Leitsatz (amtlich)

Behandelt ein freiberuflich tätiger Arzt auf Grund von Vereinbarungen mit einem Krankenhause Versicherte, die ein gesetzlicher Träger der Sozialversicherung in das Krankenhaus eingewiesen hat, so kann er für die ihm vom Krankenhause gezahlten Entgelte Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 11 UStG nicht in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

UStG 1934 § 4 Ziff. 11; UStDB 1938 § 38

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist freiberuflich als Facharzt für innere Krankheiten tätig und übt seine Praxis teils im eigenen Grundstück, teils in von ihm gemieteten Räumen eines Krankenhauses aus. Daneben leitet er in zwei anderen Krankenhäusern jeweils die innere Abteilung; hierfür steht ihm ein bestimmter Betrag je Bett und je Verpflegungstag zu. ..... Nach erfolglosem Einspruch ..... hat sich der Bf. in der Berufungsinstanz darauf beschränkt, für die von den Krankenhäusern gezahlten Beträge ..... Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit der Begründung in Anspruch zu nehmen, daß es sich um Entgelte handele, die von reichsgesetzlichen Versicherungsträgern auf Grund ihrer Verpflichtung aus einem Versicherungsverhältnis für die ärztliche Behandlung Versicherter gezahlt worden seien. Der Umstand, daß sich sein Honoraranspruch jeweils nicht unmittelbar gegen die Krankenkasse, sondern gegen das Krankenhaus richte, sei hierbei unerheblich; es liege nicht anders als beim "typischen Kassenarzt", dessen Anspruch auf Honorar für Behandlung eines Kassenpatienten sich ebenfalls nicht unmittelbar gegen den Versicherungsträger, sondern gegen die kassenärztliche Vereinigung richte, der er angehöre.

Auch die Berufung ist erfolglos geblieben. Das Finanzgericht geht davon aus, daß der Bf. in keinem Anstellungsverhältnis zu den beiden Krankenhäusern stehe ..... Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 11 UStG hält das Finanzgericht nicht für gegeben, weil hinsichtlich der ärztlichen Leistungen unmittelbare Rechtsbeziehungen nicht zwischen den Versicherungsträgern und dem Bf., sondern zwischen den Versicherungsträgern und den Krankenhäusern bestünden, die sich der Fachkunde des Bf. bedienten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.), zu deren Begründung der Bf. lediglich auf sein Vorbringen im Berufungsverfahren Bezug genommen hat, ist unbegründet.

Die Ansicht der Vorinstanz, daß es sich bei den streitigen Beträgen nicht um Bezüge aus einem Anstellungsverhältnis handele, die nicht umsatzsteuerbar wären, läßt einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen den Akteninhalt nicht erkennen....

