Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderfragen bei Zusammentreffen von Ausschlußklage und Auflösungsklage. Zur Frage des Vorranges zwischen Ausschließung eines Gesellschafters und Auflösung der Gesellschaft in der auf persönliche Zusammenarbeit angelegten GmbH

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Auflösungsgrund nach GmbHG § 61 Abs 1.

2. Die Auflösungsklage ist abzuweisen, wenn gegen den Auflösungskläger die Ausschließung betrieben wird und gerechtfertigt erscheint.

3. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Ausschließung eines Gesellschafters gerechtfertigt ist, wenn den Ausschließungskläger ein Mitverschulden, den Ausschließungsbeklagten aber das überwiegende Verschulden trifft.

 

Orientierungssatz

1. Zur Frage der Abwendung der Auflösung der Gesellschaft durch Bestellung eines Dritten zum Geschäftsführer, wenn die Gesellschafter heillos zerstritten sind.

2. Zur Verteilung der Beweislast bei Auflösungsklagen und Ausschlußklagen, wenn alle Gesellschafter gegen ihre Pflichten verstoßen haben sollen.

 

Tatbestand

Der Kläger, der Streithelfer und Dr. W. S. sind Brüder und mit Geschäftsanteilen von je 27.000 DM Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten; einen Anteil von 1.000 DM hält die Beklagte selbst. Die Beklagte ist Betriebsgesellschaft eines von dem Vater der Gesellschafter gegründeten Straßenbauunternehmens. Sie hat mit ihren Gesellschaftern eine Kommanditgesellschaft – mit der Beklagten als persönlich haftenden Gesellschafterin und den drei Gesellschaftern als Kommanditisten – als Besitzgesellschaft gegründet, die ihr wesentliches Betriebsvermögen hält.

Zwischen dem Kläger und Dr. W. S. einerseits und dem Streithelfer andererseits bestehen seit Ende 1970/Anfang 1971 Spannungen. Sie begannen, als der Streithelfer Ende 1970 eine Angestellte der Beklagten heiratete und die Mitgesellschafter das Ausscheiden der Ehefrau aus dem Betrieb verlangten, und führten zu einer Vielzahl von Prozessen. Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Auseinandersetzungen zu einem so tiefgreifenden und unheilbaren Zerwürfnis geführt haben, daß das Gesellschaftsverhältnis zwischen ihnen nicht fortgesetzt werden kann. Während jedoch der Streithelfer den Ausschluß des Klägers und des Dr. W. S. betreibt (Rechtsstreit 25 0 145/76 LG Hannover), erstreben der Kläger und Dr. W. S. die Auflösung der Gesellschaft. Im vorliegenden Verfahren geht es – soweit es in der Revisionsinstanz noch interessiert – um den Antrag des Klägers, die Beklagte aufzulösen. Das Landgericht hat diesem Antrag entsprochen. Das Oberlandesgericht hat die vom Streithelfer eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Streithelfer den Klagabweisungsantrag der Beklagten weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I. Das Berufungsgericht hält das Auflösungsverlangen für begründet, weil zwischen dem Streithelfer der Beklagten einerseits und dem Kläger sowie Dr. W. S. andererseits ein tiefgreifendes, unheilbares, die gedeihliche Fortführung des Unternehmens infrage stellendes Zerwürfnis bestehe, und die Gesellschafter sich darüber einig seien, daß die Bestellung eines außenstehenden Dritten zum Geschäftsführer nicht in Betracht komme. Dem Auflösungsverlangen könnte nur dann nicht stattgegeben werden, meint das Berufungsgericht, wenn der Kläger allein oder hauptsächlich die Schuld an dem Zerwürfnis trüge, so daß seine Ausschließung gerechtfertigt wäre; ein überwiegendes Verschulden des Klägers reiche nicht aus. Als weitere Voraussetzung der Auflösung hält es für erforderlich, „daß auch der Streithelfer die Zerrüttung nicht in einem Maße verschuldet hat, daß in seiner Person ebenfalls ein Ausschließungsgrund vorliegt oder doch gemessen an seinem Verschulden das des Klägers um so viel schwerer wiegt, daß sein Ausschluß nicht mehr gerechtfertigt ist”. Auf dieser Grundlage prüft es, ob der Streithelfer bewiesen hat, daß der Kläger die unheilbare Zerrüttung in einer seinen Ausschluß rechtfertigenden Weise verschuldet hat. Es verneint diese Frage im wesentlichen mit der Begründung, die überwiegende Zahl der Beanstandungen sei erst durch das Zerwürfnis relevant geworden. Die möglicherweise schwereren Verfehlungen (Nichtbereitstellung eines Darlehens an den Streithelfer im Jahre 1973, das der Kläger und Dr. W. S. sich selbst bewilligt und ausgezahlt hatten; unberechtigte Einziehung des Geschäftsanteils des Streithelfers am 5. Juli 1976; unberechtigte Entnahme am 6. Juli 1976 und unter Verstoß gegen einen geschlossenen Vergleich vom 9. November 1977) seien zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem das unheilbare Zerwürfnis bereits vorgelegen habe und eine Vertiefung nicht mehr möglich gewesen sei. Bei einer Gewichtung der Verfehlungen auf beiden Seiten könne von einem alleinigen oder hauptsächlichen Verschulden des Klägers nicht gesprochen werden.

