Leitsatz (amtlich)

a) Unter Provisionen, deren Verlust die Bemessungsgrundlage für den Ausgleichsanspruch bildet (§ 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB), ebenso wie unter Provisionen, die nach § 89 b Abs. 2 HGB die Höchstgrenze des Ausgleichs darstellen, sind die Bruttoprovisionen zu verstehen; die in ihnen enthaltene Mehrwertsteuer darf nicht außer Ansatz bleiben.

b) Der nach der Regel des § 89 b Abs. 1 und Abs. 2 HGB ermittelte Ausgleich enthält die Mehrwertsteuer.

c) Wenn sich auf Grund der Vorschriften des UStG 1967 die umsatzsteuerliche Belastung des Ausgleichs (§ 89 b HGB), der auf einem vor dem 1. Oktober 1967 abgeschlossenen Vertrag beruht, nicht unwesentlich erhöht, so kann der Handelsvertreter hierfür von dem Unternehmer die Zahlung eines Ausgleichs nach § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 verlangen.

 

Normenkette

HGB § 89b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; UStG 1967 § 29 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.12.1970)

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 8. Dezember 1970 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 100.000 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Von den Kosten der Revision hat die Beklagte 5/6 zu tragen, die Entscheidung über das restliche Sechstel wird dem Berufungsgericht übertragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1949 Handelsvertreter der Beklagten. Er warb Inserenten für die von ihr herausgegebene Zeitschrift „Textilwirtschaft”. Die Beklagte kündigte das Vertragsverhältnis fristgerecht zum 31. Dezember 1968, weil der Kläger im Januar 1969 65 Jahre alt wurde.

Der Kläger hat als angemessenen Ausgleich (§ 89 b HGB) 100.000 DM nebst Zinsen und 11 % Mehrwertsteuer eingeklagt.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben.

Mit der Revision, um deren Zurückweisung der Kläger bittet, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter, soweit sie zur Zahlung von mehr als 50.000 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.

 

Entscheidungsgründe

I.

Vorteils- und Verlustprognose

Das Berufungsgericht hat sich der Auffassung des Landgerichts angeschlossen, wonach die Prognose für die dem Kläger nach Beendigung des Vertragsverhältnisses entstandenen Provisionsverluste (§ 89 b Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB) sich auf die Zeit bis 1972 erstreckt.

Die Revision hält keinen vier-, sondern allenfalls einen zweijährigen Prognosezeitraum bis 1970 für angemessen, da der Kläger im Pensionsalter gestanden habe. Sie beanstandet, daß das Berufungsgericht sich in diesem Zusammenhang nicht mit der Gesundheit und Arbeitskraft des Klägers befaßt und keine eigene Begründung für den von ihm angenommenen Prognosezeitraum gegeben habe.

Diese Rüge geht fehl.

1. Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils ausgeführt, es müsse die Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses unterstellt und ermittelt werden, welche Provisionseinkünfte der Handelsvertreter ohne Beendigung seines Vertrages, aber auch ohne Hinzugewinnung neuer Kunden erzielt hätte. Der Zeitraum für eine solche Prognose sei gesetzlich weder festgelegt noch beschränkt. Es müsse sich nur um eine überschaubare, in ihrer Entwicklung noch einschätzbare Zeitspanne handeln.

Das entspricht der Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (BGHZ 24, 223, 228; BGH Urt. vom 27.10.1960 – II ZR 1/59 = NJW 1961, 120, 121; 56, 242, 247, 248; OLG Celle NJW 1968, 1141; OLG Köln VersR 1968, 966, 967; OLG Schleswig VersR 1958, 315, 316; Brüggemann in Großkom. HGB, 3. Aufl., § 89 b Anm. 12; Hoffmann, Der Ausgleichsanspruch der Handelsvertreter, 1966, S. 74; Geßler, Der Ausgleichsanspruch der Handels- und Versicherungsvertreter, 1953, S. 79; Küstner, Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, 3. Aufl., Rn. 148) und wird von der Revision nicht angegriffen.

2. Die Bemessung der Höhe des Ausgleichsanspruchs im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen und die Würdigung aller hierbei in Betracht kommenden Umstände ist im wesentlichen Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann dessen Entscheidung nur daraufhin nachprüfen, ob sie einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen Erfahrungssätze enthält oder ob es wesentliches Vorbringen unberücksichtigt gelassen hat (BGHZ 41, 129, 134, 135; 56, 242, 244).

