher, ggf. Rechtsmittel einzulegen und Bescheide offen zu halten.

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