Leitsatz (amtlich)

1. TreuhandG § 11 Abs 1 S 2 enthält ein Wahlrecht der Treuhandanstalt, sich unter Abweichung von dem dort vorgesehenen Regelfall („vorzugsweise”) der Umwandlung in eine GmbH statt dessen für die Rechtsform der AG zu entscheiden.

2.1. Ein inhaltlich unter AktG § 114 fallender Beratungsvertrag bedarf, wenn der Dienstverpflichtete später zum Aufsichtsratsmitglied der AG bestellt wird, der nachträglichen Zustimmung des Aufsichtsrats der Gesellschaft (Ergänzung BGH, 1991-03-25; II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 133).

2.2. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so verliert der Beratungsvertrag für die Dauer des Bestehens des Aufsichtsratsmandats seine Wirkung und lebt erst nach dessen Beendigung wieder auf. Die gleiche Rechtsfolge tritt ein, wenn der Vertrag dem Aufsichtsrat nicht zur Zustimmung vorgelegt wird.

 

Tatbestand

Im Sommer 1990 vereinbarten der Beklagte, der vor seinem Eintritt in den Ruhestand Vorstandsmitglied eines anderen Unternehmens gewesen war, und die Klägerin, ein ehemaliger, am 2. August 1990 als Aktiengesellschaft im Aufbau und – nach Feststellung der Satzung durch die Hauptversammlung – am 26. Februar 1991 durch Streichung des Zusatzes „im Aufbau” als Aktiengesellschaft in das Handelsregister eingetragener volkseigener Betrieb der früheren DDR, daß der Beklagte die Klägerin bis zum Abschluß ihrer Privatisierung auf einer Reihe von Gebieten beraten sollte. Diese Beratertätigkeit sollte den Beklagten für durchschnittlich fünf Tage im Monat in Anspruch nehmen und ihm mit 2.500,– DM, nach einer später einvernehmlich getroffenen Abänderungsvereinbarung mit 1.000,– DM pro Arbeitstag zuzüglich Spesen vergütet werden. Außerdem sollte die Klägerin die Kosten für die B.er Mietwohnung des Beklagten in Höhe von zunächst 1.250,– DM monatlich übernehmen. Am 3. September 1990 wurde der Beklagte in den Aufsichtsrat der Klägerin berufen. Dieses Mandat übte der Beklagte bis zum 4. November 1991 aus, und zwar ab 19. November 1990 als Aufsichtsratsvorsitzender. Für seine in der Zeit vom 28. September 1990 bis 27. Juni 1991 geleistete Beratertätigkeit einschließlich Nebenkosten hat der Beklagte der Klägerin einen Betrag von insgesamt 119.375,20 DM und für seine Tätigkeit in dem Zeitraum vom 9. Juli 1991 bis 5. November 1991 weitere 75.800,– DM in Rechnung gestellt.

Die Klägerin, die nach ihrem Vortrag den Betrag von 119.375,20 DM zuzüglich Reisekosten in Höhe von zusammen 13.638,13 DM beglichen haben will, verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung von insgesamt 133.013,33 DM nebst Zinsen sowie die Herausgabe eines dem Beklagten überlassenen Telefongeräts mit integriertem Anrufbeantworter und Faxsendegerät und Empfangsgerät. Ferner begehrt sie die Feststellung, daß der Beklagte auch für die Zeit nach dem 27. Juni 1991 keine Ansprüche aus einem Beratervertrag mit ihr habe. Sie behauptet, ihr Aufsichtsrat habe dem Beratervertrag nicht zugestimmt.

Die Zahlungs- und Feststellungsklage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Der Antrag auf Herausgabe führte zur Verurteilung des Beklagten Zug um Zug gegen Zahlung von 74.970,– DM durch die Klägerin. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge einschließlich desjenigen auf uneingeschränkte Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat, wie vor ihm das Landgericht, die Zahlungsklage ebenso wie das Feststellungsbegehren der Klägerin mit der Begründung abgewiesen, § 114 AktG sei nicht auf Beratungsverträge anwendbar, die vor der Bestellung des Beraters zum Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft abgeschlossen worden sind. Deshalb habe der Beklagte einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung unter Einschluß des ihm zugesagten Aufwendungsersatzes. Dies gelte sowohl für die von der Klägerin bereits bezahlten Beträge als auch für die in der Zeit nach dem 27. Juni 1991 für die Klägerin erbrachten Leistungen des Beklagten, die den Gegenstand des negativen Feststellungsbegehrens bilden. Im Hinblick auf diese unstreitig bisher von der Klägerin noch nicht bezahlten Leistungen (einschließlich Aufwendungsersatz) haben die Vorinstanzen den Beklagten zur Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung einer dem Beklagten zustehenden weiteren Vergütung in Höhe von 74.970,– DM für seine in der Zeit zwischen dem 9. Juli und 5. November 1991 erbrachte Beratertätigkeit verurteilt. Dies hält, wie die Revision mit Erfolg rügt, rechtlicher Prüfung nicht stand.

II. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des mit dem Beklagten geschlossenen Beratervertrages sind die Vorschriften des Aktiengesetzes. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung des Beklagten scheitert die Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes nicht daran, daß es sich bei der Klägerin nicht um eine Aktiengesellschaft, sondern um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt. Auch wenn die Klägerin kein volkseigenes Kombinat, sondern als Stammbetrieb des Kombinats Automatisierungsanlagenbau lediglich ein Kombinatsbetrieb war, bedeutete dies nicht zwangsläufig, daß sie aufgrund der am 1. Juli 1990 kraft Gesetzes eintretenden Umwandlung unter Ausschluß der Rechtsform der AG zu einer GmbH werden mußte. Wie schon der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 2 TreuhandG, wonach die dort aufgeführten Wirtschaftseinheiten nur „vorzugsweise” in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelt werden, deutlich macht, sollte der Treuhandgesellschaft als Inhaberin der Anteile an den durch die Umwandlung entstehenden Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 4 TreuhandG) ein Wahlrecht zustehen, sich im Rahmen des gemäß §§ 19 ff. TreuhandG nachzuholenden Gründungsvorgangs für die Rechtsform der AG zu entscheiden (Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, 2. Aufl. S. 832; Lachmann, Das Treuhandgesetz, Dtz 1990, 238; a.A. Weimar, Die Kapitalgesellschaften „im Aufbau” in den neuen Bundesländern, BB 1991, Beil. 13 S. 12, 13 ≪Fn. 2≫). Zwar läßt das Treuhandgesetz offen, welche konkreten Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn ein Betrieb ausnahmsweise nicht GmbH, sondern AG werden soll. Darüber hinaus steht die Annahme eines Wahlrechts der Treuhandanstalt in einem gewissen, wenn auch nicht unüberwindbaren, im Gesetz allerdings nur unzulänglich überbrückten Widerspruch zu der gesetzlichen Umwandlungsautomatik. Die gegenteilige Auffassung, wonach alle Kombinatsbetriebe und andere Wirtschaftseinheiten der ehemaligen DDR zwangsläufig zu Gesellschaften mit beschränkter Haftung werden mußten, stünde aber nicht nur in einem unvereinbaren Widerspruch zu dem erklärten, im Gesetz eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. Sie hätte überdies zur Folge, daß sie für diejenigen (künftigen) Gesellschaften, für die nach ihrer Struktur nicht die Rechtsform der GmbH, sondern diejenige der AG in Betracht kam, eine sinnvolle und gradlinige Lösung verhindern würde, weil sie zu dem Umweg zwänge, die gerade erst (kraft Gesetzes) in eine GmbH umgewandelte Gesellschaft sogleich erneut, und zwar diesmal in die ihr schon von vornherein zugedachte Rechtsform der AG, umzuwandeln.

Danach war die Klägerin seit dem Zeitpunkt ihrer gesetzlichen Umwandlung nach dem Treuhandgesetz eine AG, wenn auch zunächst bis zur Nachholung der Gründungsmaßnahmen und zur Eintragung im Handelsregister eine solche „im Aufbau”. Für Kapitalgesellschaften „im Aufbau” gilt, soweit nicht – im vorliegenden Fall nicht einschlägige – treuhandgesetzliche Besonderheiten entgegenstehen, grundsätzlich das Recht der fertigen Kapitalgesellschaft (Spoerr, Treuhandanstalt und Treuhandunternehmen zwischen Verfassungs–, Verwaltungs- und Gesellschaftsrecht, 1993, S. 260; Priester, DB 1991, 2373; Lachmann aaO S. 238; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 8. Aufl. § 11 Rdn. 186 ff., 200 ff.; K. Schmidt, GmbHR 1992, 570, 571). Die Frage, ob dem Beklagten für seine neben seinem Aufsichtsratsmandat ausgeübte Beratertätigkeit ein Honorar zusteht, ist deshalb unmittelbar und insgesamt nach den Vorschriften des Aktiengesetzes zu beurteilen.

