Leitsatz (amtlich)

Zum Widerruf der Bestellung eines Gesellschafter-Geschäftsführers in einer GmbH mit zwei gleich hoch beteiligten Gesellschaftern.

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 26. November 1981 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Damit ist auch die Revision des Beklagten gegen das Ergänzungsurteil desselben Gerichts vom 18. März 1982 erledigt.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine GmbH, hatte mit dem Beklagten einen Mietvertrag über gewerbliche Räume abgeschlossen, zuletzt bis zum 30. September 1980; er sollte sich um weitere 5 Jahre verlängern, wenn er nicht 1 Jahr vor Ablauf der Mietzeit gekündigt wurde. Mit Schreiben vom 28. August 1979 kündigte Rechtsanwalt Z. das Mietverhältnis in Vollmacht des Gesellschafters W. K. zum 30. September 1980. K. war, zuletzt allein, zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt; er war und ist zusammen mit A. Ka. je zur Hälfte an ihr beteiligt. In der Gesellschafterversammlung vom 21. Februar 1979 wurde er gegen seine Stimme aus wichtigem Grund als Geschäftsführer abberufen. Ein gleichlautender Beschluß erging in einer Gesellschafterversammlung vom 20. Oktober 1980.

Der Beklagte hat das gemietete Anwesen zum 30. September 1980 nicht geräumt. Die Klägerin hatte es bereits an einen anderen weitervermietet. Dieser hat wegen Vorenthaltung der Mieträume Schadenersatzansprüche gegen sie angekündigt. Die Klägerin hat daher beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die im einzelnen bezeichneten gewerblichen Räume zu räumen und mit Zubehör an sie herauszugeben, sowie festzustellen, daß er ihr den Schaden ersetzen müsse, der ihr dadurch entstehe, daß der Nachmieter das Mietobjekt bisher nicht in Besitz nehmen konnte.

Der Beklagte hat eingewandt, der Gesellschafter K. sei nach seiner Abberufung als Geschäftsführer nicht befugt gewesen, namens der Klägerin das Mietverhältnis zu kündigen und Klage zu erheben; nach der Satzung der GmbH habe er zudem ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung nicht kündigen dürfen. Außerdem sei Partner des Mietverhältnisses im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr er selbst, sondern die A. W. KG gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen hat der Beklagte Revision eingelegt, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen möchte. Durch Ergänzungsurteil hat das Berufungsgericht den Antrag des Beklagten, das Urteil dahin zu ergänzen, daß ihm antragsgemäß „Abwendungsbefugnis gemäß § 712 ZPO” gewährt werde, zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beklagte ebenfalls Revision eingelegt. Die Klägerin beantragt, beide Revisionen zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage zulässig; die Klägerin war bei Klageerhebung durch ihren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer W. K. wirksam vertreten. Diese Frage hat der Senat ohne Bindung an tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts selbständig anhand des Sachverhalts nach § 56 ZPO zu prüfen, weil sie eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung betrifft.

Hierfür ist es unerheblich, ob die Vertretungsmacht des Geschäftsführers K. nach der Klageerhebung im August 1980 durch Widerruf seiner Bestellung erloschen ist. Denn hierdurch wäre eine vorher wirksam erteilte Prozeßvollmacht unberührt geblieben (§ 86 ZPO).

Entscheidend ist aber, ob K. schon in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 21. Februar 1979 mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen worden ist. Das hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht verneint.

1. Die Satzung der Beklagten beschränkt den Widerruf der Bestellung nicht ausdrücklich auf wichtige Gründe. Sie bestimmt aber in § 8 allgemein, daß Gesellschafterbeschlüsse einer Mehrheit von 3/4 des Stammkapitals bedürfen. Da diese Mehrheit bei dem Abberufungsbeschluß vom 21. Februar 1979 nicht erreicht war, ist die Abberufung nicht ohne weiteres gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG wirksam geworden.

