Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält nach erneuter Prüfung der Rechtsfrage daran fest, daß ein sogenannter Ausschließlichkeitsvertrag zwischen einem Schauspieler und einer Gesellschaft, durch den die Gesellschaft ein Unternehmerrisiko übernimmt, auch steuerrechtlich anzuerkennen ist (BFH-Urteil I 216/64 vom 29. November 1966, BFH 88, 370, BStBl III 1967, 392).

 

Normenkette

EStG §§ 49-50

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft mit Sitz im Inland, stellte einen Film her, an dem als Darsteller die Schauspieler P. und T. mitwirkten. Diese wohnten in der Schweiz und hatten in der BRD weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Ihre Mitwirkung an dem Film beruhte auf einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und der C-AG mit Sitz in der Schweiz, nach der sich die C-AG als Coproduzentin an dem Film beteiligte und der Klägerin die Dienste der Schauspieler P. und T. samt allen dazu erforderlichen Urheber- und Leistungsschutzrechten zur Verfügung stellte. Zwischen der C-AG und den Schauspielern P. und T. bestanden Verträge, die als "Dienstverträge" bezeichnet waren und nach denen die beiden Schauspieler bei der C-AG angestellt waren, mit der Verpflichtung, ihre Dienste ausschließlich der C-AG zur Verfügung zu stellen. Diese war befugt, über die Dienste frei zu verfügen und die Leistungen des "Dienstnehmers" jederzeit oder zeitweise während der Vertragsdauer irgendeiner anderen Filmgesellschaft auszuleihen oder einem anderen Produzenten zur Verfügung zu stellen. Das "Salär", das im Krankheitsfall für 1-3 Monate fortzuzahlen war, betrug für P. 10 000 SFr und für T. 2500 SFr monatlich. Dazu waren eine angemessene Altersversorgung gemäß besonderem Pensionsvertrag, Aufwandsentschädigung, Stellung der Filmgarderobe und Unfallversicherung vereinbart. Dem "Dienstnehmer" standen jährlich 50 Arbeitstage als Urlaub zu. Der "Dienstnehmer" hatte ferner das Recht, während 90 zusammenhängender Tage unbezahlten Urlaub zu nehmen, um auf eigene Rechnung und im eigenen Namen als Theaterschauspieler an einer Bühne tätig zu sein.

Die Klägerin zahlte an die C-AG vereinbarungsgemäß 65 000 DM, ferner 5 476 DM Reisekosten und Diäten für P. und T. Außerdem erhielt die C-AG aufgrund des Vertrages mit der Klägerin einen Anteil an dem Einspielergebnis in Höhe von 90 909 SFr = 83 519 DM.

Der Revisionskläger (das FA) nahm an, daß Arbeitsverhältnisse zwischen P. und T. und der Klägerin und keine Arbeitsverhältnisse zwischen P. und T. und der C-AG bestanden hätten und daß daher die Einnahmen der C-AG von zusammen 155 995 DM als Vergütungen anzusehen seien, die die Klägerin an P. und T. gezahlt habe. Das FA erließ daher nach § 50a EStG einen Haftungsbescheid über 23 099 DM (= 15 v. H. aus 153 995 DM) gegen die Klägerin. Im Einspruchsverfahren setzte das FA den geschuldeten Betrag auf 19 319 DM herab.

Auf die Klage hin hat das FG den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben. Das FG hat diese Entscheidung, die in den EFG 1969, 544 veröffentlicht ist, damit begründet, daß die Klägerin nicht Schuldnerin von Vergütungen gewesen sei, die bei den Schauspielern P. und T. zu steuerpflichtigen Einkünften aus der Ausübung oder Verwertung ihrer Tätigkeit als Künstler geführt hätten. Empfängerin der Zahlungen sei vielmehr die C-AG gewesen. Zwischen dieser und den Schauspielern P. und T. hätten voll wirksame Dienstverträge bestanden.

Ein Scheingeschäft oder Rechtsmißbrauch (§§ 5, 6 StAnpG) liege nicht vor. Die C-AG habe, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, außer P. und T. noch andere bekannte Schauspieler unter Ausschließlichkeitsvertrag. Sie habe seit der Aufnahme ihrer Tätigkeit einen eigenen Film hergestellt und sich an mehreren Coproduktionen beteiligt. Sie kaufe fremde Filme ein, bearbeite und verwerte sie.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA.

Das FA rügt Verletzung der §§ 1 Abs. 2 und 3 StAnpG, § 1 Abs. 2 und 3 LStDV, § 50a Abs. 4 und 5 EStG. Die Annahme von Arbeitsverhältnissen zwischen P. und T. einerseits und der C-AG andererseits verstoße gegen den Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Sie hafte an dem äußeren Erscheinungsbild der gewählten rechtlichen Gestaltung, ohne den wirtschaftlichen Gehalt der Vorgänge zu prüfen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der BMWF (in seiner Eigenschaft als BdF) ist dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 FGO beigetreten. Er schließt sich den Ausführungen des FA über den Vorrang der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vor der formalen Gestaltung der Rechtsbeziehungen an und nimmt ebenfalls ein Dienstverhältnis zwischen P. und T. auf der einen Seite und der Klägerin auf der anderen Seite an. Abgesehen davon sei zu beachten, daß der Steuerabzug nach § 50a Abs. 4a EStG nicht auf eine bestimmte Einkunftsart festgelegt sei.

