Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslandsstudienreise eines Lehrers

 

Leitsatz (NV)

Aufwendungen für Auslandsreisen sind nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist. Es reicht nicht aus, daß die berufliche Veranlassung gegenüber privaten Elementen überwiegt.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Gymnasiallehrer. Er unterrichtet die Fächer Englisch und Geschichte. Im Streitjahr 1991 nahm er an einer Seminarveranstaltung der Reihe "Canadian Studies Seminars for European Educators" teil, die vom Erziehungsministerium der Provinz Ontario veranstaltet wurde. Teilnehmer waren Lehrer aus verschiedenen Ländern Europas. Das Seminar fand vom 7. bis zum 20. Juli 1991 überwiegend in Toronto statt und hatte im wesentlichen folgenden Inhalt:

Sonntag Anreise; Montag Eröffnung, Organisatorisches, Stadtrundfahrt, Empfang mit kanadischen Erziehern; Dienstag und Mittwoch Vorträge; Donnerstag Abreise (Bus) nach Ottawa, unterwegs Besichtigung der McMichael Art Gallery (Sammlung moderner kanadischer Kunst); Freitag Besuch des kanadischen Außenministeriums mit Diskussion, Stadtrundfahrt, Führung durch das Canadian Museum of Civilization; Samstag zur freien Verfügung, abends Rückfahrt nach Toronto; Sonntag zur freien Verfügung (der Kläger besichtigte ein "Pionierdorf"); Montag Schulbesuche, nachmittags frei; Dienstag Vorträge; Mittwoch Exkursion in eine Indianer-Reservation, Besichtigung der Niagara-Fälle, Besuch der Stadt Niagara-on-the-Lake; Donnerstag Vorträge; Freitag Curriculum Workshop (Arbeitsgruppen), Schlußbesprechung, Abschlußbankett. Von den Vorträgen behandelte einer das kanadische Erziehungssystem, die übrigen hatten landesbezogene Themen aus Geographie, Politik und Kultur zum Inhalt.

Nach Abschluß des Seminars hielt sich der Kläger noch eine Woche in Amerika auf. Am Samstag, dem 20. Juli, fuhr er mit dem Bus nach Cincinnati, Ohio, wo er am Sonntag ankam. Am Montag reiste er weiter nach Rochester, Indiana. Dort führte er am folgenden Dienstag mit einem -- ihm aus der Studienzeit bekannten -- amerikanischen Lehrer Gespräche über Fragen der schulischen Zusammenarbeit. Am Mittwoch, dem 24. Juli, besichtigte der Kläger die Schule seines Gesprächspartners. Abends fuhr er wieder mit dem Bus nach Toronto, wo er am folgenden Tag ankam. Am Freitag, dem 26. Juli, flog er von Toronto nach Deutschland zurück.

Für die Teilnahme an dem Seminar wurde dem Kläger von der zuständigen Schul behörde Dienstbefreiung gewährt und ein Kostenzuschuß von 500 DM zugesagt. Im Anschluß an die Reise führte der Kläger in der Jahrgangsstufe 13 einen Leistungskurs zum Thema Kanada durch.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ließ die Aufwendungen des Klägers für die Reise nicht zum Werbungskostenabzug zu. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus, daß die berufliche Veranlassung bei weitem überwiege, da die Reise einen konkreten beruflichen Anlaß gehabt habe und private Gründe nach der Überzeugung des Senats keine Rolle spielten. Der Kläger habe bereits ein Jahr vor Anmeldung zu der Reise damit begonnen, im Rahmen seines Englischunterrichts einen Leistungskurs "Canadian Life and Literature" für die Jahrgangsstufe 13 vorzubereiten. Im Frühjahr 1990 habe er an einem Wochenendseminar der Kanadischen Gesellschaft teilgenommen, deren Mitglied er nicht sei. Die Unterrichtseinheit habe sich mithin schon in einer konkreten Planungsphase befunden, als der Kläger erstmals von der Gruppenreise nach Kanada erfahren habe. Der konkrete berufliche Bezug spiegele sich ferner in dem strengen Auswahlverfahren wider.

Auch der Ablauf der Reise stehe einer steuerlichen Anerkennung nicht entgegen. Aus dem häufigen Ortswechsel könne nicht auf eine private Mitveranlassung geschlossen werden, da die Reiseroute durch die Intention bestimmt gewesen sei, ein möglichst umfassendes Bild von Kanada zu vermitteln. Der Kläger habe überzeugend dargelegt, wie er die gewonnenen Kenntnisse, z. B. aus dem Besuch eines Pionierdorfes oder eines Indianer-Reservats, beruflich habe umsetzen können. Bei einer Gesamtwürdigung des Programms ergäben sich deutliche Unterschiede zu einer allgemein-touristischen Besichtigungsreise. Der Kursverlauf sei durchplant gewesen und habe kaum individuelle Freiheiten zugelassen. Für die Befriedigung touristischer Interessen sei wenig Raum geblieben.