Das gilt auch für die Einschätzung des Zeitraums der Provisionsverluste des Handelsvertreters (vgl. Küstner a.a.O., Rn. 361 i). Rechtsfehler des Berufungsgerichts sind dabei nicht ersichtlich.

a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Kläger hätte weder aus Gesundheits- noch aus Altersgründen seine Tätigkeit für die Beklagte einstellen müssen; er habe sich mit ungebrochener Vitalität dieser Tätigkeit widmen können.

Aus dieser Feststellung, mit der einer Herabsetzung des ermittelten Ausgleichsbetrages entgegengetreten wird, ergibt sich zugleich, daß Alter und Gesundheit des Klägers keinen Anlaß zu der Annahme gegeben haben, auch ohne Kündigung hätte er seine Tätigkeit für die Beklagte nicht noch einige Jahre fortsetzen können.

b) Ein Zeitraum von vier Jahren für die Vorteils- und Verlustprognose (das Berufungsgericht nennt nur deshalb fünf Jahre, weil es das bei Vertragsende bereits abgelaufene Jahr 1968 einbezogen hat) braucht, insbesondere bei langdauernden Vertragsverhältnissen, nicht unangemessen zu sein (vgl. BGHZ 56, 242, 247, 248; Hoffmann a.a.O. S. 74; Geßler a.a.O. S. 80). Unter Berücksichtigung der 20-jährigen Vertragsdauer und der großen Beständigkeit des Inserentenkreises, wie sie vom Landgericht und – ihm folgend – auch vom Oberlandesgerichts festgestellt worden ist, läßt die Annahme eines Prognosezeitraums von vier Jahren keinen Rechtsfehler erkennen.

4. Das Berufungsgericht hat schließlich zur Ermittlung des Vorteils- und Verlustbetrages, der dem Ausgleichsbetrag zugrunde zu legen ist, die Provisionen abgezogen, die für 1968 auf Geschäfte mit Kunden entfielen, die der Kläger nicht geworben hat. Unter Anrechnung der vom Landgericht ermittelten „Abwanderungsquote” ist auch das Berufungsgericht für die vier Jahre von 1969 bis 1972 auf 255 % – bezogen auf die ausgleichsfähigen Einnahmen im Jahre 1968 – gekommen und hat den so errechneten Betrag im Wege der Abzinsung korrigiert (vgl. OLG Köln a.a.O.; Küstner a.a.O. Rn. 148, 149 a, 361 n).

Diese Berechnungsmethode läßt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revision nicht beanstandet.

II.

Billigkeitsprüfung

Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, die von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit (§ 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB) vorgetragenen Umstände rechtfertigten keine Herabsetzung des Ausgleichsbetrages unter die als Ausgleich eingeklagte Summe von 100.000 DM.

Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, daß hier besonders günstige Vertragsbedingungen vorgelegen hätten.

Auch diese Rüge hat keinen Erfolg.

Der Senat hat zwar in BGHZ 43, 154, 159 ausgesprochen, daß für den Handelsvertreter besonders günstige Bedingungen des Vertrages aus Gründen der Billigkeit ausgleichsmindernd wirken können. Besonders günstige Vertragsbedingungen, die das Berufungsgericht feststellt, aber nicht berücksichtigt hätte, sind jedoch hier nicht zu erkennen. Es hat sich eingehend mit allen von der Beklagten vorgetragenen Umständen auseinandergesetzt. Seine Wertung wird von der Revision nur insoweit angegriffen, als es sich um den Erwerb von Konkurrenzblättern durch die Beklagte handelt. Das Berufungsgericht stellt dazu fest, dieser Erwerb habe in erster Linie der Verstärkung des Unternehmens der Beklagten gedient. Daraus ergibt sich zwar, daß er auch dem Kläger zugutegekommen ist. Doch durfte das Berufungsgericht bei der Abwägung der beiderseitigen Vorteile zu dem Ergebnis kommen, daß dieser Erwerb eine Minderung des Ausgleichs nicht rechtfertigt. Dieser Schluß läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

Daß der Kläger gut verdient und keine besonders hohen Unkosten gehabt hat, bedeutet nicht, die Vertragsbedingungen wären für ihn so günstig gewesen, daß es unbillig erschiene, ihm den Höchstbetrag nach § 89 b Abs. 2 HGB zuzusprechen.

III.

Mehrwertsteuer

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der von der Beklagten dem Kläger im Jahre 1968 als Mehrwertsteuer gezahlte Betrag sei keine Provision, sondern nur ein durchlaufender Posten, der bei der Ermittlung der Provisionsverluste und bei der Errechnung des Höchstbetrags „auszuscheiden” sei. Auf den so errechneten Ausgleich müsse, so meint das Berufungsgericht, die Beklagte dann aber noch zusätzlich die Mehrwertsteuer zahlen.