Der Vorinstanz ist aber auch darin beizutreten, daß die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 11 UStG hinsichtlich der streitigen Umsätze nicht erfüllt sind. Nach § 4 Ziff. 11 UStG in Verbindung mit § 38 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1938 ist für ärztliche Hilfeleistungen Steuerfreiheit gegeben, wenn der Arzt seine Leistung an einen Versicherungsträger bewirkt (§ 38 Ziff. 3: "Umsätze an die reichsgesetzlichen Versicherungsträger"), mit der Leistung des Arztes eine Verpflichtung des Versicherungsträgers aus einem Versicherungsverhältnis bewirkt wird (§ 38 Ziff. 3: "soweit damit deren -- d. h. der Versicherungsträger -- Verpflichtung aus einem Versicherungsverhältnis ... erfüllt wird") und der Versicherungsträger das Entgelt für die Leistung dem Arzt zu zahlen hat (§ 4 Ziff. 11: "soweit Entgelte dafür von den reichsgesetzlichen Versicherungsträgern ... zu zahlen sind"). Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist hiernach, wie die Vorinstanz im Einklang mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs ausgeführt hat, das Bestehen unmittelbarer Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Versicherungsträger in bezug auf die Leistungsverpflichtung des Arztes und die Zahlungsverpflichtung des Versicherungsträgers. Dem Einwand des Bf. gegenüber, daß dem "typischen Kassenarzt" Steuerfreiheit gewährt werde, obwohl es an solchen unmittelbaren Rechtsbeziehungen fehle, ist zuzugeben, daß die Ende 1931 durchgeführte Neuregelung des Kassenarztrechts (zu vgl. Teil 5 der Vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931, Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- 1931 I S. 699, 718; Vertragsordnung und Zulassungsordnung vom 30. Dezember 1931, RGBl. 1932 I S. 2 ff. und 8 ff.) allerdings zu einer Prüfung der Frage nötigte, ob angesichts der Einzelbestimmungen über die Vergütung kassenärztlicher Leistungen der an die oben genannten Voraussetzungen geknüpfte Anspruch des Kassenarztes auf Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 11 UStG noch gewahrt sei. Nach dieser Regelung konnte nämlich der Arzt seine einzelnen Leistungen für Versicherte nicht mehr der Krankenkasse in Rechnung stellen; vielmehr zahlte die Krankenkasse eine nach bestimmten Sätzen errechnete Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung an die kassenärztliche Vereinigung; diese ihrerseits verteilte die Gesamtsumme weiter an die ihr angeschlossenen Ärzte nach einem mit der Krankenkasse vereinbarten Maßstab und unter Zugrundelegung von Abrechnungen, die die Ärzte einzureichen hatten. Es konnte in der Tat immerhin zweifelhaft sein, ob eine solche Gestaltung der rechtlichen Beziehungen durch den Wortlaut der Vorschrift über die Steuerfreiheit ärztlicher Hilfeleistungen (damals § 2 Ziff. 13 UStG 1932; jetzt § 4 Ziff. 11 UStG 1934 und 1951) noch gedeckt wurde. Der Reichsfinanzhof hat durch Urteil V A 483/35 vom 15. Oktober 1935 (Slg.Bd. 38 S. 258, Reichsteuerblatt -- RStBl. -- 1936 S. 127) in Anlehnung an sein einen ähnlichen Fall behandelndes Urteil V A 210/32 vom 9. Mai 1932 (Slg.Bd. 31 S. 67, RStBl. 1933 S. 274) dahin entschieden, daß Steuerfreiheit für ärztliche Hilfeleistungen auch gegeben ist, wenn auf Grund einer Rechtsverordnung eine kassenärztliche Vereinigung zwischen den Versicherungsträger und den Leistungsverpflichteten (Arzt) tritt. Trotz mehrfacher Änderungen, die das Kassenarztrecht seither erfuhr, haben sich die Bestimmungen über die Abgeltung kassenärztlicher Leistungen jedenfalls in ihren Grundzügen bis heute nicht geändert (zu vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung Teil 2, 1954 S. 412 ff.). Verwaltung und Rechtsprechung halten sich deshalb in der Frage der Anwendbarkeit des § 4 Ziff. 11 UStG nach wie vor an die vom Reichsfinanzhof entwickelten Grundsätze, von denen abzugehen auch der erkennende Senat keinen Anlaß sieht. Der Bf. irrt jedoch, wenn er glaubt, daraus hinsichtlich der Einnahmen aus seiner Tätigkeit in den beiden Krankenhäusern einen Anspruch auf Steuerfreiheit auch für sich herleiten zu können. Er übersieht, daß in seinem Falle den Krankenhäusern nicht die Mittlerrolle (zu vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 518/35 vom 19. November 1935, RStBl. 1936 S. 127) zukommt, die durch Rechtsverordnung den kassenärztlichen Vereinigungen im Verhältnis von Arzt und Krankenkasse als den an sich naturgemäß gegebenen Partnern zugewiesen ist.