II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision greifen durch. Davon abgesehen, daß die rechtlichen Voraussetzungen, die das Berufungsgericht für die Auflösungsklage fordert, unklar bleiben, soweit es um das Verhalten des Streithelfers geht, kann seinen Ausführungen im Ergebnis nicht gefolgt werden, weil es die Ausschließungsgründe zu eng gesehen und aus den festgestellten und unterstellten Tatsachen den rechtlich nicht einwandfrei begründeten Schluß gezogen hat, sie reichten zur Ausschließung des Klägers nicht aus. Soweit das Berufungsgericht annimmt, ein Teil der den Kläger treffenden Vorwürfe sei für das Zerwürfnis ohne Gewicht, bei einem anderen Teil habe das unheilbare Zerwürfnis schon vorgelegen, eine Vertiefung sei nicht mehr möglich gewesen, fehlt es überdies an der Feststellung, zu welchem Zeitpunkt das unheilbare Zerwürfnis vorgelegen hat und wodurch es veranlaßt worden ist.

1. Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsgericht allerdings nicht gehalten, das vorliegende, die Auflösung der Gesellschaft betreffende Verfahren bis zur Erledigung des vom Streithelfer gegen den Kläger betriebenen Ausschließungsverfahrens auszusetzen. Die im Berufungsurteil ausgesprochene Ablehnung der Aussetzung kann überdies mit der Revision nicht angefochten werden, weil auch ein besonderer, die Aussetzung ablehnender Beschluß des Berufungsgerichts unanfechtbar wäre (§§ 548, 567 Abs. 3 ZPO).

2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß das hier festgestellte tiefgreifende unheilbare Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern einen wichtigen Grund zur Auflösung der GmbH bilden kann. Nach § 61 Abs. 1 GmbHG müssen zwar die wichtigen Gründe, die eine Auflösung der Gesellschaft rechtfertigen sollen, in den Verhältnissen der Gesellschaft – nicht der Gesellschafter – liegen. Bei einer GmbH, die, wie hier, auf die persönliche Zusammenarbeit aller Gesellschafter angelegt und angewiesen ist, bei der insbesondere die Einsetzung außenstehender Dritter als Geschäftsführer nicht in Betracht kommt, sind diese Voraussetzungen jedoch auch dann gegeben, wenn Zerwürfnisse zwischen den Gesellschaftern eine gedeihliche Zusammenarbeit unmöglich machen. In Fällen dieser Art wird unmittelbar der Bestand der Gesellschaft gefährdet.

