Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

über das Bestehen einer Unterbeteiligung an einer Personengesellschaft ist im Verfahren über die einheitliche Gewinnfeststellung auch dann zu entscheiden, wenn das Unterbeteiligungsverhältnis infolge seiner Geheimhaltung im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren der Gesellschaft nicht berücksichtigt worden ist. Im Falle der Rechtskraft dieses Verfahrens ist das Unterbeteiligungsverhältnis in einem gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren zu behandeln. Der gegenteiligen Auffassung in dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 282/35 vom 15. Januar 1936 (RStBl 1936 S. 554) wird nicht beigetreten.

 

Normenkette

AO § 215 Abs. 2, § 216

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt für 1949 die Berücksichtigung des Verlustes, den er als Unterbeteiligter an der Beteiligung seiner Ehefrau erlitten haben will. Diese ist seit 1937 an einer KG beteiligt, und zwar, wovon die Beteiligten in rechtlich nicht zu beanstandender Beurteilung ausgehen, als atypische stille Gesellschafterin; steuerlich ist sie als Kommanditistin behandelt worden. Die Beteiligung im Werte von ursprünglich ... RM ist durch Stehenlassen von Gewinnanteilen bis zum 1. April 1944 auf ... RM angewachsen. Am 1. / 4. September 1944 haben der Bf. und seine damalige Ehefrau privatschriftlich vereinbart, daß der Bf. mit Wirkung ab 1. April 1944 mit 30 v. H. an der "stillen Gesellschaft" der Ehefrau unterbeteiligt werde. Die Kapitalanlage des Bf. ist vereinbarungsgemäß als geleistet angesehen worden. Die Leistung wird vom Bf. auch mit der Zahlung der auf die Gewinnanteile seiner Ehefrau entfallenden persönlichen Steuern begründet.

Während der Stand des Kontos der Ehefrau bei der KG nach außen ... RM betrug, war die Ehefrau im Innenverhältnis zum Bf. als dem Unterbeteiligten nur noch mit ... RM beteiligt. Es ist ferner vereinbart worden, daß dem Kapitalanteil der Unterbeteiligung (UB) nicht nur der hierauf entfallende Gewinn, sondern auch der übrige Ertrag des Kapitalanteils der Ehefrau, über den der Bf. auf Grund seines ehemännlichen Nutznießungsrechtes verfügen konnte, jährlich zugeschlagen werden sollte, soweit keine Entnahmen gemacht wurden. Auf Grund dieser Regelung mußte zwangsläufig im Verhältnis der Beteiligten untereinander der Anteil des Bf. als Untergesellschafter allmählich größer werden, während der der Ehefrau unverändert blieb. Nach dem Stande des Kontos der Ehefrau bei der KG am 31. Dezember 1947 mit ... RM und am 20. Juni 1948 mit ... RM entfallen somit nach der Darstellung des Bf. auf die Ehefrau jeweils ... RM und auf den Steuerpflichtigen ... RM (1947) und ... RM (20. Juni 1948). Die Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand lebten, haben sich im April 1948 dauernd getrennt und sind ab 1948 getrennt veranlagt worden. Am 24. Februar 1949 ist die Ehe geschieden worden.

In der DM-Eröffnungsbilanz der KG erscheint die Einlage der früheren Ehegatten mit ... DM. Nach dem Umstellungsverhältnis von ... RM zu ... DM errechnete der Br. den Wert seiner UB am 24. Februar 1949 auf ... DM.

Am 13. Oktober 1950 hat der Bf. mit seiner früheren Ehefrau einen Vergleich geschlossen, an dem auch verschiedene Gesellschafter der KG beteiligt waren. Danach hat die Firma im November und Dezember 1950 insgesamt ... DM zu Lasten des Kontos der früheren Ehefrau an den Bf. gezahlt. Durch diesen Vergleich sollen der Unterbeteiligungsvertrag (UBV) vom 1. / 4. September 1944 mit Wirkung vom 24. Februar 1949 erlöschen, sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus diesem Vertrage sowie auch die Ansprüche aus der ehemännlichen Verwaltung und Nutznießung an dem eingebrachten Gut erledigt sein.

