Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen, unter denen die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandvermögen einer Personengesellschaft in das Privatvermögen eines Gesellschafters als Entnahme zu beurteilen ist.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2, § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, in welcher Höhe die Rückübertragung von Grundstücken, die eine OHG von einem Gesellschafter geschenkt erhalten hatte, zu einem Entnahmegewinn führt.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine OHG, betreibt ein K-Werk. Gesellschafter der Klägerin waren im Streitjahr 1965 ebenso wie in den vorangegangenen Jahren 1962 bis 1964. M senior und dessen Kinder M junior, der Beigeladene zu 1, und Frau H die Beigeladene zu 2, mit einer Gewinn- und Vermögensbeteiligung von je 1/3.

M senior ist verstorben; er wurde von seinen beiden Kindern M junior und Frau H beerbt.

M senior hatte 1960 unbebaute Grundstücke in einer Gesamtgröße von 26 266 qm zu einem Preise von 0,30 DM je qm erworben.

Mit notariell beurkundeten Verträgen vom 14. November 1962 übertrug M senior diese Grundstücke schenkweise auf die Klägerin. Die Klägerin wurde als Eigentümerin der Grundstücke in das Grundbuch eingetragen. In den Verträgen heißt es, zur Umschreibung des Eigentums bedürfe es einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -). Es werde Steuerbefreiung beantragt, in zweien der Verträge mit der Begründung, "da auf den übertragenen Grundstücken Häuser im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gebaut werden sollen" (15 Häuser mit insgesamt 70 Geschoßwohnungen und 25 Reihenhäuser), in den anderen Urkunden, um sie "der Gemeinde B unentgeltlich zu übertragen". Anlaß der Schenkung war, daß die Klägerin aufgrund einer Bewerbung von der Oberfinanzdirektion (OFD) den Auftrag erhalten hatte, 95 Wohnungseinheiten in B zu errichten. In der Folgezeit erwies sich die OFD jedoch in den Jahren 1962, 1963 und 1964 außerstande, die für die Bebauung erforderlichen Darlehen zu gewähren. Die Klägerin verfügte deshalb über die für die Bebauung vorgesehenen Eigenmittel anderweitig und wurde auf ihren Antrag hin im März 1965 von dem Auftrag der OFD entbunden.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28. April 1965 übertrug die Klägerin die ihr 1962 geschenkten Grundstücke unentgeltlich an M senior zurück. In dem Vertrag heißt es, zwischen den Vertragsparteien (Klägerin und M senior) bestehe Einigkeit darüber, "daß bei der Schenkung im Jahre 1962 Einigkeit darüber bestand, daß bei Nichtzustandekommen der Baumaßnahme - 95 Wohnungseinheiten - die Schenkung des Geländes rückgängig gemacht werden solle". Ein Entgelt werde nicht gewährt, weil es sich um eine unentgeltliche Rückgabeverpflichtung handele.

Mit notariell beurkundetem Vertrag ebenfalls vom 28. April 1965 verkaufte M senior die ihm übertragenen Grundstücke zum Preise von 118 197 DM (4,50 DM pro qm) an seinen Sohn M junior, der versicherte, daß er sie im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus bebauen werde.

In ihren Bilanzen für 1962 bis 1964 hatte die Klägerin unter der Position Grund und Boden lediglich die für die schenkweise erworbenen Grundstücke angefallenen Gebühren und Vermessungskosten in Höhe von 3 870 DM aktiviert.

Das FA vertrat im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Auffassung, die Schenkung im Jahre 1962 sei eine Einlage des Gesellschafters M senior bei der Klägerin gewesen. Demgemäß seien die Grundstücke in den Bilanzen der Klägerin 1962 bis 1964 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG mit den Anschaffungskosten des M senior für die Grundstücke von 7 879,80 DM zuzüglich der von der Klägerin aufgewandten Gebühren und Vermessungskosten von 3 870 DM (zusammen rund 11 750 DM) zu aktivieren gewesen. Mit der Rückübertragung in 1965 habe der Gesellschafter M senior die Grundstücke wieder entnommen. Diese Entnahme sei mit dem Teilwert anzusetzen. Dieser entspreche dem erzielten Veräußerungspreis von 118 197 DM. Hieraus ergebe sich ein Entnahmegewinn von 106 447 DM, der dem Gesellschafter M senior zuzurechnen sei. Auf dieser Grundlage erließ das FA einen Gewinnfeststellungsbescheid für 1965.