Es bedarf keines Eingehens auf die Angriffe der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine Prüfung dahin für überflüssig gehalten, ob das persönliche Zerwürfnis der Gesellschafter das Gedeihen der Beklagten „unmittelbar für eine bereits absehbare Zeit infrage stellt”. Angesichts der Bedeutung, die einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in einer GmbH der vorliegenden Art zukommt, sind diese Voraussetzungen bei einem unheilbaren Zerwürfnis immer dann als gegeben anzusehen, wenn, wie hier, keine gegenteiligen Umstände ersichtlich sind. Die Auflösung setzt in diesen Fällen insbesondere nicht die besondere Feststellung voraus, daß die Ertragskraft des Unternehmens durch das persönliche Zerwürfnis der Gesellschafter bereits beeinträchtigt ist; es genügt, daß damit über kurz oder lang zu rechnen ist.

3. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Auflösungsklage dennoch abzuweisen wäre, wenn der Kläger das Zerwürfnis unter den Gesellschaftern in einer Weise verschuldet hätte, daß seine Ausschließung gerechtfertigt wäre.

Ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern einer GmbH, die der handelsrechtlichen Personengesellschaft angenähert ist, bildet ohne Rücksicht darauf einen wichtigen Grund zur Auflösung der Gesellschaft, worin die Ursache zu sehen ist. Die Annahme eines die Auflösung rechtfertigenden wichtigen Grundes setzt insbesondere kein Verschulden voraus. Ein Verschulden des Klägers selbst steht der Auflösung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn beide Seiten das Zerwürfnis gleichermaßen schuldhaft verursacht haben. Andererseits kann eine Auflösungsklage dann keinen Erfolg haben, wenn durch Maßnahmen, die den Fortbestand der Gesellschaft sichern, Abhilfe geschaffen werden kann. Demgemäß muß der Auflösungsantrag grundsätzlich dann abgewiesen werden, wenn die Ausschließung des Auflösungsklägers gerechtfertigt erscheint. Das steht in Einklang damit, daß sich das Recht zur Ausschließung aus wichtigem Grunde auf die Treuepflicht der Gesellschafter und auf die vorgehenden Interessen der Gesellschafter an der Fortführung der Gesellschaft gründet (BGHZ 9, 157, 163). Die mit der Auflösung einer Gesellschaft verbundenen Folgen sind gegenüber den anderen Gesellschaftern sachlich nicht zu rechtfertigen, wenn wichtige Gründe vorliegen, die die Ausschließung des auf Auflösung klagenden Gesellschafters rechtfertigen. Das gilt in besonderem Maße für den Fall, daß, wie hier, die Ausschließungsklage bereits erhoben ist.

4. Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Ausschließung des Klägers als nicht gegeben ansieht.

a) Hierbei kann der Revision allerdings wiederum nicht in der Auffassung gefolgt werden, das Berufungsgericht habe der Beklagten zu Unrecht die Beweislast dafür auferlegt, daß der Kläger Ausschließungsgründe gesetzt hat. Wenn, wie hier, ein unheilbares Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern vorliegt, das grundsätzlich die Auflösung der Gesellschaft rechtfertigt, muß derjenige, der sich gegen die Auflösungsklage wendet, die Tatsachen beweisen, aus denen sich das der Auflösung entgegenstehende Ausschließungsrecht ergeben soll.

b) Das Berufungsgericht hat jedoch die dem Kläger zum Vorwurf gemachten Pflichtwidrigkeiten rechtsfehlerhaft nur darauf geprüft und beurteilt, ob dadurch die „Zerrüttung” zwischen den Gesellschaftern verursacht worden ist oder das bestehende Zerwürfnis sich vertieft hat. Dem Wortlaut seiner zusammenfassenden Würdigung (BU 46) könnte allerdings entnommen werden, daß das Berufungsgericht die vom Streithelfer vorgebrachten Gründe zur Ausschließung des Klägers in umfassender Weise geprüft hat. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe (insbesondere aus den Ausführungen Bl. 21/22, 23/24, 25, 27, 29) ergibt sich jedoch, daß die Ausführungen nur diesen Punkt betreffen. Die Würdigung der Verfehlungen des Klägers könnte überdies deshalb der rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten, weil das Berufungsgericht teils unstreitige, teils von der Beklagten behauptete schwerwiegende Verfehlungen des Klägers nicht berücksichtigt hat.