III. Wie der Senat in seiner Grundsatzentscheidung BGHZ 114, 127 ff. ausgesprochen hat, sind Beratungsverträge der Aktiengesellschaft mit einem Mitglied ihres Aufsichtsrats, die sich auf Tätigkeiten beziehen, welche bereits von der zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gehörenden Beratungspflicht umfaßt werden, nichtig, wenn der Vertrag während der Amtszeit geschlossen wird, und für die Dauer der Amtszeit unwirksam, wenn er vor deren Beginn abgeschlossen worden ist. Zulässig, aber in ihrer Wirksamkeit von der Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 114 AktG abhängig, sind dagegen Verträge über Dienstleistungen, die nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallen. Maßgebend für die damit erforderliche Abgrenzung ist nicht der Umfang der Beratung, sondern ihr Gegenstand. Nach § 114 AktG grundsätzlich zulässig sind damit allein Verträge über Dienste, die Fragen eines besonderen Fachgebietes betreffen, sofern sich die zu erbringenden Beratungsleistungen nicht auch dabei auf übergeordnete, in den Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit fallende allgemeine Fragen der Unternehmenspolitik beziehen.

Soll diese Abgrenzung nicht Umgehungen des § 113 AktG Tür und Tor öffnen und der Aufsichtsrat in der Lage sein, sie in verantwortlicher Weise vorzunehmen, so ist es unumgänglich, daß ein Vertrag nach § 114 AktG eindeutige Feststellungen darüber ermöglicht, ob die zu erbringende Leistung außerhalb oder innerhalb der organschaftlichen Pflichten liegt. Angesichts des Normzwecks des § 114 AktG (dazu in diesem Urteil unten unter IV.) muß sich der Aufsichtsrat überdies davon überzeugen können, daß der Vertrag keine verdeckten Sonderzuwendungen an das durch ihn begünstigte Aufsichtsratsmitglied enthält. Dazu gehört, daß die speziellen Einzelfragen, in denen das Aufsichtsratsmitglied den Vorstand beraten soll, sowie das für diese Leistungen von der Gesellschaft zu entrichtende Entgelt so konkret bezeichnet werden, daß sich der Aufsichtsrat ein eigenständiges Urteil über die Art der Leistung, ihren Umfang sowie die Höhe und Angemessenheit der Vergütung bilden kann. Verträge, die diese Anforderungen nicht erfüllen, insbesondere weil sie als Beratungsgegenstand nur generell bezeichnete Einzelfragen auf Gebieten angeben, die grundsätzlich auch zur Organtätigkeit gehören oder gehören können, sind von vornherein nicht von § 114 AktG gedeckt, sondern vielmehr nach § 113 AktG zu beurteilen (so zutreffend Mertens in FS für Steindorff, 1990, 173 ff., 175, 179 sowie Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 95 ff., 97). Im vorliegenden Fall sieht die mit dem Beklagten (zudem wohl auch nur mündlich) getroffene Vereinbarung die Beratung der Gesellschaft durch den Beklagten auf einer Vielzahl von Gebieten vor, die wenigstens teilweise – so bei der Beratung im Finanzbereich, der Beratung beim Abschluß betriebsnotwendiger Versicherungen sowie bei der Beratung und Unterstützung in allen Fragen im Zusammenhang mit der Privatisierung der Klägerin – Aufgaben betreffen, die zumindest auch im Bereich der organschaftlichen, als Bestandteil der Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats geschuldeten Beratungspflicht liegen. Jedenfalls läßt diese Art der Aufgabenbeschreibung ungeachtet der Ausführungen auf Seite 6 des Berufungsurteils nicht mit der erforderlichen Sicherheit erkennen, daß die dem Beklagten übertragenen Aufgaben aufgrund des Ausmaßes und der Intensität der angestrebten Beratung („Beratungstiefe”, vgl. Lutter/Kremer aaO S. 108) ausschließlich jenseits seiner organschaftlichen Beratungspflichten liegen sollten. Entsprechendes gilt auch zumindest für einen erheblichen Teil der übrigen von dem Beklagten übernommenen Beratungsaufgaben. Hinzu kommt, daß der von dem Beklagten vorgetragene Beratungsauftrag kein konkretes Urteil darüber ermöglicht, welche Vergütungsansprüche durch ihn auf die Gesellschaft zukommen würden (vgl. auch dazu Mertens aaO S. 175). Dies könnte dafür sprechen, daß der im vorliegenden Fall getroffenen Regelung, die es dem Beklagten ermöglichte, Beraterleistungen auf den verschiedenartigsten, nur recht allgemein bezeichneten Gebieten in einem weitgehend von ihm selbst zu bestimmenden Umfang zu erbringen und der Klägerin in Rechnung zu stellen, schon nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung BGHZ 114, 127 ff. die rechtliche Wirksamkeit abzusprechen ist. Diese Frage, deren endgültige Beantwortung nicht ohne weitere, in der Revisionsinstanz nicht nachholbare Tatsachenfeststellungen möglich ist, kann jedoch gegenwärtig dahinstehen, weil nach dem für die Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin zu unterstellenden Sachverhalt davon auszugehen ist, daß der mit dem Beklagten geschlossene Beratungsvertrag schon in Ermangelung der nach § 114 AktG erforderlichen Zustimmung des Aufsichtsrats der Klägerin während der Dauer des Aufsichtsratsmandats des Beklagten keine rechtliche Wirksamkeit entfalten konnte. Der Senat hat die Frage, ob auch vor Antritt des Aufsichtsratsmandats abgeschlossene Beratungsverträge der Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 114 AktG bedürfen, in seiner Entscheidung BGHZ 114, 127 noch offengelassen, da es auf sie angesichts der Lage des seinerzeitigen Falles nicht ankam. Sie ist jedoch im Sinne der Erforderlichkeit einer Zustimmung des Aufsichtsrats zu entscheiden.