Gegen diese Auffassung wendet sich die Revision zu Recht.

1. Die Provision stellt den zivilrechtlichen Preis für die Tätigkeit des Handelsvertreters dar. In ihr war stets und ist auch heute die von ihm zu entrichtende Umsatzsteuer enthalten.

a) Für die Zeit vor 1968 ergab sich dies aus dem Verbot der offenen Überwälzung der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951). Seit dem 1. Januar 1968 ist die gesonderte Ausweisung der Umsatzsteuer zwar allgemein gestattet und zum Teil sogar gefordert (§ 14 UStG 1967), um die Feststellung der Vorsteuer zu erleichtern. Jedoch hat der zivilrechtliche Begriff des Entgelts, der vom steuerlichen Entgeltsbegriff (§ 10 Abs. 1 UStG 1967) streng zu trennen ist, durch die Änderung des Umsatzsteuersystems keine Änderung erfahren (BGHZ 58, 292, 295; 60, 199, 201, 202). Die dem Auftragnehmer zustehende Vergütung ist nach wie vor ein „Bruttopreis”, enthält also die Umsatzsteuer, falls nicht etwas anderes vereinbart ist.

b) Der zivilrechtliche, die Umsatzsteuer einschließende Entgeltsbegriff wird für das Handelsvertreterrecht ausdrücklich bestätigt durch die Bestimmung des § 87 b Abs. 2 Satz 3 HGB, die durch § 31 Abs. 2 UStG 1967 eingefügt worden ist. Nach ihr gilt für das Entgelt, von dem die Provision zu berechnen ist, die Umsatzsteuer, die lediglich auf Grund der steuerrechtlichen Vorschriften in der Rechnung gesondert ausgewiesen ist, nicht als besonders in Rechnung gestellt (vgl. dazu van der Velde, Mehrwertsteuerprobleme in der Praxis, in Steuerberater-Jahrbuch 1969/70, S. 441, 467; Wenzel NJW 1969, 647).

c) Die Mehrwertsteuer ist somit kein „durchlaufender Posten”, der – wie das Berufungsgericht irrig meint – bei der Errechnung der letzten Jahresprovision und des Höchstbetrages „auszuscheiden” wäre. Unter solchen durchlaufenden Posten werden nicht Teile der Tätigkeitsvergütung verstanden, sondern Aufwendungen, die der Unternehmer dem Handelsvertreter erstattet hat, weil sie diesem durch Erfüllung besonderer Vertragspflichten entstanden sind, z.B. als Mietkosten für die Unterhaltung eines Auslieferungslagers (vgl. Baumbach/Duden, HGB, 20. Aufl., § 89 b Anm. 3 B; Küstner a.a.O., Rn. 313; Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5. Aufl., § 89 b Rn. 23 b bis 23 d; BFH BStBl 1967 III 377).

d) Daher gilt auch in Bezug auf die Mehrwertsteuer, daß unter Provision im Sinne von § 89 b Abs. 1 und 2 HGB die Brutto provision zu verstehen ist (vgl. BGHZ 29, 83, 92; 41, 129, 134; 56, 242, 250).

2. Nicht nur die Provision des Handelsvertreters, sondern auch der ihm gezahlte Ausgleich nach § 89 b HGB unterliegt der Umsatzsteuer, da er als eine Abgeltung von Leistungen einen Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Nr. 1 UStG 1951/1967 darstellt (BFH 65, 130; 87, 157; BFH in BB 1969, 169; vgl. auch Küstner a.a.O. Rn. 392 und die Rn. 415 Nr. 16 abgedruckte Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. vom 3.4.1968; Déon, Besteuerung der Handelsvertreter, 2. Aufl., S. 112).

Da dieser Ausgleich aber als eine – wenn auch von Billigkeitsgesichtspunkten beeinflußte – nachträgliche Vergütung anzusehen ist (BGHZ 24, 214, 222; 45, 268, 270; BGH NJW 1961, 120, 121), stellt auch er – wie die Provision – ein Bruttoentgelt dar, in dem die Umsatzsteuer enthalten ist.

Der Unternehmer ist daher nicht kraft Gesetzes verpflichtet, auf den Ausgleichsbetrag Mehrwertsteuer zu zahlen.