Der Bf. war in den in Frage stehenden Veranlagungszeiträumen unbestritten nicht als Kassenarzt zugelassen. Er erfüllte also, wenn er in den inneren Abteilungen der beiden Krankenhäuser Kassenpatienten behandelte, nicht Verpflichtungen, die ihm auf Grund der Zulassung zum kassenärztlichen Dienst oblagen. Vielmehr beruhte seine Tätigkeit auf privatrechtlichen Abreden mit den beiden Krankenhäusern, nach denen er die in deren innere Abteilungen eingewiesenen Versicherten zu behandeln hatte. Mit den Krankenkassen standen hinsichtlich dieser Versicherten also, wie die Vorinstanz ohne Rechtsirrtum und ohne Verstoß gegen den klaren Akteninhalt festgestellt hat, nur die Krankenhäuser in Rechtsbeziehungen. Die von ihnen durchzuführende Krankenhauspflege (§ 184 der Reichsversicherungsordnung) ist "eine besondere, einheitliche, unteilbare Gesamtleistung ..., welche Kur und Verpflegung in einem Krankenhause umfaßt" (Peters a. a. O. S. 110). Zur Kur gehören ärztliche Behandlung und die Gewährung notwendiger Heilmittel (Peters a. a. O. S. 112). Ob sich ein Krankenhaus zur Durchführung der von ihm zu leistenden ärztlichen Behandlung des von ihm angestellten ärztlichen Personals bedient oder ob es insoweit einen im übrigen freiberuflich tätigen Arzt zur Mitwirkung heranzieht, ist eine Frage der inneren Organisation, bei der sich das Krankenhaus von Zweckmäßigkeitserwägungen leiten lassen wird; für das Verhältnis des Krankenhauses zur Krankenkasse ist die Regelung, zu der sich das Krankenhaus insoweit entschließt, ohne Bedeutung; es kann insbesondere nicht davon die Rede sein, daß dann, wenn ein freiberuflich tätiger Arzt zur Mitwirkung bei einer ärztlichen Behandlung herangezogen wird, dieser neben dem Krankenhaus in Rechtsbeziehungen zur Krankenkasse tritt. Für das Verhältnis des Krankenhauses zum Versicherungsträger ist im übrigen das bürgerliche Recht maßgebend; die Abgeltung der Gesamtleistung des Krankenhauses bestimmt sich nach dessen allgemeinen Tarifen, soweit nicht allgemeine Abkommen oder Verträge für den Einzelfall etwas anderes vorsehen (zu vgl. Peters a. a. O. S. 117). Nach dieser Gestaltung könnte es nicht zweifelhaft sein, daß, worüber hier nicht zu entscheiden ist, die Krankenhäuser, in denen der Bf. tätig war, Anspruch auf Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 11 UStG für den Teil der ihnen von den Krankenkassen gezahlten Entgelte haben, der auf die ärztliche Behandlung entfällt. Der Bf. dagegen kann wegen Fehlens unmittelbarer Rechtsbeziehungen zur Krankenkasse den gleichen Anspruch auf Steuerfreiheit nicht geltend machen, und zwar auch dann nicht, wenn sich der ihm je Bett und je Verpflegungstag zustehende Betrag mit dem auf die ärztliche Behandlung zu rechnenden Teil des von der Krankenkasse gezahiten Gesamtentgelts der Höhe nach decken sollte. Es liegt hier im wesentlichen nicht anders als in dem durch Urteil des Reichsfinanzhofs V A 77/36 vom 12. März 1937 (RStBl. 1937 S. 607) entschiedenen Falle. Dort hatte sich ein Sanatorium, in das Versicherte zur Krankenhauspflege eingewiesen worden waren, zur Durchführung der ärztlichen Behandlung einer Kuranstalt als Erfüllungsgehilfen bedient. Der Reichsfinanzhof hat dem Inhaber der Kuranstalt die Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 11 UStG versagt, weil nicht er, sondern nur das Sanatorium in unmittelbaren Rechtsbeziehungen zum Versicherungsträger stand. Die gleichen Erwägungen müssen auch im Falle des ausschließlich freiberuflich tätigen Bf. zur Versagung der Steuerfreiheit führen.

Die Rb. ist deshalb mit der sich aus § 307 der Reichsabgabenordnung ergebenden Kostenfolge als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408037

BStBl III 1955, 58

BFHE 1955, 150

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