Entscheidungsstichwort (Thema)

Franchisevertrag. bloß faktische Kontinuität des Kundenstamms nach Vertragsbeendigung des Franchisevertrags. Insolvenz des Franchisgebers. Anwendung des § 89b HGB auf Franchiseverträge

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Franchiseverträgen, die ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft betreffen, rechtfertigt eine bloß faktische Kontinuität des Kundenstamms nach Vertragsbeendigung eine entsprechende Anwendung der auf Handelsvertreter zugeschnittenen Bestimmung des § 89b HGB nicht.

 

Normenkette

HGB § 89b

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 03.05.2013; Aktenzeichen I-16 U 36/12)

LG Mönchengladbach (Entscheidung vom 09.01.2012; Aktenzeichen 8 O 71/11)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 3.5.2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger verlangt als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. (im Folgenden: Schuldner) von der Beklagten Ausgleich entsprechend § 89b HGB nach Beendigung zweier Franchiseverträge, die der Schuldner mit der Beklagten abgeschlossen hatte.

Rz. 2

Die Beklagte betreibt eine Handwerksbäckerei-Kette, zu der über 930 Bäckereien in Deutschland gehören. Von diesen Bäckereien werden über 90 % von Franchisepartnern geführt. Der Schuldner war einer dieser Franchisepartner mit zuletzt zwei Backshops in H. und in N. Nach den zwischen dem Schuldner und der Beklagten im Juni 2005 geschlossenen beiden Franchiseverträgen verkaufte der Schuldner die Waren in den Backshops im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Eine vertragliche Regelung, wonach der Schuldner nach Beendigung der Franchiseverträge zur Übertragung des Kundenstamms oder zur Übermittlung von Kundendaten verpflichtet war, bestand nicht. Der Schuldner war verpflichtet, die Geschäftsräume nach Vertragsbeendigung zurückzugeben.

Rz. 3

Die beiden Franchiseverträge wurden durch von den Vertragsparteien im Jahr 2007 geschlossene Aufhebungsverträge beendet.

Rz. 4

Mit Beschluss des AG - Insolvenzgericht - R. vom 27.5.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt.

Rz. 5

Das LG hat die auf Zahlung von Ausgleich entsprechend § 89b HGB i.H.v. 116.400,55 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 6

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Rz. 7

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, führt aus, dem Kläger stehe ein Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB nicht zu.

Rz. 8

Eine unmittelbare Anwendung des § 89b HGB scheide aus, weil der Schuldner nicht Handelsvertreter der Beklagten gewesen sei; vielmehr habe der Schuldner als Franchisenehmer der Beklagten die Waren im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verkauft.

Rz. 9

§ 89b HGB sei auf die vorliegende Vertragskonstellation auch nicht entsprechend anwendbar. Ob § 89b HGB überhaupt im Franchiseverhältnis ebenso wie im Vertragshändlerverhältnis analog anwendbar sei, bedürfe hier keiner abschließenden Entscheidung, da schon die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89b HGB nicht gegeben seien. Voraussetzung hierfür sei zum einen, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien so ausgestaltet sei, dass es sich nicht in einer Verkäufer-Käufer-Beziehung erschöpfe, sondern der Vertriebsmittler so in die Absatzorganisation seines Vertragspartners eingegliedert sei, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen habe. Davon sei vorliegend auszugehen. Außerdem müsse der Franchisenehmer - woran es im Streitfall fehle - auch verpflichtet sein, seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich der Franchisegeber bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne Weiteres nutzbar machen könne. Eine rein tatsächliche Überlassung genüge nicht. Der Umstand, dass aufgrund der Anonymität im Massengeschäft keine Kundenlisten geführt würden, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Schließlich könne die Pflicht des Schuldners, die Betriebsräume nach Vertragsbeendigung an die Beklagte herauszugeben und die daraus für diese folgende Möglichkeit, das Geschäftslokal an einen neuen Franchisenehmer zu übergeben, nicht mit der Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms gleichgesetzt werden. Der Schutzbereich des § 89b HGB werde dadurch nicht berührt.

II.

Rz. 10

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

Rz. 11

1. Soweit das Berufungsgericht eine unmittelbare Anwendung von § 89b HGB mangels Handelsvertretereigenschaft des Schuldners verneint hat, wird dies von der Revision hingenommen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

Rz. 12

2. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung von § 89b HGB sind im Streitfall nicht erfüllt.