Die schuldhafte Herbeiführung eines tiefgreifenden unheilbaren Zerwürfnisses stellt nur einen von mehreren möglichen Ausschließungsgründen dar. Die Ausschließbarkeit eines GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grunde ohne satzungsmäßige Grundlage wird wesentlich aus dem das bürgerliche Recht und das Handelsrecht beherrschenden Grundsatz abgeleitet, daß Rechtsverhältnisse von längerer Dauer, die stark in die Lebensbetätigung der Beteiligten eingreifen oder eine besondere gegenseitige Interessenverflechtung mit sich bringen und ein persönliches Zusammenarbeiten, ein gutes Einvernehmen oder ein ungestörtes gegenseitiges Vertrauen der Beteiligten erfordern, vorzeitig gelöst werden können, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (BGHZ 9, 157, 161 f). Aus dem Umstand, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als Grund zur Auflösung der Gesellschaft nur das zwischen den Gesellschaftern bestehende unheilbare Zerwürfnis in Betracht kommt, folgt nicht, daß auch die Entscheidung darüber, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der die Ausschließung des Klägers rechtfertigt, nur diesen Tatbestand einbeziehen darf.

Dementsprechend müssen die Vorwürfe des Streithelfers gegen den Kläger, die das Berufungsgericht für berechtigt ansieht, nicht nur unter dem Gesichtspunkt gewürdigt werden, ob sie für das Zerwürfnis ursächlich waren oder dieses vertieft haben. Es bedarf vielmehr auch einer Würdigung der Gesamtumstände insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob die darin zu sehende Verletzung der Gesellschafterpflichten die Fortsetzung der Gesellschaft mit ihm (dem Kläger) unzumutbar macht und die Gesellschaft ohne ihn fortbestehen könnte. Das gilt insbesondere für die vom Berufungsgericht als berechtigt anerkannten Vorwürfe, der Kläger und Dr. W. S. hätten auf Kosten der Gesellschaft Gartenarbeiten und Wildfuttertransporte ausführen lassen (BU 33/34), zur Finanzierung eigener Prozesse 20.000 DM an ihren Prozeßbevollmächtigten überwiesen (BU 40/41) und zur Zahlung ihrer Einkommensteuer unter Verstoß gegen einen am 9. November 1977 geschlossenen Vergleich Entnahmen getätigt (BU 41), der Kläger habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, als er dem Streithelfer die Auszahlung eines Darlehens verweigert habe, das er selbst und Dr. W. S. beansprucht hätten.

Die Revision wendet sich außerdem zu Recht gegen eine Reihe von Würdigungen des Berufungsgerichts, die von Rechtsfehlern beeinflußt sind, mit denen es aber die dem Kläger zum Vorwurf gemachten Verfehlungen als nicht bewiesen ansieht, rechtfertigt oder entschuldigt:

aa) Den Vorwurf, der Kläger und Dr. W. S. hätten sich im November/Dezember 1969 gegen seinen Willen zusätzliche Zahlungen von jeweils 20.000 DM bewilligt (BU 24 zu 2 a), hält das Berufungsgericht durch ein Schreiben des Streithelfers an den Gutachter, Wirtschaftsprüfer Scholz, für widerlegt. Die Revision rügt insoweit zu Recht, daß das Berufungsgericht den Zweck des Schreibens nicht berücksichtigt hat, mit dem er dem Gutachter gegenüber in jenem auf Zahlung der Geschäftsführervergütung gerichteten Rechtsstreit dartun wollte, daß die Mitgeschäftsführer mehr als er erhalten hätten und ihm deshalb noch etwas zukomme. Die in diesem Schreiben erfolgte Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 13. Juni 1973 (Bl. 70 d. A. 24 0 69/73) legt es außerdem nahe, das vom Berufungsgericht angenommene Einverständnis des Streithelfers auf die Zahlungen im Jahre 1970 zu beziehen.