Mit der Sprungklage trug die Klägerin insbesondere vor, die der Klägerin geschenkten Grundstücke seien 1965 unentgeltlich zurückgegeben worden, weil der mit der Schenkung erstrebte Erfolg, nämlich die Bebauung durch die Gesellschaft, hinfällig geworden sei. Der auf M junior und Frau H entfallende Anteil am Grundstück von je 1/3 wäre bereits bei der Einlage mit 4,50 DM je qm anzusetzen gewesen, weil die Übertragung der Grundstücke auf die Klägerin als private Schenkung des M senior an seine beiden Kinder zu je 1/3 anzusehen gewesen sei; ein Entnahmegewinn sei also allenfalls hinsichtlich des auf M senior entfallenden Grundstücksanteils von 1/3 entstanden. Die Klägerin beantragte, den einheitlich festgestellten Gewinn und den Gewinnanteil des M senior je um 70 965 DM (= 2/3 von 106 447 DM) niedriger festzustellen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, daß die im Jahre 1962 zum Teilwert von 11 750 DM eingelegten Grundstücke im Jahre 1965 zum Teilwert von 118 197 DM entnommen worden seien und demgemäß ein Entnahmegewinn von 106 447 DM entstanden sei, der allein dem Gesellschafter M senior zuzurechnen sei.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil und den Gewinnfeststellungsbescheid 1965 dahin zu ändern, daß der einheitlich festgestellte Gewinn und der Gewinnanteil des M senior um je 70 965 DM niedriger festgestellt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG, da die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG für eine abschließende rechtliche Beurteilung der Frage nicht ausreichen, ob die Übertragung der Grundstücke im Streitjahr auf M senior als Entnahme zu werten ist.

1. Gemäß §§ 5 und 4 Abs. 1 EStG 1965 (EStG) ist der Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisenden Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahrs und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs, "vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen".

Entnahmen sind Wertabgaben aus dem Betriebsvermögen, die außerbetrieblich veranlaßt sind; Einlagen sind Wertzuführungen zum Betriebsvermögen, die außerbetrieblich veranlaßt sind (vgl. § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG).

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind Entnahmen mit dem Teilwert im Zeitpunkt der Wertabgabe aus dem Betriebsvermögen anzusetzen. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG sind Einlagen mit dem Teilwert (im Zeitpunkt der Wertzuführung zum Betriebsvermögen), höchstens jedoch mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn das Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre vor der Übertragung in das Betriebsvermögen angeschafft oder hergestellt worden ist.

2. Die zu 1 erwähnten Rechtsvorschriften gelten grundsätzlich auch für die Ermittlung des Gewinns einer Personengesellschaft i. S. des § 15 Nr. 2 EStG und der Gewinnanteile der Gesellschafter einer solchen Personengesellschaft. Danach können bei der Gewinnermittlung der Personengesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Privatvermögen eines Gesellschafters in das Gesamthandvermögen der Personengesellschaft als Einlage und die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandvermögen in das Privatvermögen eines Gesellschafters als Entnahme zu werten sein.

Die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandvermögen der Personengesellschaft in das Privatvermögen eines Gesellschafters ist jedenfalls dann als Entnahme zu werten, wenn die Personengesellschaft für die Übertragung kein angemessenes Entgelt erhält und für eine Übertragung ohne angemessenes Entgelt keine betriebliche Veranlassung besteht, so daß sich die Übertragung nur aus dem Gesellschaftsverhältnis erklärt, die Personengesellschaft also einer Person, die nicht in gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zu ihr steht, keine gleichartige Zuwendung gemacht hätte.

Hingegen ist die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandvermögen der Personengesellschaft in das Privatvermögen eines Gesellschafters dann nicht als Entnahme zu werten, wenn die Personengesellschaft mit der Übertragung eine rechtliche Verpflichtung erfüllt, die sie entweder bereits beim Erwerb des Wirtschaftsguts vertraglich z. B. in bedingter Form übernahm oder die ihr später z. B. aus den §§ 525, 527 BGB (Schenkung unter Auflage) oder aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB (Zweckschenkung) oder aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage i. V. m. §§ 812 ff. BGB erwuchs und die damit im ursächlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts steht. Denn in diesem Fall ist die Übertragung betrieblich veranlaßt; sie hat ihre Ursache nicht in gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern, sondern in einem besonderen schuldrechtlichen Rechtsverhältnis, das im ursächlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts steht, so daß der Erwerb des Wirtschaftsguts von Anfang an als mit dieser Rückgabeverpflichtung wirtschaftlich belastet erscheint.

3. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hätte das FG auch prüfen müssen, ob die Klägerin eventuell die Grundstükke in Erfüllung einer zivilrechtlichen Verpflichtung auf M senior übertragen hat.