Aus dem Vergleichsbetrage und dem von ihm errechneten Buchwert seiner UB macht der Bf. einen Verlust von ... DM geltend, den er im Veranlagungszeitraum 1949 von seinen übrigen Einkünften abgesetzt haben will.

Bei der KG ist stets nur das Kapitalkonto der früheren Ehefrau, jedoch nie ein solches oder ein Unterbeteiligungskonto für den Bf. geführt worden; für diesen ist auch ein Gewinn oder Kapitalanteil in den Büchern der KG nicht ausgewiesen worden. Der UBV ist seinerzeit ohne Wissen und Zustimmung sowie ohne Anerkennung des als persönlich haftenden Gesellschafter an der KG beteiligten Vaters der früheren Ehefrau und der KG geschlossen worden. Der Vertrag ist letzterer erst bekanntgeworden, als die Ehefrau die Scheidung anstrebte. Der Bf. hat geltend gemacht, die KG hätte das Kapitalkonto seiner früheren Ehefrau spätestens am 24. Februar 1949 aufteilen müssen. Ab. 1. Januar 1948 seien die Ehegatten getrennt veranlagt worden; von diesem Zeitpunkt ab sei die UB steuerlich zu beachten, und er (Bf.) als Teilhaber an einem gewerblichen Betriebe zu behandeln.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht geht davon aus, daß es sich bei der UB um keine Beteiligung an einem gewerblichen Betriebe handeln könne. An der KG sei nur die frühere Ehefrau beteiligt. Die Firma habe jegliche Rechtsbeziehungen zu dem Bf. abgelehnt. Der sogenannte UBV stelle nur eine Vereinbarung über die Vermögensverhältnisse der Ehegatten und über die Behandlung der Einkünfte der Ehefrau dar, die ihr aus der Beteiligung zustanden. Nur die Ehefrau habe einen Rechtsanspruch an die KG gehabt. Durch den Vergleich sei nur ein Anspruch des Bf. an dem Auseinandersetzungsguthaben seiner früheren Ehefrau gegen die KG befriedigt worden. Die Ansprüche des Bf. gehörten nicht zu den Einkünften im Sinne von § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im übrigen sei der UBV offensichtlich eine Vereinbarung über die Auseinandersetzung familienrechtlicher Ansprüche der Ehegatten. Es handle sich um Vorgänge, die durch das EStG nicht erfaßt würden. In dem Vergleich komme deutlich zum Ausdruck, daß mit dem Betrage von ... DM, der von der KG zu Lasten des Kontos der früheren Ehefrau zu zahlen sei, nur ein Anspruch gegen die frühere Ehefrau befriedigt werden solle. Wenn der persönlich haftende Gesellschafter der KG (Vater der früheren Ehefrau) aus diesem Grunde bei den Vergleichsverhandlungen zugegen gewesen sei, so ändere das an der Sachlage nichts.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt Verfahrensmängel und unrichtige Rechtsanwendung. Erstere werden im wesentlichen darin gesehen, daß dem Bf. die Erklärung der KG vom 5. August 1952, in der diese zu dem UBV Stellung nimmt, nicht mitgeteilt worden sei, und daß ferner die Akten keine Aufzeichnungen über die in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzamt und Finanzgericht vorgebrachten Tatsachen enthielten.