bb) Den Vorwurf, der Kläger und Dr. W. S. hätten am 13. Juli 1971 gegen die Stimmen des Streithelfers zum Schaden der Gesellschaft mit Rückwirkung vom 1. Januar 1965 eine Erhöhung der Geschäftsführerbezüge von Dr. W. S. beschlossen, weist das Berufungsgericht mit der Begründung zurück, der Streithelfer habe nicht bewiesen, daß Dr. W. S. keine gleichwertigen Arbeitsleistungen erbracht habe und deshalb die Erhöhung unberechtigt gewesen sei. Dem kann bei Zugrundelegung des unstreitigen Sachverhalts nicht gefolgt werden. Dr. W. S. hatte nur einen Anspruch auf die vertraglich festgesetzte Vergütung, die ersichtlich deshalb – berechtigterweise – niedriger als die der anderen Geschäftsführer festgelegt worden war, weil er im Vergleich zu diesen bei seinem Eintritt als Geschäftsführer keine praktischen Erfahrungen aufzuweisen hatte. Das stünde zwar einer späteren Erhöhung seiner Geschäftsführervergütung, insbesondere auch einer Anpassung an die Vergütung der übrigen Gesellschafter-Geschäftsführer nicht entgegen, wenn er – wie das Berufungsgericht annimmt – gleichwertige Leistungen erbracht hat. Für die Berechtigung einer rückwirkenden Gehaltserhöhung für mehr als sechs Jahre wird dies aber im allgemeinen nicht gelten können. Dafür hätte es jedenfalls einer besonderen Begründung bedurft.

cc) Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß die vorzeitige Aufhebung des zwischen der Beklagten und Dr. W. S. bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages, die zu Einnahmeausfällen für die beklagte Gesellschaft führte, dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme entsprochen hätte. Es berücksichtigt nicht, daß Dr. W. S. durch den am 2. November 1967 geschlossenen Vertrag insbesondere die Befugnis erhalten hatte, die Geschäftsbeziehungen, die aus der Tätigkeit der Beklagten entstanden sind, zu nutzen (vgl. § 1 des Geschäftsbesorgungsvertrages). Die vorzeitige Kündigung gab ihm die Ausnutzung dieser Geschäftsbeziehungen mit der Folge frei, daß er einerseits die Einnahmen und Gewinne aus der fortgesetzten Nutzung nicht mehr mit der Gesellschaft teilen mußte und andererseits der Gesellschaft die Möglichkeit genommen war, in der Zeit bis zur ordentlichen Kündigung des Vertrages Maßnahmen zu treffen, um ihre Geschäftsbeziehungen selbst zu nutzen.

dd) Auf die weiteren gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts und seine Würdigung gerichteten Angriffe der Revision, mit denen sie rügt, das Berufungsgericht habe eine Vielzahl von Verfehlungen des Klägers übergangen oder zu Unrecht verneint und den festgestellten Pflichtwidrigkeiten nicht das ihnen zukommende Gewicht beigemessen, braucht nicht eingegangen zu werden. Da die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, wird der Streithelfer Gelegenheit haben, diese Rügen in der neuen mündlichen Verhandlung vorzubringen.

c) Dem Berufungsgericht kann schließlich in der Auffassung nicht gefolgt werden, eine Ausschließung des Klägers wäre nur dann gerechtfertigt, wenn ihn das alleinige oder hauptsächliche Verschulden an der Zerrüttung träfe, ein überwiegendes Verschulden genüge nicht.