Rz. 13

a) Nach der Rechtsprechung des BGH sind Vorschriften des Handelsvertreterrechts auf einen Franchisevertrag entsprechend anwendbar, wenn der hinter einer Einzelbestimmung stehende Grundgedanke wegen der Gleichheit der Interessenlage auch auf das Verhältnis zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer zutrifft (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2002 - VIII ZR 59/01, NJW-RR 2002, 1554, 1555, zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 89 HGB; Urt. v. 12.11.1986 - I ZR 209/84, WM 1987, 512, 513, zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 90a Abs. 1 HGB).

Rz. 14

Grundsätzlich kann § 89b HGB auf andere im Vertrieb tätige Personen entsprechend anwendbar sein (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2010 - I ZR 3/09, GRUR 2010, 1107 Rz. 24 - JOOP!). Dies gilt insb. für Vertragshändler. Die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b HGB ist auf Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertragshändler und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler in der Weise in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, und der Vertragshändler außerdem verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne Weiteres nutzbar machen kann (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2010 - VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rz. 17; Urt. v. 6.10.2010 - VIII ZR 210/07, NJW-RR 2011, 389 Rz. 18; Urt. v. 29.4.2010 - I ZR 3/09, GRUR 2010, 1107 Rz. 24 - JOOP!; Urt. v. 13.1.2010 - VIII ZR 25/08, NJW-RR 2010, 1263 Rz. 15 m.w.N.). Dabei muss sich die Verpflichtung des Vertragshändlers zur Übertragung des Kundenstamms nicht ausdrücklich und unmittelbar aus dem schriftlichen Händlervertrag ergeben; sie kann sich auch aus anderen, dem Vertragshändler auferlegten Pflichten ergeben (BGH, Urt. v. 26.2.1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 17 m.w.N.; Urt. v. 12.1.2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413). Bei anderen im Vertrieb tätigen Personen gilt grundsätzlich Entsprechendes (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2010 - I ZR 3/09, GRUR 2010, 1107 Rz. 24 - JOOP!; Urt. v. 12.3.2003 - VIII ZR 221/02, NJW-RR 2003, 894, 895).

Rz. 15

Eine bloß faktische Kontinuität des Kundenstamms rechtfertigt, wie der BGH in Auseinandersetzung mit einer im Schrifttum (vgl. die Nachweise im Urt. v. 17.4.1996 - VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159, 2160) verbreiteten Ansicht entschieden hat, eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB im Vertragshändlerverhältnis nicht (BGH, Urt. v. 17.4.1996 - VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159, 2160; Urt. v. 26.11.1997 - VIII ZR 283/96, NJW-RR 1998, 390, 391; vgl. ferner BGH, Urt. v. 16.2.1961 - VII ZR 244/59, VersR 1961, 401, 402).

Rz. 16

b) Der BGH (Urt. v. 23.7.1997 - VIII ZR 130/96, NJW 1997, 3304, 3308 f. - Benetton, insoweit in BGHZ 130, 295 nicht abgedruckt) hat bisher allerdings offengelassen, ob § 89b HGB überhaupt im Franchiseverhältnis ebenso wie im Vertragshändlerverhältnis analog anwendbar ist. Er hat dort des Weiteren offengelassen, ob beim Franchising anders als im Vertragshändlerverhältnis anstelle einer rechtlichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms das tatsächliche Verbleiben des vom Franchisenehmer geworbenen Kundenstamms beim Franchisegeber (vgl. Martinek, Franchising, S. 363 f., 366f.; ders., Moderne Vertragstypen II, S. 154, 156 f.; Eckert, WM 1991, 1237, 1243 f.; Köhler, NJW 1990, 1689, 1691, 1693 f.) die entsprechende Anwendung des § 89b HGB rechtfertigen könnte.

Rz. 17

Auch im Streitfall braucht nicht entschieden werden, ob § 89b HGB überhaupt im Franchiseverhältnis ebenso wie im Vertragshändlerverhältnis analog anwendbar ist, da die erforderlichen Analogievoraussetzungen nicht erfüllt sind. Bei Franchiseverträgen, die ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft wie im Streitfall betreffen, rechtfertigt eine bloß faktische Kontinuität des Kundenstamms eine entsprechende Anwendung der auf Handelsvertreter zugeschnittenen Bestimmung des § 89b HGB nicht. Insoweit besteht keine hinreichende Ähnlichkeit der Interessenlage.