Anders verhält es sich mit einer Abberufung aus wichtigem Grund, auf die der Beschluß tatsächlich gestützt war und bei der K. selbst kein Stimmrecht hatte (Urteil des Senats vom 21. April 1969 – II ZR 200/67, LM GmbHG § 38 Nr. 5). Die Befugnis der Gesellschaft, die Bestellung zum Geschäftsführer aus einem solchen Grund jederzeit zu widerrufen, ist mit Rücksicht auf die Gefahren, die der Gesellschaft infolge der gegenständlich unbeschränkten Vertretungsmacht des Geschäftsführers (§ 37 Abs. 2 GmbHG) drohen können, in § 38 Abs. 2 GmbHG zwingend vorgeschrieben. Sie kann daher durch die Satzung weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden. Eine unzulässige Einschränkung würde es auch bedeuten, wenn der Widerruf aus wichtigem Grund an eine höhere als die in § 47 Abs. 1 GmbHG bestimmte einfache Mehrheit gebunden wäre (Mertens in Hachenburg, GmbHG 7. Aufl. § 38 Rdn. 21; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 6. Aufl. § 46 Anm. 70). Sonst könnten gerade in einem Fall wie dem vorliegenden die Beteiligungsverhältnisse es der Gesellschaft unmöglich machen, sich von einem Geschäftsführer zu lösen, der grob gegen seine Pflichten verstoßen oder sich zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung als unfähig erwiesen hat. Das wäre mit dem Sinn und Zweck des § 38 Abs. 2 GmbHG ebenso unvereinbar wie ein Stimmrecht des Gesellschafters, der aus einem solchen Grund als Geschäftsführer abberufen werden soll (Urt. des Senats vom 21. April 1969 aaO). Auf die im Schrifttum erörterte Frage, ob das alles auch gilt, wenn ein Gesellschafter Geschäftsführer ein satzungsmäßiges Sonderrecht auf Geschäftsführung hat (Scholz/K. Schmidt aaO; Robert Fischer GmbHG 9. Aufl., § 38 Anm. 3 und GmbHRdsch 1953, 131, 134), braucht hier nicht eingegangen zu werden.

2. Auf die sich hiernach stellende Frage, ob der Abberufungsbeschluß vom 21. Februar 1979 durch wichtige Gründe im Sinne von § 38 Abs. 2 GmbHG gedeckt war und deshalb die organschaftliche Vertretungsmacht K.s beendet hat, käme es allerdings nicht an, wenn entweder, wie die Vorinstanzen angenommen haben, die Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers in entsprechender Anwendung der §§ 117, 127 HGB erst mit der Rechtskraft einer sie bestätigenden Gerichtsentscheidung wirksam würde (so Mertens aaO § 38 Rdn. 69 bei einem mit mindestens 50 % beteiligten oder ein Sonderrecht auf Geschäftsführung besitzenden Gesellschafter-Geschäftsführer; de lege ferenda auch Rob. Fischer in Festschr. Walter Schmidt, 1959, Seite 117, 121 ff sowie GmbHG § 38 Anm. 7 bei Bestehen eines Sonderrechts auf Geschäftsführung; dagegen Fleck, GmbH-Rdsch 1970, 221, 226), oder wenn umgekehrt § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG entsprechend anzuwenden wäre, wonach der aus wichtigem Grund erklärte Bestellungswiderruf wirksam ist, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Beides ist nicht der Fall.

a) Eine entsprechende Anwendung der §§ 117, 127 HGB scheitert daran, daß der dort geregelte, auf die Verhältnisse in einer Personengesellschaft mit Selbstorganschaft zugeschnittene Tatbestand sich wesentlich von der Lage in einer GmbH unterscheidet, in der sich die Notwendigkeit ergibt, einen Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen: Während in der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft einem Gesellschafter-Geschäftsführer die Vertretungsmacht nach der gesetzlichen Regelung nur durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden kann, wird der Geschäftsführer einer GmbH nach § 46 Nr. 5 GmbHG durch Gesellschafterbeschluß bestellt und entlassen. Ein Vergleich ist daher allenfalls mit der Rechtslage in einer Personengesellschaft möglich, in der nach dem Gesellschaftsvertrag, abweichend vom Gesetz, einem der Gesellschafter die Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht durch Beschluß entzogen werden kann; da ein solcher Beschluß, wenn seine sachlichen Voraussetzungen gegeben sind, sofort wirksam wird, hat eine spätere gerichtliche Entscheidung keine rechtsgestaltende, sondern nur feststellende Bedeutung (Hueck, Das Recht der OHG, 4. Aufl., § 10 VII 11 b; vgl. auch § 712 Abs. 1, § 715 BGB). Entsprechende Vertragsbestimmungen werden vielfach aus guten Gründen vereinbart, weil es namentlich bei groben Verfehlungen oder Mängeln der Geschäftsführung im Interesse der Gesellschaft schwer erträglich sein kann, dem dafür verantwortlichen Gesellschafter (sofern nicht durch eine einstweilige Verfügung Abhilfe geschaffen werden kann) die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis bis zu einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung zu belassen. Dieser Gesichtspunkt kann erst recht in der GmbH jedenfalls dann für die sofortige Wirksamkeit einer Abberufung sprechen, wenn es sich um einen Fremdgeschäftsführer oder einen Gesellschafter handelt, dem, wie hier, die Satzung kein grundsätzlich unentziehbares Recht auf die Geschäftsführung einräumt.