IV. Zwar sollen nach einer früher im Schrifttum herrschenden Meinung vor der Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds abgeschlossene Beratungsverträge nicht unter § 114 AktG fallen, sondern auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrats wirksam bleiben (Geßler in Geßler/Hefermehl, AktG § 114 Rdn. 3; MünchHdb./Hoffmann-Becking, 1988, § 33 Rdn. 26; Schlaus, AG 1986, 376, 378; Meyer-Landrut in GroßKomm. z. AktG 3. Aufl. § 114 Anm. 6). Dieser Ansicht vermag der Senat nicht zu folgen.

Wie der Senat (BGHZ 114, 127, 133 f.) ausgeführt hat, enthält § 113 AktG eine zwingende und abschließende Regelung. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe Aufsichtsratsmitglieder für ihre in dieser Eigenschaft geleistete Tätigkeit eine Vergütung erhalten, soll – soweit dies nicht bereits in der Satzung geregelt ist – ausschließlich bei der Hauptversammlung liegen. Damit ist es nicht vereinbar, daß ein Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit mehr als das in der Satzung oder einem Hauptversammlungsbeschluß vorgesehene Entgelt erhält, weil es vor seiner Bestellung mit der durch den Vorstand vertretenen Gesellschaft einen Vertrag über eine Beratungstätigkeit abgeschlossen hat, die nunmehr kraft Gesetzes zu seinen Organpflichten gehört. Mit seiner Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied bleibt insofern für eine vertragliche Regelung kein Raum mehr.