Auch der anschließende Aufenthalt des Klägers in den USA führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Reise insgesamt, da er ebenfalls rein beruflich bedingt gewesen sei. Der zeitliche Ablauf sei durch die Flugpläne bestimmt worden. Bei den Gesprächen sei es um organisatorische Fragen eines Schüleraustauschs gegangen, was in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beruf des Klägers stehe.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Es trägt vor, die Wertung des FG, daß die Reise überwiegend beruflich bedingt sei, stütze sich allein auf den Vortrag des Klägers und berücksichtige nicht den Inhalt des vorliegenden Programms, dessen Vorträge allgemein interessierende, kulturelle und politische Themen behandelt hätten, das den Besuch weit auseinanderliegender Orte, touristische Höhepunkte und Stadtbesichtigungen umfaßt und an mehreren Tagen die Möglichkeit zur Verfolgung privater Interessen geboten habe. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, daß die Reiseaufwendungen allein oder doch überwiegend beruflich veranlaßt seien.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfweise, die Sache zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt unter Hinweis auf die Würdigung des FG, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Entscheidung des FG, die Reiseaufwendungen des Klägers zum Werbungskostenabzug zuzulassen, hält der Überprüfung nicht stand.

1. Auslandsreisen können sowohl dem beruflichen Bereich als auch der privaten Lebensführung zugehören. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führen sie nur dann zu abziehbaren Werbungskosten (oder Betriebsausgaben), wenn die Reisen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen werden und die Verfolgung privater Interessen i. S. des § 12 Nr. 1 EStG, wie z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; Urteil vom 30. April 1993 VI R 94/90, BFHE 171, 242, BStBl II 1993, 674).

Im Streitfall lag der Auslandsreise des Klägers kein unmittelbarer beruflicher Anlaß zugrunde, wie z. B. das Halten eines Vortrags auf einem Kongreß, die Durchführung eines Forschungsauftrags oder das Aufsuchen eines Geschäftspartners. Bei Auslandsreisen, denen ein solcher konkreter Bezug zur beruflichen Tätigkeit fehlt, müssen nach der Rechtsprechung die jeweils für eine berufliche oder private Veranlassung sprechenden Beurteilungsmerkmale gegeneinander abgewogen werden. Eine Qualifizierung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben scheidet bereits dann aus, wenn das Hineinspielen der Lebensführung nicht nur von ganz untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. August 1995 VI R 47/95, BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10, m. w. N.).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zwar nicht zu verkennen, daß der Aufenthalt des Klägers in Kanada Elemente beruflicher Veranlassung aufweist. Dies sind der homogene Teilnehmerkreis der -- in einem strengen Auswahlverfahren ermittelten -- Lehrer und die bereits vorher eingeleitete Vorbereitung einer Unterrichtseinheit durch den Kläger, die das Land Kanada zum Inhalt hatte. Gegenüber diesen beruflichen Gesichtspunkten fällt jedoch ins Gewicht, daß das Programm des zweiwöchigen Studienaufenthaltes mehrere allgemein interessierende Veranstaltungen (Museumsführungen, Besuch des Außenministeriums) sowie touristische Arrangements wie Stadtrundfahrten, Besichtigung eines Indianer-Reservats und der Niagara-Fälle enthielt. Die angebotenen Vorträge hatten -- bis auf einen, der das kanadische Erziehungssystem behandelte -- keinen unmittelbar berufsbezogenen, sondern einen allgemeinbildenden Inhalt. Für den mehrtägigen Abstecher in die USA im Anschluß an das Studienseminar ist eine berufliche Veranlassung angesichts der Reiseroute nicht plausibel gemacht. Insgesamt war somit die Reise des Klägers in nicht unerheblichem Umfang auch von privaten Motiven beeinflußt.

3. Das FG stellt darauf ab, daß für die Reise des Klägers die berufliche Veranlassung bei weitem überwiege. Mit dieser Argumentation befindet es sich in Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach Auslandsreisen nur dann zu abziehbaren Betriebsausgaben oder Werbungskosten führen, wenn die Verfolgung privater Interessen (z. B. Erholung, Bildung, Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises) nach Anlaß, Programm und tatsächlicher Durchführung der Reise nahezu ausgeschlossen ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 IV R 72/89, BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92). Das bloße Überwiegen der beruflichen Veranlassung gegenüber privaten Elementen reicht entgegen der Auffassung des FG nicht aus.

Darüber hinaus hat das FG bei der Gewichtung der touristischen Aspekte des Reiseverlaufs nicht die Erwägung der ständigen BFH-Rechtsprechung beachtet, daß der Besuch beliebter Ziele des Tourismus bereits als Indiz für die nicht nur untergeordnete private Mitveranlassung der Reise zu werten ist (Urteil in BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92, 93, r. Sp. unten). Die Wertung des FG, daß der häufige Ortswechsel und der Besuch der verschiedenen Sehenswürdigkeiten deshalb nicht auf eine private Mitveranlassung schließen lasse, weil im Hinblick auf den Beruf ein möglichst umfassendes Bild des Landes gewonnen werden sollte, vermag der Senat nicht zu teilen. Werden die landeskundlichen Kenntnisse auf einer Reise durch die Besichtigung von Städten und anderen touristisch interessanten Orten vermittelt, so liegt darin eine Erweiterung der Allgemeinbildung oder der allgemeinen beruflichen Bildung. Diese aber sind nach der Rechtsprechung der Lebensführung und nicht der beruflichen Sphäre zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10, m. w. N.).

4. Da die Vorentscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, die Klage war daher abzuweisen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 476

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