b) Andererseits läßt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, entgegen der Ansicht der Revision auch der Gedanke des § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG jedenfalls dann nicht auf die GmbH übertragen, wenn, wie im vorliegenden Fall, an dieser nur zwei Gesellschafter je zur Hälfte beteiligt sind, einer von ihnen oder beide zu Geschäftsführern bestellt sind und der Widerruf der Bestellung nicht einem anderen Organ als der Gesellschafterversammlung übertragen ist (Mertens aaO, § 38 Rdn. 69; Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG, 6. Aufl., § 38 Anm. 51; Fleck aaO Seite 228 f). In der Aktiengesellschaft (oder auch in einer mitbestimmten GmbH, § 31 Abs. 1 MitbestG) besteht in Gestalt des Aufsichtsrats ein von den Gesellschaftern gesondertes Bestellungs- und Abberufungsorgan, das unabhängig von Eigeninteressen der Gesellschafter und den durch sie bedingten Gegensätzen nach pflichtmäßigem Ermessen über die Besetzung des Vertretungsorgans zu entscheiden hat. Damit ist auch dafür gesorgt, daß bei Ausfall eines Vertretungsorgans alsbald – und mindestens für die Dauer eines über die Wirksamkeit der Abberufung schwebenden Prozesses – ein Nachfolger bestellt werden kann und so der Gesellschaft die Nachteile und Unklarheiten eines Schwebezustandes erspart bleiben.

Ist dagegen in einer GmbH mit zwei gleich hoch beteiligten Gesellschaftern die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 46 Nr. 5 GmbHG keinem anderen Organ übertragen, so kann einer der Gesellschafter mit der Behauptung, der andere sei aus wichtigem Grund für die Gesellschaft als Geschäftsführer nicht mehr tragbar, dessen Stimme ausschalten und so zunächst einen formal gültigen Abberufungsbeschluß herbeiführen. Dasselbe könnte wechselseitig geschehen, wenn beide Gesellschafter zu Geschäftsführern bestellt sind. Käme hinzu, daß die Abberufung ohne Rücksicht auf ihre sachliche Berechtigung bis zu einer gegenteiligen rechtskräftigen Gerichtsentscheidung vorläufig wirksam wäre, so wäre sie ein bequemes Mittel, bei Interessengegensätzen oder Meinungsverschiedenheiten unter den Gesellschaftern einen geschäftsführenden Gesellschafter unter Umständen auf Jahre hinaus auszuschalten. Gäbe das Gericht dann schließlich dem abberufenen Geschäftsführer recht, so könnte der andere ihn durch eine erneute Abberufung aus angeblich wichtigem Grund sofort wieder außer Gefecht setzen. Dabei wäre nicht einmal die notwendige gesetzliche Vertretung der Gesellschaft auf andere Weise gesichert, wenn sich die streitenden Gesellschafter auf keinen neuen Geschäftsführer einigen können. Da nämlich der abberufene Geschäftsführer bei der Bestellung eines Nachfolgers mitstimmen darf, könnte jeder Gesellschafter die Bestellung des vom anderen vorgeschlagenen Geschäftsführers mit seiner Stimme verhindern. Kommt es aber doch zu einem Übereinkommen über die Regelung der Geschäftsführung bis zum Abschluß eines Gerichtsverfahrens, ober betraut das Gericht gemäß § 29 BGB auf Antrag vorläufig einen Dritten mit der Geschäftsführung, so wird dieser zunächst nur vorübergehend bestellte Geschäftsführer angesichts der Streitigkeiten unter den Gesellschaftern und der dadurch bedingten Schwierigkeit, von ihnen übereinstimmende Weisungen zu erhalten, kaum geneigt sein, über die unbedingt notwendige laufende Geschäftsführung hinaus die alleinige Verantwortung für wichtige Entscheidungen zu übernehmen, wie sie gerade in dieser Zeit anstehen können.