Entsprechend diesen Grundsätzen muß ein vor Übernahme des Aufsichtsratsmandats geschlossener Beratungsvertrag auch der in § 114 AktG gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Kontrolle in Gestalt der Offenlegung gegenüber dem Aufsichtsrat und dessen Zustimmung unterliegen. Ein Rechtsverständnis, das vor Beginn des Aufsichtsratsmandats geschlossene Beratungsverträge nur der Anwendung des § 113 AktG, nicht aber auch derjenigen des § 114 AktG unterwürfe, bliebe auf halbem Wege stehen und liefe Gefahr, den Normzweck der §§ 113, 114 AktG zu verfehlen. Der Regelungszweck des § 114 AktG kann nur in engem Zusammenhang mit demjenigen des § 113 AktG gesehen und als dessen Ergänzung und Absicherung verstanden werden. Zum einen erschwert er Umgehungen des § 113 AktG (vgl. Mertens aaO S. 175; Lutter/Kremer aaO S. 93), indem er es dem Aufsichtsrat ermöglicht, den vom Vorstand geschlossenen Beratungsvertrag präventiv darauf zu überprüfen, ob er tatsächlich in Übereinstimmung mit dem gesetzlichen Gebot des § 113 AktG nur Dienstleistungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit zum Gegenstand hat. Der dadurch bewirkte Zwang, den Beratungsvertrag offenzulegen und dem Aufsichtsrat zur Zustimmung zu unterbreiten, eröffnet diesem zugleich die Möglichkeit, sachlich ungerechtfertigte Sonderleistungen der AG an einzelne Aufsichtsratsmitglieder – etwa in Form überhöhter Vergütungen – und damit eine denkbare unsachliche, der Erfüllung seiner Kontrollaufgabe abträgliche Beeinflussung des Aufsichtsrats durch den Vorstand zu verhindern (Meyer-Landrut aaO § 114 Einleitung; KK/Mertens, AktG § 114 Rdn. 2; Hoffmann/Becking aaO § 33 Rdn. 24; Lutter/Kremer aaO S. 93; ähnl. Hüffer, AktG § 114 Rdn. 1). Darüber hinaus führen besondere Beraterbeziehungen zwischen dem Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern auch außerhalb der Gewährung rechtswidriger Sondervorteile zu engen Beziehungen und Verflechtungen zwischen den an ihnen beteiligten Personen, die Einfluß auf die Ausübung der Überwachungstätigkeit haben können. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es geboten, daß das Bestehen derartiger Verträge gegenüber dem Aufsichtsrat offengelegt und ihre Wirksamkeit von seiner Zustimmung abhängig gemacht wird (Geßler in Geßler/Hefermehl aaO § 114 Rdn. 1).

Diese Normzwecke des § 114 AktG werden durch schon vor Antritt des Aufsichtsratsmandats abgeschlossene Beratungsverträge eines Aufsichtsratsmitglieds mit dem Vorstand ebenso berührt wie durch erst später abgeschlossene Verträge. Es ist deshalb erforderlich, daß bei Eintritt eines Beraters in den Aufsichtsrat bereits bestehende Beratungsverträge ebenso gegenüber dem Aufsichtsrat offengelegt und seiner Zustimmung unterworfen werden wie erst danach abgeschlossene, und zwar ohne Rücksicht auf die – ohnehin nur schwer abzugrenzende und zu gewichtende – Nähe ihres Abschlusses zu dem Eintritt des Beraters in den Aufsichtsrat der Gesellschaft. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so verliert der Beratungsvertrag für die Dauer des Bestehens des Aufsichtsratsmandats seine Wirkung und lebt erst nach dessen Beendigung wieder auf. Die gleiche Rechtsfolge tritt ein, wenn der Vertrag dem Aufsichtsrat nicht zur Zustimmung vorgelegt wird (wie hier Mertens aaO S. 182 f.; Lutter/Kremer aaO S. 98 f.; Hüffer aaO § 114 Rdn. 2). Die von einem Teil des auf dem gegenteiligen Standpunkt stehenden Schrifttums vertretene Ansicht (vgl. Schlaus aaO S. 378; Meyer-Landrut aaO § 114 Anm. 6), die zwar einerseits die Anwendbarkeit des § 114 AktG auf Altverträge leugnet, andererseits aber den Vorstand mit Rücksicht auf den in § 114 AktG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken verpflichten will, den Beratungsvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, ist schon in sich nicht frei von Widersprüchen (so zutreffend Lutter/Kremer aaO S. 99): Wenn die Beziehungen eines Aufsichtsratsmitglieds zur Gesellschaft im Augenblick seines Eintritts in den Aufsichtsrat den für Aufsichtsratsmitglieder geltenden zwingenden rechtlichen Regeln unterworfen werden, wie der Senat in seiner Entscheidung BGHZ 114, 127, 133 angenommen hat, so entspricht es jedenfalls innerer Folgerichtigkeit, die sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht nur für § 113 AktG, sondern auch für § 114 AktG zu ziehen, und zwar in Form des Eintritts der damit verbundenen Rechtswirkungen im Zeitpunkt des Eintritts des Beraters in den Aufsichtsrat und nicht in Form einer im Gesetz nicht vorgesehenen Kündigungspflicht. Überdies kann die bloße Verpflichtung des Vorstandes zur nächstmöglichen Kündigung des damit vorerst fortbestehenden Beratungsvertrags die Erreichung der Normziele der §§ 113, 114 AktG nicht in gleicher Weise gewährleisten wie das Ruhen der Rechte und Pflichten beider Parteien aus dem Beratungsverhältnis während der Amtszeit bei fehlender Zustimmung des Aufsichtsrats.