Diese Betrachtungsweise ist auch in diesem Zusammenhang zu eng, weil es, wie schon oben ausgeführt, auf die Ursächlichkeit des beiderseitigen Verhaltens für die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nicht allein ankommt, besonders wenn – wie hier – zunächst offenbar sehr persönliche Gründe dafür eine wesentliche Rolle gespielt haben und den Gesellschaftern davon ganz unabhängig erhebliche Verstöße gegen die Gesellschafterpflichten vorgeworfen werden. Bei der Entscheidung darüber, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der die Ausschließung rechtfertigt, können zwar in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht die Wertungsgesichtspunkte herangezogen werden, die aus den §§ 140, 142 HGB folgen; allerdings müssen hierbei die Besonderheiten berücksichtigt werden, die aus der körperschaftlichen Struktur der GmbH folgen. Dem Berufungsgericht ist insbesondere darin zuzustimmen, daß im vorliegenden Falle die zu § 142 HGB entwickelten Grundsätze eingreifen können, weil der Streithelfer einerseits und der Kläger und Dr. W. S. andererseits „sich in zwei geschlossenen Fronten feindlich gegenüberstehen” und der Streithelfer gegen beide die Ausschließungsklage betreibt, diese also das Ergebnis zeitigen soll, daß der Streithelfer Alleingesellschafter der GmbH wird. Aus diesen Grundsätzen folgt jedoch nicht, daß die Ausschließung grundsätzlich selbst dann nicht gerechtfertigt ist, wenn – was das Berufungsgericht hier als möglich ansieht – den auszuschließenden Gesellschafter ein überwiegendes Verschulden an dem unheilbaren Zerwürfnis zwischen den Parteien trifft.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann allerdings eine Ausschließung aus einer Zweimann-GmbH nicht erfolgen, wenn in der Person des verbleibenden Gesellschafters selbst ein Ausschließungsgrund vorliegt (BGHZ 16, 317, 322 f; 32, 17, 35; für die Ausschließungsklage der Zweimann-oHG SenUrt. v. 21. März 1957 – II ZR 97/56, LM HGB § 142 Nr. 9). Der Senat hat in diesem Zusammenhang zwar auch ausgesprochen, ein überwiegendes Verschulden des Ausschließungsbeklagten allein rechtfertige die Ausschließung nicht. Das geschah jedoch lediglich für den Fall, daß dem Ausschließungskläger selbst Pflichtwidrigkeiten zur Last fallen, die, wenn auch weniger schwerwiegend als die des anderen Gesellschafters, so erheblich sind, daß sie auch seine Ausschließung gerechtfertigt haben würden. Für den Fall, daß das gesellschaftswidrige Verhalten des auf Ausschließung klagenden Gesellschafters nicht als ein wichtiger Grund im Sinne der §§ 142, 140 HGB zu betrachten ist, kann jedoch der andere Gesellschafter ausgeschlossen werden (BGHZ 32, 17, 35 i. V. m. SenUrt. v. 21. März 1957, LM HGB § 142 Nr. 9).

Zu der Frage, ob der Streithelfer einen wichtigen Grund gesetzt hat, der die Fortsetzung der Gesellschaft mit ihm für die übrigen Gesellschafter unzumutbar macht, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Das kann beim gegenwärtigen Prozeßstand auch nicht angenommen werden.

5. Das angefochtene Urteil kann hiernach nicht bestehenbleiben. Beim gegenwärtigen Prozeßstand muß nach den tatrichterlichen Feststellungen und Würdigungen davon ausgegangen werden, daß gegen den Streithelfer keine seine Ausschließung rechtfertigenden Gründe vorliegen, dem Kläger aber so schwere Pflichtverletzungen zur Last fallen, daß seine Ausschließung gerechtfertigt sein könnte und damit die Auflösungsklage abzuweisen wäre. Eine abschließende Entscheidung ist dem erkennenden Senat verwehrt, weil zunächst weitere tatsächliche Feststellungen – insbesondere auf der Grundlage der Ausführungen zu 4 – zu treffen sind und alsdann der gesamte Sachverhalt unter Berücksichtigung der dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte von Grund auf neu zu würdigen ist. Dazu ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

BGHZ, 346

NJW 1981, 2302

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