3. Der Unternehmer und der Handelsvertreter können zwar einen höheren als den gesetzlichen Ausgleich vereinbaren. Das kann auch so geschehen, daß sie den nach § 89 b HGB zu ermittelnden Betrag um einen Betrag in Höhe der Mehrwertsteuer erhöhen. Nur kann ein solcher Wille zur Vereinbarung eines höheren als des gesetzlichen Ausgleichs nicht bereits dann angenommen werden, wenn die Parteien statt Zahlung von Bruttoprovisionen die Zahlung von Nettoprovisionen zuzüglich der darauf entfallenden Mehrwertsteuer vereinbart haben. Denn dabei handelt es sich lediglich um eine Methode zur Berechnung der Provisionen.

Deshalb durfte das Berufungsgericht daraus, daß die Beklagte für das Jahr 1968 dem Kläger „zusätzlich zu seiner Provision die Mehrwertsteuer erstattet hat”, keine stillschweigende Vereinbarung des Inhalts entnehmen, zu dem sich nach § 89 b HGB ergebenden Ausgleich solle noch ein Betrag in Höhe der Mehrwertsteuer zugezahlt werden. Die gesonderte Ausweisung und Zahlung der Mehrwertsteuer durch die Beklagte geschah nach deren unbestritten gebliebener Behauptung lediglich zum Ausgleich der durch die Umstellung des Steuersystems bedingten erhöhten umsatzsteuerlichen Belastung der Provisionen des Klägers (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967).

4. Das Berufungsgericht stellt fest, der Kläger habe in den letzten fünf Jahren seiner Tätigkeit an Provisionen – einschließlich der Mehrwertsteuer für 1968 – insgesamt 523.572,05 DM erhalten. Demnach beträgt der Höchstbetrag für den Ausgleich (§ 89 b Abs. 2 HGB) davon 1/5 = 104.714,41 DM und nicht 102.463,84 DM, wie das Berufungsgericht (S. 17, 18 BU) irrig meint.

IV.

Ausgleich nach § 29 UStG 1967

Der Kläger will seinen Klageantrag so verstanden wissen und der Antrag ist in der Tat so zu verstehen, daß der Kläger jedenfalls insgesamt 111.000 DM fordert. Deswegen kann die Klage in Höhe der 11.000 DM, die das Berufungsgericht unter dem falschen Gesichtspunkt „Mehrwertsteuer” zuerkannt hat, nicht abgewiesen werden, bevor nicht geprüft ist, ob dem Kläger diese 11.000 DM nicht aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zuzusprechen sind. Als solcher kommt einmal (bis zum Höchstbetrage von 104.714,41 DM) § 89 b HGB in Betracht. Weiter ist zu prüfen, ob und in welcher Höhe der Kläger die Zahlung eines Ausgleichs nach § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 fordern kann. Auf § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 hat er in seiner Berufungserwiderung ausdrücklich hingewiesen.

1. Gemäß dieser Bestimmung kann bei Leistungen, die auf einem vor dem 1. Oktober 1967 abgeschlossenen Vertrag beruhen, der eine Vertragsteil von dem anderen einen angemessenen Ausgleich verlangen, falls auf Grund der Vorschriften dieses Gesetzes die umsatzsteuerliche Belastung der Leistung sich nicht unwesentlich erhöht oder vermindert.

a) Da der Ausgleich des § 89 b HGB auf dem Handelsvertretervertrag beruht und eine Vergütung für die Überlassung des vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstammes darstellt (BGHZ 24, 214, 222; 29, 83, 89; 45, 268, 271; BGH NJW 1961, 120, 121; 1964, 1622, 1623), so bestehen keine Bedenken, auch auf ihn § 29 Abs. 1 UStG anzuwenden.

b) Im vorliegenden Fall hat sich die umsatzsteuerliche Belastung für den Kläger nicht unwesentlich erhöht. Da das Handelsvertreterverhältnis am 31. Dezember 1968 beendet worden ist, unterliegt der von der Beklagten dem Kläger zu zahlende Ausgleich der Besteuerung nach dem UStG 1967, wie sich aus dessen § 27 Abs. 1 Satz 1 ergibt, also der Mehrwertsteuer in Höhe von 11 % (vgl. Küstner a.a.O. Rn. 393 sowie die Rn. 415 Nr. 16 abgedruckte Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt/M. vom 3.4.1968; Déon a.a.O., S. 93, 119).