Hängt dagegen die Wirksamkeit einer aus wichtigem Grund ausgesprochenen Abberufung allein von der materiellen Rechtslage nach § 38 Abs. 2 GmbHG ab, so steht sie wenigstens objektiv von vornherein fest. Freilich kann es auch hier zu einem für die Gesellschaft unerfreulichen Schwebezustand kommen, wenn über die Rechtmäßigkeit der Abberufung Streit besteht. In Fällen dieser Art wird das Registergericht vielfach das Erlöschen der Vertretungsbefugnis nach §§ 39, 78 GmbHG nicht klären und eintragen können. Auf diese Weise ist die Gesellschaft, wenn sie keinen anderen alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer hat oder alsbald durch Mehrheitsbeschluß ihrer Gesellschafter bestellen kann, allen Gefahren ausgesetzt, die ihr durch den Fortbestand der Eintragung nach § 15 HGB drohen. In einem solchen Fall bleibt jedoch für den Gesellschafter, der den anderen abberufen hat, immerhin der Weg der einstweiligen Verfügung, mit der dem abberufenen Gesellschafter-Geschäftsführer Maßnahmen der Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft bis zu einer endgültigen Klärung untersagt werden, gegebenenfalls in Verbindung mit einem Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers (Scholz/Winter GmbHG, 6. Aufl., § 6 Anm. 14; Scholz/Uwe H. Schneider, aaO, § 38 Anm. 53 m.w.N.). Auf diese Weise läßt sich wenigstens in den Fällen helfen, in denen es gelingt, schwerwiegende Entlassungsgründe im Sinne von § 38 Abs. 2 GmbHG und damit zugleich die Dringlichkeit einer einstweiligen Regelung glaubhaft zu machen. Insofern unterscheidet sich die Rechtslage von der nach § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG; sie ist aber wiederum mit dem Rechtszustand in einer handelsrechtlichen Personengesellschaft vergleichbar, in der die Gesellschafter durch Beschluß auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage einem von ihnen die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entzogen haben.

3. Die hiernach notwendige Prüfung der sachlichen Voraussetzungen des § 38 Abs.2 GmbHG ergibt, daß diese Voraussetzungen bei dem Gesellschafterbeschluß vom 21. Februar 1979 nicht vorgelegen haben. In einem zwischen dem Geschäftsführer K. und der jetzigen Klägerin geführten Rechtsstreit (HK O 32/81) hat das Landgericht Kempten (Allgäu) durch Urteil vom 13. August 1981 festgestellt, daß Krüger in der Gesellschafterversammlung vom 21. Februar 1979 nicht wirksam als Geschäftsführer abberufen worden ist. Dieses Urteil ist, wie in der letzten mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 1981 vor dem Berufungsgericht festgestellt wurde, rechtskräftig geworden, nachdem die heutige Klägerin unstreitig keine Berufung eingelegt hatte. In dem Urteil ist ausgeführt, ein wichtiger Grund, der bei Berücksichtigung aller Umstände eine weitere Zusammenarbeit mit K. als Geschäftsführer unzumutbar erscheinen lasse, liege nicht vor. Diese Entscheidung hat die heutige Klägerin hingenommen. Hiervon ist daher auch im vorliegenden Rechtsstreit auszugehen.

II. 1. Ist demnach für die verfahrensrechtliche Prüfung nach § 56 ZPO die Klägerin als ordnungsgemäß vertreten anzusehen, so ist dies auch für die materiellrechtliche Beurteilung maßgebend, ob der Geschäftsführer K. bei der Kündigung vom 28. August 1979 die Klägerin gemäß § 35 GmbHG gegenüber dem Beklagten vertreten konnte. Denn die Frage der Vertretungsmacht kann für diese Instanz nur einheitlich entschieden werden. Ist das Revisionsgericht berechtigt und verpflichtet, im Zusammenhang mit einer von Amts wegen zu prüfenden verfahrensrechtlichen Frage bestimmte Tatsachen von sich aus festzustellen, so hat es bei seiner Entscheidung auch die materiell-rechtlichen Auswirkungen dieser Feststellung zu berücksichtigen. Das gilt unter Umständen sogar für einen im Revisionsverfahren neu aufgetretenen Tatbestand (Urteil des Senats vom 2. Dezember 1974 – II ZR 132/73, LM BGB § 387 Nr. 53, zu 2) und muß erst recht gelten, wenn, wie hier, der entscheidende Sachverhalt bereits in der letzten Tatsachenverhandlung vorgetragen war.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision weiterhin gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Tatsache, daß der Geschäftsführer K. es versäumt hat, die in § 7 h der Satzung der Klägerin vorgeschriebene Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Kündigung des Mietvertrages mit dem Beklagten einzuholen, berühre nach außen hin nicht die Wirksamkeit der Kündigung. Nach § 37 Abs. 2 GmbHG wirkt eine gesellschaftsvertragliche Beschränkung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nicht gegen dritte Personen. Zwar darf sich ein Dritter nicht mißbräuchlich auf diese Rechtslage berufen. Das kommt aber nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts nur dann in Betracht, wenn der Dritte nicht nur weiß, daß der Vertreter seine internen Befugnisse überschreitet, sondern auch erkennt oder sich ihm aufdrängen muß, daß dieser bewußt zum Nachteil des Vertretenen handelt (Sen. Urt. vom 15. 12. 75 – II ZR 148/74 = LM GmbHG § 37 Nr. 4). Das war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall; vielmehr hat der Geschäftsführer K. mit seiner Kündigung gerade das Ziel verfolgt, die Räume günstiger zu vermieten. Die von der Revision vertretene Ausdehnung der Grundsätze zum Vollmachtmißbrauch auch auf diesen Fall würde die gesetzliche Abgrenzung zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis in § 37 GmbHG auf Kosten der Rechtssicherheit unzulässig verwischen.