Rz. 18

Der Franchisenehmer, der im eigenen Namen und für eigene Rechnung handelt, besorgt - anders als der Handelsvertreter - mit der Werbung eines Kundenstamms primär ein eigenes, kein fremdes Geschäft (vgl. Rauser in Metzlaff, Praxishandbuch Franchising, § 16 Rz. 212; Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, 9. Aufl., Band 2, Kap. II Rz. 91; Giesler in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., Franchising Rz. 122a; Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., § 17 Rz. 25, zum Vertragshändler). Daran ändert nichts, dass Franchisenehmer im Außenverhältnis gegenüber den Kunden meist nicht unter eigenem Kennzeichen, sondern unter dem des Franchisesystems in Erscheinung treten (a.M. Bodewig, BB 1997, 637, 639; Penners, Die Bemessung des Ausgleichsanspruchs im Handelsvertreter- und Franchiserecht, S. 204 ff.). Ein vom Franchisenehmer geworbener, im Wesentlichen anonymer Kundenstamm ist nach Vertragsbeendigung nicht ohne Weiteres für den Franchisegeber nutzbar. Die tatsächliche Möglichkeit für den Franchisegeber, einen solchen Kundenstamm nach Vertragsende zu nutzen, ist insb. dann eingeschränkt, wenn der Franchisenehmer am selben Standort (vgl. Kroll, ZVertriebsR 2014, 290, 293) - beispielsweise unter eigenem Kennzeichen - weiterhin ein Geschäft betreiben kann und von dieser Möglichkeit Gebrauch macht.

Rz. 19

Soweit der Franchisenehmer wie der Schuldner im Streitfall verpflichtet ist, die Geschäftsräume nach Vertragsbeendigung an den Franchisegeber oder einen Dritten herauszugeben, rechtfertigt die sich daraus für den Franchisegeber etwa ergebende tatsächliche Möglichkeit, diese Räume an einen neuen Franchisenehmer zu übergeben oder dort selbst ein entsprechendes Geschäft zu betreiben, eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB nicht. Nach der gesetzlichen Wertung kommt bei der Rückgabe eines Pachtgegenstands ein etwaiger Wertzuwachs dem Verpächter zu; für einen solchen Wertzuwachs kann der Pächter keinen Ausgleich verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.1986 - II ZR 11/86, NJW 1986, 2306, 2307; Urt. v. 12.3.2003 - VIII ZR 221/02, NJW-RR 2003, 894, 895). Durch die den Franchisenehmer etwa treffende Pflicht, die Geschäftsräume nach Vertragsbeendigung herauszugeben, wird der Schutzbereich des § 89b HGB dementsprechend nicht berührt (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.1986 - II ZR 11/86, a.a.O., S. 2307; Urt. v. 12.3.2003 - VIII ZR 221/02, a.a.O., S. 895).

Rz. 20

Die entsprechende Anwendung des § 89b HGB bei Franchiseverträgen, die ein anonymes Massengeschäft betreffen, kann auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass das Erfordernis einer Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms bei solchem Geschäft sinnlos wäre (a.M. Penners, a.a.O., S. 209). Auch wenn dies zutreffen sollte, ändert sich nichts daran, dass bei bloß faktischer Kontinuität des Kundenstamms keine hinreichende Ähnlichkeit der Interessenlage mit derjenigen des Handelsvertreters besteht.

Rz. 21

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Kläger kein Ausgleich entsprechend § 89b HGB zu. Die beendeten Franchiseverträge betreffen ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft.

III.

Rz. 22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

BGHZ 2015, 166

BB 2015, 513

BB 2015, 587

DB 2015, 7

NJW 2015, 945

NWB 2015, 646

EBE/BGH 2015, 75

EWiR 2015, 513

WM 2015, 535

ZIP 2015, 19

ZIP 2015, 583

JZ 2015, 188

MDR 2015, 406

NJ 2015, 251

NJ 2015, 6

NZI 2015, 5

VersR 2015, 889

NWB direkt 2015, 204

IHR 2015, 68

JM 2015, 278

ZVertriebsR 2015, 102

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