2. Die Feststellung der Höhe des dem Kläger nach § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 zustehenden Ausgleichs kann der Senat nicht selbst vornehmen, weil die bisherigen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts hierzu nicht ausreichen. Diese Feststellung muß daher dem Berufungsgericht überlassen bleiben. Dieses wird dabei folgendes zu beachten haben:

a) Der Ausgleich nach § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 kann nicht einfach so erfolgen, daß dem Kläger zusätzlich zu dem Ausgleich nach § 89 b HGB die Differenz zwischen der (von dem Ausgleich nach § 89 b HGB zu entrichtenden) Mehrwertsteuer (von 11 %) und der früheren Umsatzsteuer (von 4 %) zugesprochen wird. Es ist vielmehr die tatsächliche Belastung durch die frühere Bruttoumsatzsteuer mit der tatsächlichen Belastung durch die heutige Mehrwertsteuer zu vergleichen (Plückebaum/Malitzky, UStG-MWSt-, 10. Aufl., § 29 Rn. 34). Denn keine der Vertragsparteien soll durch die Änderung der steuerlichen Belastung besser oder schlechter gestellt werden als sie unter der Geltung der früheren kumulativen Bruttoumsatzsteuer stand. Daher ist eine nicht unwesentliche Belastungsänderung auch in voller Höhe auszugleichen (BGHZ 58, 292, 297; BGH Urt. vom 8.3.1973 – VII ZR 214/71 = WM 1973, 498, 500).

b) Grundsätzlich ist die Änderung der umsatzsteuerlichen Belastung so zu errechnen, daß der steuerbare Betrag – unter Abzug der „Zahllast” (das sind hier die 4 % Umsatzsteuer, die unmittelbar an das Finanzamt zu zahlen waren) und der auf den Vorstufen in die Leistung eingegangenen „Vorbelastung” – auf einen „bereinigten” Nettobetrag zurückgeführt wird und zu diesem dann die Mehrwertsteuer (jetzt 11 %) hinzugerechnet wird (Eckhardt/Weiß UStG-MWSt- § 29 Rn. 10, 11; Plückebaum/Malitzky a.a.O. § 29 Rn. 56). Im vorliegenden Fall dürfte allerdings eine Berücksichtigung der Vorbelastung, die bei Handelsvertretern auf 1,5 % geschätzt wird (Kottke, Mehrwertsteuer des Handelsvertreters, BB 1968, 1076, 1077), ausscheiden, weil der Kläger nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses keine mit Vorbelastung verbundene Tätigkeit mehr entfaltet.

c) Würde das Berufungsgericht den Ausgleich in Höhe des Höchstbetrags (§ 89 b Abs. 2 HGB) von 104.714,41 DM zusprechen, so ergäbe sich nach dem Vorgesagten z.B. folgende Berechnung:

Ausgleich nach § 89 b HGB

104.714,41 DM

./. 4 % frühere USt

=

4.188,56 DM

Bereinigter Nettobetrag

100.525,85 DM

+ 11 % MWSt

+

11.057,85 DM

111.583,70 DM.

Danach betrüge die Erhöhung der umsatzsteuerlichen Belastung des Klägers 6.869,29 DM. Die Summe der Ansprüche aus § 89 b HGB und aus § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 überstiege dann die Klagesumme von 111.000 DM.

d) Ob der Betrag des Anspruchs nach § 29 UStG 1967 sich etwa noch deswegen ermäßigen könnte, weil der Kläger von der Beklagten für 1968 bereits einen umsatzsteuerlichen Ausgleich erhalten hat, angeblich in Höhe von 11.253,37 DM (18 BU), wird das Berufungsgericht ebenfalls noch zu prüfen haben (vgl. zur Frage der Zulässigkeit einer Berücksichtigung mittelbarer Änderungen der umsatzsteuerlichen Belastung einerseits: Rau/Dürrwächter/Flück/Geist UStG – MWStG – § 29 Rn. 133, 134; Plückebaum/Malitzky a.a.O. § 29 Rn. 139, 169; andererseits: Eckhardt/Weiß a.a.O. § 29 Rn. 8; Rietz, Die Umstellung laufender Verträge beim Übergang zur Mehrwertsteuer – § 29 MWStGin USt-Rundschau 1967, 201, 202).

V.

Das angefochtene Urteil ist nach alledem im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 100.000 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist. In diesem Umfang muß die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Im übrigen ist die Revision zurückzuweisen (§§ 564, 565 ZPO).

Das Berufungsgericht wird nun die endgültige Höhe des dem Kläger zustehenden Ausgleichs nach § 89 b HGB und die Höhe des Anspruchs nach § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 festzustellen haben. Ihm wird auch die Entscheidung über die Kosten der Revision übertragen, soweit der Senat darüber noch nicht befunden hat (§ 97 ZPO).

 

Unterschriften

Vogt, Rietschel, Schmidt, Meise, Recken

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502276

BGHZ

BGHZ, 112

NJW 1973, 1744

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