Sachlich erstrebt der Bf. nach wie vor die Anerkennung des geltend gemachten Veräußerungsverlustes. Mindestens aber die Anerkennung eines Verlustes dem Grunde nach. Der Bf. trägt im wesentlichen unter Wiederholung bereits geltend gemachter Rechtsgründe vor, seine UB stelle eine Beteiligung an einem gewerblichen Betriebe dar. Als Unterbeteiligter sei er mit den gleichen Rechten und Pflichten, wie sie seiner früheren Ehefrau als Kommanditistin zustünden, am Gewinn und Verlust und an den stillen Reserven auf Grund des ihm zustehenden Auseinandersetzungsanspruches beteiligt. Die Erträge der UB seien gewerbliche Einkünfte. Bei dem Vergleich vom 13. Oktober 1950 habe es sich nicht um eine Vermögensauseinandersetzung, sondern um eine Vereinbarung zur Beendigung eines Rechtsstreites über den UBV gehandelt. Der Vergleich sei auf der Grundlage des UBV abgeschlossen worden. Wenn vereinbart sei, der UBV sei rückwirkend vom 24. Februar 1949 ab erloschen, so bedeute das nicht, daß der UBV an die Ehe gebunden gewesen sei. Tatsächlich sei die UB erst mit dem Vergleichstag erloschen. Die Gegenseite habe offensichtlich die UB bei dem Vergleichsabschluß auch anerkannt. Das ergebe sich unter anderem auch daraus, daß die KG versucht habe, die Beteiligung seiner früheren Ehefrau durch Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses zu beenden, um damit auch die UB zu beseitigen. Die Ausführungen des Finanzgerichts, wonach der UBV keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern bereits zugeflossene Einkünfte der Ehefrau behandle, stünden mit dem geltenden Recht im Widerspruch.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Eine UB stellt eine gesellschaftliche Beteiligung dar, die ein an einer Gesellschaft Beteiligter (Hauptbeteiligter) einem Dritten (Unterbeteiligter) einräumt. Die Zulässigkeit einer UB an der Kommanditeinlage eines Kommanditisten oder an der Beteiligung eines OH-Gesellschafters ist von der Rechtsprechung anerkannt (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 282/35 vom 15. Januar 1936, RStBl 1936 S. 554; VI A 433/34 vom 25. Juli 1934, RStBl 1935 S. 332). Nach der zuerst angeführten Entscheidung tritt der Kommanditist dabei nach außen als Mitunternehmer der KG gegenüber auf, während er in Wirklichkeit nach den vertraglichen Bestimmungen der Innengesellschaft zum Teil nur als Treuhänder des Unterbeteiligten handelt. Eine Vereinbarung über eine wirtschaftliche UB an einer Kommanditeinlage sei auch möglich, wenn die im Innenverhältnis bestehenden Beteiligungsverhältnisse den übrigen Mitunternehmern der KG gegenüber geheimgehalten würden.