Der BMWF schließt sich dem Antrag des FA an.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet. Der Betrag von 153 995 DM, der der C-AG für die Mitwirkung der Schauspieler P. und T. an dem Film zugeflossen ist, unterliegt nicht dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG, da die Klägerin diesen Betrag nicht dem Schauspieler P. und T., sondern der C-AG schuldete. Der Senat hat bei dieser rechtlichen Beurteilung von dem Sachverhalt auszugehen, den das FG festgestellt hat, da in bezug auf diese Feststellung keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO).

In einem Fall, der dem Streitfall in allen rechtserheblichen Umständen gleicht, hat der Senat entschieden, daß ein Filmschauspieler, der unter Vereinbarung von festem Gehalt und Ruhegeld seine Dienste ausschließlich einer Gesellschaft zur Verfügung stellt, die befugt ist, ihr Recht auf die Dienstleistung einem anderen Filmhersteller zu überlassen und von dieser Befugnis gegen ein von diesem anderen Filmhersteller zu leistendes Entgelt Gebrauch macht, Arbeitnehmer der Gesellschaft bleibt (Urteil des BFH I 216/64 vom 29. November 1966, BFH 88, 370, BStBl III 1967, 392).

Das FG hat dieses Urteil seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Ausführungen des FA und des BMWF geben dem Senat keinen Anlaß, von dem Urteil I 216/64 (a. a. O.) abzuweichen.

Soweit sich das FA und der BMWF auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise berufen, nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, auf seine Ausführungen im Urteil I 216/64 (a. a. O.) Bezug. Dort ist bereits hervorgehoben, die wirtschaftliche Betrachtungsweise gebiete, den wirtschaftlichen Inhalt des Vertrags zu erfassen, sie gestatte aber nicht, ernsthaft getroffene bürgerlich-rechtliche Vereinbarungen beiseite zu schieben. Ferner ist dargelegt worden, daß im damaligen Fall der wirtschaftliche Gehalt und die Durchführung der Verträge der bürgerlich-rechtlichen Form entsprochen hätten. Das gleiche gilt im Streitfall. Das Interesse daran, im Filmgeschäft gleichbleibende Einnahmen zu erzielen und das Risiko ihres Einsatzes auf eine Gesellschaft abzuwälzen, kann auch Filmschauspieler vom Range der P. und des T. veranlassen, in einem Ausschließlichkeitsvertrag der vorliegenden Art gewisse Bindungen einzugehen. So richtig es ist, daß ein Arbeitnehmer im allgemeinen fremdbestimmte Arbeit leistet, so darf nicht verkannt werden, daß je nach der Art der Tätigkeit der Grad der Fremdbestimmtheit verschieden sein kann (BFH-Urteil VI 172/58 U vom 11. März 1960, BFH 70, 575, BStBl III 1960, 214). Dabei ist zu beachten, daß der steuerrechtliche Begriff des Arbeitnehmers in diesem Punkt weiter reichen kann als der arbeitsrechtliche. So werden Zweifel geäußert, ob Vorstandsmitglieder einer AG und Geschäftsführer einer GmbH Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne sind (Hueck-Nipperdey, Grundriß des Arbeitsrechts, 5. Aufl., S. 39; vgl. auch Wilhelmi, BB 1968, 137). Steuerrechtlich sind sie dagegen Arbeitnehmer und erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG, § 1 Abs. 2 LStDV; BFH-Urteil VI 172/58 U, a. a. O.), obwohl ihre Tätigkeit kaum als "fremdbestimmt" anzusehen sein dürfte. Ebenso kann das Maß der Fremdbestimmtheit bei der Dienstleistung eines Schauspielers von Rang aufgrund eines Ausschließlichkeitsvertrags mit einer Gesellschaft gering sein, ohne daß das ein Hindernis wäre, den Schauspieler steuerrechtlich als Arbeitnehmer zu beurteilen. Daher schadet es auch im Streitfall nicht, daß die Schauspieler P. und T. bei der Übernahme der Rollen und bei der Regelung der Vergütung ein Wort mitzureden hatten, selbst wenn es sich dabei nicht nur, wie das FG angenommen hat, um eine zurückhaltende Ausübung des Weisungsrechts, sondern um eine aus dem Wesen des Vertrags und aus der Stellung der Vertragsteile sich ergebende Beschränkung des Weisungsrechts selbst handelte. Soweit das FA jeden Rest eines Weisungsrechts der C-AG leugnet und die Vereinbarung über das Weisungsrecht als Scheingeschäft ansieht, steht seine Auffassung im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den Senat binden (§ 118 Abs. 2 FGO), und auch im Widerspruch zur Interessenlage. Da die C-AG den Schauspielern P. und T. das Risiko ihres Einsatzes als Filmschauspieler weitgehend abnahm, erscheint es ausgeschlossen, daß sie die Entscheidung über die Annahme und Ausschlagung von Rollen ganz aus der Hand gegeben habe.