V. Die danach aufgrund des für die Revisionsinstanz zu unterstellenden Sachverhalts grundsätzlich begründeten Rückzahlungsansprüche der Klägerin (§ 114 Abs. 2 Satz 1 AktG) entfallen ebenso wie das Recht der Klägerin, die Erfüllung der bereits in Rechnung gestellten Forderungen des Beklagten aus dem Beratungsvertrag für die Zeit nach dem 27. Juni 1991 abzulehnen, das den Gegenstand des Feststellungsbegehrens der Klägerin bildet, auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Zwar brauchte der Beklagte nach dem damaligen Stand von Rechtsprechung und Schrifttum bei Antritt seines Amtes am 3. September 1990 noch nicht unbedingt davon auszugehen, daß der Fortbestand seines Beratungsvertrages von der Zustimmung der Gesellschaft abhänge. Wie der Senat aber gleichfalls bereits in seiner Entscheidung BGHZ 114, 127, 137 ausgesprochen hat, muß zu dem berechtigten Vertrauen auf den Bestand der seinerzeitigen Rechtslage hinzukommen, daß es das Aufsichtsratsmitglied wirtschaftlich ungleich schwerer als die Aktiengesellschaft treffen würde, wenn diese sich auf die Unwirksamkeit des Beratungsvertrags berufen könnte. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall, wie keiner näheren Begründung bedarf, nach Lage der Dinge nicht erfüllt.

VI. Nach § 114 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AktG ist die dem Aufsichtsratsmitglied aufgrund eines Dienstleistungsvertrags, dem der Aufsichtsrat nicht zugestimmt hat, gezahlte Vergütung ohne weiteres zurückzugewähren, ohne daß das Aufsichtsratsmitglied gegen diesen Anspruch mit – grundsätzlich möglich bleibenden – Gegenansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen seiner bereits geleisteten Tätigkeit aufrechnen kann. Der gesetzliche Rückgewähranspruch einschließlich des Aufrechnungsverbotes schließt auch in der gezahlten Vergütung enthaltene Kosten- und Auslagenanteile mit ein. Über ihre Berechtigung und Höhe ist nach dem Sinn der in § 114 Abs. 2 AktG getroffenen Regelung nicht anders als über etwaige Bereicherungsansprüche des Aufsichtsratsmitglieds in einem gesonderten Rechtsstreit zu befinden. Das Aufrechnungsverbot steht wegen der ähnlichen Wirkung beider Rechtsbehelfe auch der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wegen derartiger Gegenansprüche entgegen (vgl. dazu auch Geßler in Geßler/Hefermehl aaO § 114 Rdn. 21). Entsprechendes muß im Hinblick auf den Vorrang, den der Gesetzgeber mit der in §§ 113, 114 AktG getroffenen Regelung der umgehenden Rückgängigmachung der mit einem unwirksamen Dienstvertrag eines Aufsichtsratsmitglieds für die Gesellschaft verbundenen Nachteile zugebilligt hat, auch für die Rückgewähr von betrieblichen Mitteln der AG gelten, die dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden sind. Aus diesem Grunde kann der Beklagte wegen der ihm aus seiner Beratertätigkeit angeblich gegen die Klägerin zustehenden Ansprüche auch kein Zurückbehaltungsrecht an dem ihm überlassenen Telekommunikationsgerät der Klägerin geltend machen.

VII. Der Rechtsstreit ist jedoch noch nicht zur Entscheidung reif, weil das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – zu wesentlichen Punkten, auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits ausschlaggebend ankommt, keine Feststellungen getroffen hat. Dies gilt insbesondere für die bisher offenen Fragen, ob der mit dem Beklagten geschlossene Beratungsvertrag einer Zustimmung durch den Aufsichtsrat der Klägerin zugänglich war (oben unter III.), ob eine solche Zustimmung erteilt worden ist und in welcher Höhe die Klägerin bisher Zahlungen an den Beklagten geleistet hat. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das damit Gelegenheit erhält, die fehlenden Feststellungen nachzuholen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 648046

BGHZ, 340

NJW 1994, 2484

ZIP 1994, 1216

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