Bei der in erster Linie streitigen Frage, ob der UBV, d. h. steuerlich ein Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Bf. und seiner früheren Ehefrau, anzuerkennen ist, haben die Vorinstanzen nicht geprüft, ob über diese Frage nicht im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden ist. Das ist zu bejahen. Der Bf. behauptet im Rahmen des UBV eine Mitunternehmerschaft. Ob eine solche besteht oder nicht, ist nach § 215 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) im Gewinnfeststellungsverfahren zu prüfen. In diesem ist nicht nur darüber zu befinden, wer an den in § 215 Abs. 2 AO angeführten Einkünften, sei es an dem laufenden oder an einem Veräußerungsgewinn oder Veräußerungsverlust (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 487/38 vom 19. Oktober 1938, RStBl 1938 S. 1102, und Urteil des Bundesfinanzhofs I 294/56 U vom 10. September 1957, BStBl 1957 III S. 414, Slg. Bd. 65 S. 468), beteiligt ist, sondern auch darüber, ob an Einkünften im Sinne von § 215 Abs. 2 AO mehrere beteiligt sind, d. h. ob überhaupt ein Gesellschaftsverhältnis besteht (siehe auch das Urteil des Senats IV 39/58 U vom 26. Juni 1958, BStBl 1958 III S. 364). Ist die UB der Gesellschaft bekannt, so muß der UBV bereits in dem Gewinnfeststellungsverfahren der Gesellschaft berücksichtigt werden (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 588/30 vom 21. Juni 1933, RStBl 1933 S. 1014). Ist er, wie im Streitfalle, geheimgehalten worden, so hat zwar der Reichsfinanzhof in dem angeführten Urteil VI A 282/35 unter Berufung auf Becker, Das Einkommensteuergesetz, 1925, § 29, Bem. 56 c, S. 1475/76, ausgeführt, daß sich die für die einheitliche Gewinnfeststellung ergebenden Schwierigkeiten nicht anders lösen ließen, als daß der UBV noch bei der Veranlagung geltend gemacht werden könne. Das Urteil hat sich jedoch nicht zu der auch von Becker angeführten Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1566/30 vom 8. Oktober 1930, Mrozek-Kartei, Einkommensteuergesetz, 1934, § 15 Ziff. 2 Rechtsspruch 28/29, Steuer und Wirtschaft 1931 Nr. 25, geäußert, nach der auch im Verhältnis zwischen Hauptbeteiligten und Unterbeteiligten eine besondere einheitliche Gewinnfeststellung nach § 215 AO vorzunehmen ist (siehe auch Bopp, Die Unterbeteiligung an gewerblichen Unternehmen im Steuerrecht, S. 91). Nun ist zwar § 215 AO nicht nur dazu bestimmt, widersprechende Entscheidungen zwischen den Beteiligten zu vermeiden, sondern dient auch der Zweckmäßigkeit. Es könnte daher eingewendet werden, daß es, wenn ein Verfahren bereits bis zur letzten Instanz fortgeschritten ist, nicht angebracht sei, auf der Anwendung des § 215 AO zu bestehen und daß bei einem der Gesellschaft nicht bekannten UBV eine Berücksichtigung im Veranlagungsverfahren nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs als möglich angesehen worden ist. Demgegenüber ist jedoch darauf hinzuweisen, daß das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren notwendige Verfahrensvoraussetzung ist, und daß es im Streitfalle nicht nur um die Anerkennung des UBV geht, sondern auch um die Höhe des geltend gemachten Verlustes, der bei Bejahung des Vertrages ohne Heranziehen der beim Betriebsfinanzamt vorhandenen Unterlagen nicht festgestellt werden kann. Der Bf. hat zudem wiederholt vorgetragen, seine Berechnung des Verlustes habe nach eigenen Unterlagen stattgefunden, da die KG die Vorlage der Bilanzen und der Gewinn- und Verlustrechnungen ablehne. Des weiteren ist der Bf. der Meinung, daß die Gegenpartei (KG und frühere Ehefrau) seine Ansprüche nur deshalb bestreite, um bei der Veranlagung der Ehefrau einen entsprechenden Veräußerungsgewinn zu vermeiden. Auf die Beachtung des § 215 Abs. 2 AO kann ferner auch aus gerichtsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht verzichtet werden, da ein Steuerpflichtiger ein Recht darauf hat, daß seine geltend gemachten Ansprüche durch den ordentlichen, d. h. zuständigen Richter geprüft werden. In dieser Beziehung bestehen jedoch, wenn nicht schon im Berufungsverfahren, so doch im Rechtsbeschwerdeverfahren für das Gewinnfeststellungsverfahren andere Zuständigkeiten wie für das Veranlagungsverfahren. Deshalb müssen die Vorentscheidungen bereits aus verfahrensrechtlichem Grund aufgehoben werden, ohne daß auf die behaupteten Verfahrensmängel und die sachliche Seite des Streites eingegangen zu werden braucht. Die Sache wird deshalb an das Finanzamt zurückverwiesen, das über den Einspruch gegen die Veranlagung des Steuerpflichtigen erst zu befinden hat, wenn von dem Betriebsfinanzamt - als solches kommt zum mindesten aus Zweckmäßigkeitsgründen (ß 78 Abs. 1 AO) das für die KG zuständige Finanzamt in Betracht - in einem besonderen Gewinnfeststellungsverfahren über die hier streitigen Fragen rechtskräftig entschieden worden ist. Das Betriebsfinanzamt hätte allerdings den UBV, der ihm seit der vorläufigen Gewinnfeststellung für 1949 bekannt war, bei der endgültigen Feststellung berücksichtigen müssen; da das aber nicht geschehen und diese offenbar rechtskräftig geworden ist, muß der UBV in einem gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren behandelt werden (vgl. auch § 216 Abs. 2 AO).

 

Fundstellen

BStBl III 1959, 249

BFHE 1959, 653

BFHE 68, 653

StRK, AO:215 R 20

NJW 1959, 1463

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