Aus der Eigenart der Dienstleistung der Schauspieler P. und T. folgt auch, daß die vom FA vermißte zeitliche Bindung an den Betrieb der C-AG für die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis vorlag, keine entscheidende Rolle spielen kann.

Da die Zahlungen der C-AG an die Schauspieler P. und T. bestimmt, ihre Einnahmen aus dem Einsatz dieser Schauspieler dagegen unbestimmt waren, trug die C-AG das Unternehmerrisiko. Sie konnte, wie bereits im BFH-Urteil I 216/64 (a. a. O.) ausgeführt, mit Gewinn oder Verlust abschließen. Dadurch unterscheidet sich der Streitfall von dem Fall des BFH-Urteils VI R 303/66 vom 10. April 1970 (BFH 99, 462, BStBl II 1970, 716), der dadurch gekennzeichnet war, daß die Gesellschaft an den Filmschauspieler in keinem Fall höhere Beträge zu zahlen hatte, als sie für dessen Tätigkeit von den Filmherstellern eingenommen hatte. Der VI. Senat hat daher in diesem Urteil ein Arbeitsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Filmschauspieler verneint, in der Begründung aber auf den Unterschied zum Fall des BFH-Urteils I 216/64 hingewiesen.

Die arbeitsrechtliche Betrachtung des FA zum sogenannten Leiharbeitsverhältnis führt zu keiner anderen Beurteilung. Wollte man im Streitfall von einem Leiharbeitsverhältnis ausgehen, so hat - entsprechend den getroffenen Vereinbarungen - die C-AG als Verleiherin weiterhin den Arbeitslohn an die Schauspieler P. und T. bezahlt und von der Klägerin eine Vergütung für das Ausleihen der Schauspieler erhalten. An diese Gestaltung, die aufgrund der Vertragsfreiheit auch arbeitsrechtlich möglich ist (Hueck-Nipperdey, Grundriß des Arbeitsrechts, 5. Aufl., 116; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl. Bd. I, 523 f.), ist das Steuerrecht gebunden. Sie folgt auch dem Grundsatz, daß die vertraglich festgelegten Leistungspflichten des Verleihers durch das Leiharbeitsverhältnis nicht berührt werden (Urteil des BAG 5 AZR 29/71 vom 8. Juli 1971, Wertpapier-Mitteilungen 1972 S. 116). Ob im Streitfall ein sogenanntes "unechtes" Leiharbeitsverhältnis vorlag, das dadurch gekennzeichnet ist, daß ein Unternehmen gewerbsmäßig Arbeitnehmer lediglich zum Zweck des Ausleihens einstellt (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., 526) und ob darin ein Verstoß gegen § 37 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung liegt (vgl. Urteil des BVerfG 1 BvR 84/65 vom 4. April 1967, BB 1967, 640; Sturn BB 1969, 1436), kann auf sich beruhen. Denn dadurch würde sich an der tatsächlichen Durchführung der Verträge, die auch bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot maßgebend wäre (§ 5 Abs. 2 StAnpG), nichts ändern.

Der Senat kann schließlich nicht der Ansicht des BdF folgen, die Schauspieler P. und T. seien, wenn nicht als Arbeitnehmer, so doch in Ausübung eines freien Berufes für die Klägerin tätig gewesen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 3, § 50a Abs. 4a EStG). Denn die Mitwirkung der beiden Schauspieler an dem Film beruhte nach den tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht auf einem Vertrag zwischen ihnen und der Klägerin, sondern auf einem Vertrag zwischen der Klägerin und der C-AG. Gläubiger der Vergütungen, die nach Auffassung des FA dem Steuerabzug unterliegen, waren danach nicht die Schauspieler, Gläubigerin war vielmehr die C-AG.

Bei dieser stellen die Vergütungen keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern gewerbliche Einkünfte dar (BFH-Urteil I 215/64 vom 30. November 1966, BFH 88, 378, BStBl III 1967, 400). Sie unterliegen nicht dem Steuerabzug nach § 50a EStG.

Das FG konnte ungeprüft lassen, ob zwischen der C-AG und der Klägerin eine Coproduktion begründet wurde. Denn die streitigen Vergütungen, die die C-AG erhalten hat, stellen, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, auch bei Annahme einer Coproduktion keine steuerabzugspflichtigen Einkünfte dar.

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 697

BFHE 1972, 75

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