Ausweislich der notariellen Urkunden vom 14. November 1962 sind die Schenkungen zwar nicht ausdrücklich an die Auflage geknüpft, daß die Klägerin auf den Grundstücken innerhalb einer bestimmten Frist mit Hilfe öffentlicher Darlehen Häuser errichtet. Aus zweien der Urkunden ist jedoch ersichtlich (vgl. § 4), daß die Parteien des Schenkungsvertrags übereinstimmend davon ausgegangen sind, die Klägerin werde auf den schenkweise übertragenen Grundstücken, soweit sie nicht für Gemeinbedarfsflächen benötigt werden, "Häuser im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus" errichten. Dies läßt es mindestens theoretisch als möglich erscheinen, daß eine Bebauung der Grundstücke durch die Klägerin mit Hilfe öffentlicher Darlehen nicht nur das für die Klägerin erkennbare Motiv des Schenkers für die Zuwendung, sondern die Zweckbestimmung der Schenkung war, die nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien wesentlicher Teil ihrer Abmachungen war und die nur deshalb nicht ausdrücklich im Vertrag als Zweckbestimmung erwähnt ist, weil für die Vertragsparteien nach damaligem Erkenntnisstand die Zweckerfüllung nicht ernstlich zweifelhaft sein konnte (vgl. auch Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 36. Aufl., § 812 Anm. 6 A d).

Geht man mit den tatsächlichen Feststellungen der Vorentscheidung davon aus, daß die OFD in den Jahren 1962 bis 1964 außerstande war, die für die Bebauung erforderlichen Darlehen zu gewähren, und unterstellt man, daß die Parteien der Schenkungsverträge von einer alsbaldigen Bebauung der Grundstücke durch die Klägerin als Zweck der Schenkung ausgegangen sind - was zu prüfen sein wird -, so ist gegenwärtig nicht ganz auszuschließen, daß M senior im Streitjahr gegen die Klägerin einen Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB hatte. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG allerdings zu berücksichtigen haben, daß es zu Lasten der Klägerin gehen muß, wenn die für die Begründung eines Rückforderungsanspruchs erforderlichen Tatsachen nicht festgestellt werden können und daß an den Nachweis z. B. eines übereinstimmenden Vertragswillens der Klägerin und des M senior, Zweck der Schenkung sei eine alsbaldige Bebauung mit öffentlichen Mitteln, im Hinblick auf die engen persönlichen Beziehungen zwischen den Vertragsparteien strenge Anforderungen zu stellen sind.

Sollte das FG danach zu der Erkenntnis kommen, daß die Klägerin im Streitjahr zu einer Rückgabe der Grundstücke verpflichtet war, so wird zu berücksichtigen sein, daß der Rückgabeverpflichtung der Klägerin ein Anspruch der Klägerin gegen M senior auf Ersatz der von ihr verauslagten Gebühren und Vermessungskosten gegenüberstehen dürfte, diese Gebühren und Kosten also den Gewinn der Klägerin nicht mindern können.

4. Sollte das FG hingegen bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung zu der Erkenntnis kommen, daß die Klägerin im Streitjahr nicht verpflichtet war, die Grundstücke an M. senior zurückzuübertragen, so müßte die Klage abgewiesen werden.

a) Dabei wäre es unerheblich, ob die Übertragung der Grundstücke als Einlage nur des M senior oder als Einlage des M senior zu einem Drittel und - nach vorangegangener Schenkung des M senior an die beiden Beigeladenen - als Einlage der Beigeladenen zu je einem Drittel zu werten ist. Auch wenn man von der zweiten Alternative ausgeht, durfte die Klägerin die Grundstücke insgesamt mit keinem höheren Wert als den Anschaffungskosten des M senior ansetzen. Denn bei Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG sind dem unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolger die Anschaffungskosten seines Rechtsvorgängers jedenfalls dann zuzurechnen, wenn der unentgeltliche Erwerb und die Einlage zeitlich zusammenfallen, da bei dieser Gestaltung aus der Sicht der Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter zwischen der unmittelbaren Einlage nur durch einen Gesellschafter und der gemeinsamen Einlage durch den Schenker und durch die durch die Schenkung bedachten Gesellschafter kein für die steuerrechtliche Wertung wesentlicher Unterschied besteht (siehe auch Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 17. Aufl., EStG § 6 Anm. 119 c S. E 405; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., § 6 Rdnr. 509 a und 509 d). Die Rückübertragung würde demnach, wenn sie als Entnahme zu werten sein sollte, zu einer Gewinnrealisierung in Höhe der Differenz zwischen dem Teilwert der Grundstücke und ihren ursprünglichen Anschaffungskosten führen.

b) Dieser Entnahmegewinn wäre entgegen der Ansicht der Revision allein dem Gesellschafter M senior zuzurechnen, weil sich alle Gesellschafter darin einig waren, daß die Grundstücke unmittelbar in das Privatvermögen des M senior übertragen werden sollten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. November 1960 I 117/60 S, BFHE 72, 500, BStBl III 1961, 183) und weil weder dargetan noch ersichtlich ist, daß die Gesellschafter der Klägerin über die Zurechnung des Entnahmegewinns wirtschaftlich motiviert etwas Abweichendes vereinbaren wollten (siehe Herrmann/Heuer, a. a. O., EStG § 4 Anm. 42 d [2]).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72469

BStBl II 1977, 823

BFHE 1978, 85

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