Entscheidungsstichwort (Thema)

GmbH-Alleingesellschafter ohne Geschäftsführungsbefugnis. Anteilsveräußerung im eigenen Namen kein unberechtigter Eingriff in fremdes Verfügungsrecht § 816 Abs. 1 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Der (nicht geschäftsführende) Alleingesellschafter einer GmbH, der eigene Geschäftsanteile der GmbH (i. S. v. § 33 GmbHG) im eigenen Namen veräußert, handelt ihr gegenüber nicht als "Nichtberechtigter" i. S. v. § 816 Abs. 1 BGB.

 

Normenkette

BGB § 816 Abs. 1; GmbHG § 33

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 22.02.2001)

LG Kiel

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG in Schleswig v. 22.2.2001 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen II des LG Kiel v. 10.6.1999 wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG v. 24.8.2000 zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte war mit einem Geschäftsanteil von 35.000,00 DM Gesellschafter und bis zum 7.3.1996 Geschäftsführer der klagenden GmbH. Sein Mitgesellschafter hatte mit notariellem Vertrag v. 22.9.1995 seinen Geschäftsanteil von 15.000,00 DM an die Klägerin abgetreten. Durch notariellen Vertrag v. 24.5.1996 veräußerte der Beklagte mit der Erklärung, dass er sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin i. H. v. 50.000,00 DM innehabe, diese Anteile zum Kaufpreis von 264.000,00 DM an eine GmbH & Co. KG, vertreten durch den Steuerberater K.. Dieser und ein weiterer Gesellschafter der Erwerberin waren damals zugleich Liquidatoren der Klägerin. Nach Aufhebung des Liquidationsbeschlusses genehmigte die Klägerin am 10.11.1997, vertreten durch ihren nunmehrigen Geschäftsführer K., zu notarieller Urkunde die Veräußerung ihrer eigenen Geschäftsanteile durch den Beklagten.

Mit der Klage begehrt sie von dem Beklagten aus § 816 Abs. 1 BGB Herausgabe eines auf die Verfügung des Beklagten über ihren eigenen Geschäftsanteil entfallenden Kaufpreisanteils von 79.200,00 DM. Das LG hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin entsprochen. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe mit der Anteilsveräußerung v. 24.5.1996 als Nichtberechtigter i. S. v. § 816 Abs. 1 BGB über die eigenen Geschäftsanteile der Klägerin verfügt und schulde ihr daher nach Genehmigung der Verfügung durch sie Herausgabe eines entsprechenden Anteils des Veräußerungserlöses, der nach Urkundenlage - entgegen der Ansicht des Landgerichts - für sämtliche und nicht nur für die von dem Beklagten gehaltenen Geschäftsanteile gezahlt worden sei. Dass den mit den Liquidatoren der Klägerin identischen Organvertretern der Erwerberin die wahren Beteiligungsverhältnisse bekannt gewesen seien, ändere daran nichts.

II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Schon im Ansatz verfehlt ist die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe als Nichtberechtigter i. S. v. § 816 Abs. 1 BGB über die eigenen Anteile der Klägerin verfügt.

1. Die Klägerin war zwar formal Rechtsinhaberin ihrer eigenen Anteile (§ 33 GmbHG). Für den Begriff des "Nichtberechtigten" i. S. v. §§ 185, 816 BGB kommt es jedoch nicht auf die Rechtsinhaberschaft, sondern auf die Verfügungsbefugnis an. Wer mit der aus dem Selbstbestimmungsrecht des Rechtsinhabers abgeleiteten Einwilligung desselben handelt, ist kein Nichtberechtigter (vgl. Schramm in MünchKomm/BGB, 4. Aufl. § 185 Rz. 23, 31 f.).