3. Vergeblich rügt die Revision schließlich, das Berufungsgericht habe zu Unrecht den Beklagten und nicht die von ihm gegründete A. W. KG als Mieterin der gekündigten Räume angesehen. Mit Schreiben vom 23. August 1977 hatte der Beklagte bei der Klägerin beantragt, seinen Mietvertrag auf eine – aus steuerlichen Gründen noch zu errichtende – Kommanditgesellschaft zu übertragen. Ende Dezember 1977 wurde dann der Gesellschaftsvertrag abgefaßt, nach dem der Beklagte persönlich haftender Gesellschafter und zwei minderjährige Enkelkinder Kommanditisten werden sollten. Am 10. Februar 1978 erklärten die Gesellschafter der Klägerin in einer Versammlung, in deren Protokoll Rechtsanwalt W., der Sohn des Beklagten, als Beistand des Vertreters des Gesellschafters Ka. aufgeführt ist, sie seien sich darüber einig, daß anstelle des Beklagten „eine Gesellschaft” in den Mietvertrag eintrete, wenn der bisherige Mieter für die Verpflichtungen der neuen Mieterin die persönliche Haftung übernehme. Eine solche Haftungserklärung gab der Beklagte unter dem 22. Februar 1978 ab. Nachdem der inzwischen unter Beteiligung von Ergänzungspflegern abgeschlossene Gesellschaftsvertrag am 31. Mai 1978 vormundschaftsgerichtlich genehmigt worden und die Firmenänderung Anfang August 1978 in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht worden war, trat die Kommanditgesellschaft in den Geschäftsverkehr ein.

Hierzu führt das Berufungsgericht aus, es sei schon fraglich, inwiefern der Gesellschafterbeschluß vom 10. Februar 1978 eine Außenwirkung habe entfalten sollen und wie es möglich gewesen sein könnte, gegenüber der damals noch gar nicht entstandenen Kommanditgesellschaft überhaupt eine Willenserklärung abzugeben. Im übrigen hält es nach den Zeugenaussagen nicht für bewiesen, daß es am 10. Februar 1978 zwischen den Parteien tatsächlich schon zu einer Einigung gekommen sei, mit der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des Gesellschaftsvertrages und der Abgabe einer Haftungserklärung durch den Beklagten die Kommanditgesellschaft ohne weiteres als Mieterin an die Stelle des Beklagten treten zu lassen. Nicht zuletzt fehle es auch an jedem Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien sich darüber geeinigt haben sollten, den Vertragswechsel ohne weitere schriftliche Vereinbarung zu vollziehen, obschon nach dem bisherigen Mietvertrag (zu XIII) Ergänzungen und Abänderungen der Schriftform bedurften.

Diese Beweiswürdigung ist rechtlich möglich und deshalb für das Revisionsgericht bindend. Die Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch, wie nach § 565 a ZPO nicht weiter ausgeführt zu werden braucht.

4. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht der Räumungsklage stattgegeben und die auf § 557 BGB beruhende Ersatzpflicht des Beklagten festgestellt, die sich daraus ergeben kann, daß der Nachmieter L. seine bereits angekündigten Ersatzansprüche wegen Vorenthaltung der Mieträume mit Erfolg gegen die Klägerin geltend macht.

III. Die Revision des Beklagten gegen das Ergänzungsurteil des Berufungsgerichts vom 18. März 1982 hat sich dadurch erledigt, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil vom 26. November 1981 einstweilen eingestellt und nunmehr die Revision zurückgewiesen worden ist.

 

Fundstellen

BGHZ, 177

ZIP 1983, 155

DNotZ 1983, 764

JZ 1983, 392

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