Der Beklagte war zurzeit der Anteilsveräußerung alleiniger Gesellschafter der Klägerin, weil eine GmbH auch bei Innehabung eigener Anteile nicht Gesellschafterin ihrer selbst sein kann. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der übereinstimmende Wille der Gesellschafter einer GmbH sowie insbesondere derjenige ihres Alleingesellschafters mit ihrem Willen identisch (vgl. BGH v. 28.9.1992 - II ZR 299/91, BGHZ 119, 257 [259] = AG 1993, 84 = GmbHR 1993, 38 = MDR 1993, 129; v. 10.5.1993 - II ZR 74/92, BGHZ 122, 333 [336] = GmbHR 1993, 427; v. 21.6.1999 - II ZR 47/98, BGHZ 142, 92 [95] = GmbHR 1999, 921 = MDR 1999, 1145; Urt. v. 7.4.2003 - II ZR 193/02, BGHReport 2003, 670 = GmbHR 2003, 712 = MDR 2003, 817 = ZIP 2003, 945 f.). Auf Grund entsprechender Erwägungen hat der Senat in BGHZ 119, 257 (BGH v. 28.9.1992 - II ZR 299/91, BGHZ 119, 257 = AG 1993, 84 = GmbHR 1993, 38 = MDR 1993, 129) entschieden, dass in der Überlassung eines Gegenstandes des Gesellschaftsvermögens an ein anderes Unternehmen durch den wirtschaftlichen Alleingesellschafter einer GmbH ungeachtet seiner fehlenden Vertretungsmacht keine unberechtigte, angemaßte Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) zu sehen sei, weil er ohne weiteres in der Lage sei, den Geschäftsführer zur Gestattung der betreffenden Transaktion anzuweisen (§ 46 Nr. 6 GmbHG). Für die Haftung des Alleingesellschafters gegenüber der Gesellschaft könne es keinen Unterschied machen, ob er das Geschäft, dessen Vornahme er jederzeit bindend für den Geschäftsführer hätte veranlassen können, selbst ausführte oder dem Geschäftsführer entsprechende Weisungen erteilte. Die Annahme, er habe dabei ohne den Willen der Gesellschaft gehandelt, liefe letztlich auf die Unterstellung hinaus, er habe seinem eigenen Willen zuwidergehandelt (BGH v. 28.9.1992 - II ZR 299/91, BGHZ 119, 257 [260] = AG 1993, 84 = GmbHR 1993, 38 = MDR 1993, 129).

2. Im vorliegenden Fall gilt auch im Hinblick auf § 816 Abs. 1 BGB nichts anderes. Die Klägerin konnte hinsichtlich der Veräußerung der von ihr gehaltenen Geschäftsanteile im Innenverhältnis zu dem Beklagten keinen von ihm abweichenden Willen haben. Dabei kann dahinstehen, ob die Veräußerung von eigenen Geschäftsanteilen einer GmbH in die Vertretungskompetenz des Geschäftsleiters fällt (so Roth/Altmeppen, GmbHG, 4. Aufl., § 34 Rz. 46) oder es dazu (zusätzlich) eines Gesellschafterbeschlusses bedarf (so Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 33 Rz. 15; Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl., § 33 Rz. 38). Jedenfalls wäre der Beklagte auf Grund seiner Weisungsbefugnis gem. § 46 Nr. 6 GmbHG, der gem. § 69 GmbHG auch gegenüber Liquidatoren gilt (vgl. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 17. Aufl., § 69 Rz. 18), ohne weiteres in der Lage gewesen, die damaligen Liquidatoren bindend anzuweisen, ihn zu der Veräußerung der eigenen Geschäftsanteile der Klägerin im eigenen Namen formell zu ermächtigen, ohne dass dadurch irgendwelche Ersatzansprüche der Klägerin gegenüber ihm erwachsen wären. Dies zeigt, dass er mit der Veräußerung nicht unberechtigt in ein fremdes Verfügungsrecht (der Klägerin) eingegriffen hat, wie dies § 816 Abs. 1 BGB sinngemäß voraussetzt.

III. Die Kosten seiner zweitinstanzlichen Säumnis hat der Beklagte nicht gem. § 344 ZPO zu tragen, weil das trotz Unschlüssigkeit der Klage gegen ihn erlassene Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist (§ 344i. V. m. § 331 Abs. 2, Hs. 2 ZPO; vgl. RGZ 115, 310; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 344 Rz. 1; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 344 Rz. 5).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1058745

BB 2003, 2427

DB 2003, 2484

DStR 2003, 2034

WPg 2003, 1310

NJW 2004, 365

BuW 2003, 953

BGHR 2004, 29

GmbH-StB 2003, 345

EWiR 2003, 1245

NZG 2003, 1164

StuB 2004, 240

WM 2003, 2237

WuB 2004, 113

ZIP 2003, 2116

DNotZ 2004, 217

JuS 2004, 347

MDR 2004, 103

GmbHR 2003, 1426

NotBZ 2003, 472

ZNotP 2004, 165

UM 2003, 165

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge