Leitsatz (amtlich)

Gebrauchte Fixierbadlösungen sind metallhaltige Rückstände im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 12b UStDB 1938 (§ 29 Abs. 2 Ziff. 13b UStDB 1951). Die Gewinnung von Schwefelsilber aus solchen Fixierbadlösungen ist eine Verhüttung auf Edelmetalle im Sinne des § 29 Abs. 1 Ziff. 6 UStDB 1938 (§ 30 Abs. 1 Ziff. 9 UStDB 1951). Das gewonnene Schwefelsilber ist Verhüttungsmaterial im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 12c UStDB 1938 (§ 29 Abs. 2 Ziff. 13c UStDB 1951).

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 4; UStDB 1938 § 28 Abs. 2 Ziff. 9a, § 28 Abs. 2 Ziff. 12b, § 28 Abs. 2 Ziff. 12c, § 29 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 1 Ziff. 6, Abs. 2; UStDB 1951 § 29 Abs. 2 Ziff. 13b, § 29 Abs. 2 Ziff. 13c, § 30 Abs. 1 Ziff. 5, Abs. 1 Ziff. 9, Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) erwirbt von Photohändlern, industriellen Werken und anderen Unternehmungen gebrauchte Fixierbadlösungen. Er fällt hieraus in seinem chemischen Laboratorium Silberschlamm aus und gewinnt aus diesem in einem Trockenofen nach seinem besonderen Verfahren Schwefelsilber. Dieses Schwefelsilber liefert er sodann im Großhandel an Unternehmer, die es zu Feinsilber weiterverarbeiten. Der Bf. nimmt für diese Lieferungen Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1934 in Anspruch. Nach Auffassung des Bf. rechnen die von ihm erworbenen Fixierbadlösungen zu den chemischen Verbindungen von Silber im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 9a der Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen (UStDB) 1938 und der daraus gewonnene Silberschlamm zu den anderen metallhaltigen Rückständen im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 12b a. a. O. Nach dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 7. Dezember 1934 S 4030 -- 50 III B Ziff. 5 (Reichssteuerblatt -- RStBl. -- 1934 S. 1537 ff.) würden als Edelmetalle und Edelmetallegierungen auch deren chemische Verbindungen angesehen; da die Fixierbadlösungen mit Bromsilber und Chlorsilber gesättigt seien, stellten sie eine chemische Verbindung von Edelmetallen dar, während der daraus gewonnene Silberschlamm, der ein metallhaltiger Rückstand im Sinne von § 28 Abs. 2 Ziff. 12b UStDB 1938 sei, als Verhüttungsmaterial verwendet würde. § 29 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB nenne zwar seinem Wortlaut nach nur die Edelmetalle und Edelmetallegierungen, nicht aber die anderen in § 28 Abs. 2 Ziff. 9a a. a. O. genannten Materialien. Nach der Absicht des Gesetzgebers müsse jedoch angenommen werden, daß alle in § 28 Abs. 2 Ziff. 9a aufgeführten Gegenstände gemeint seien. Umsätze, die nicht unter § 29 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB fielen, würden jedenfalls nach der Ziff. 6 der genannten Vorschrift steuerfrei sein, weil es sich bei dem im Trockenofen zur Entfernung aller Feuchtigkeit erhitzten Silberschlamm, durch den der Silberschlamm zu Schwefelsilber werde, um Verhüttungsmaterial im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 12b UStDB 1938 handele, aus dem seine Abnehmer sodann im hüttenmännischen Verfahren Silber gewännen. Bei den von ihm verwandten gebrauchten Fixierbadlösungen als Ausgangsstoff sei die Überführung in Schwefelsilber ein unerläßlicher Zwischenvorgang, um reines Silber zu gewinnen.

Die Vorinstanzen haben die Steuerpflicht der hier streitigen Lieferungen bejaht und Einspruch und Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt Verletzung des § 4 Ziff. 4 UStG 1934 und der §§ 28, 29 UStDB 1938 durch die Vorinstanz, Gebrauchte Fixierbadlösungen fielen sowohl unter § 28 Abs. 2 Ziff. 9a als auch unter Ziff. 12b dieser Vorschrift. Entscheidend für die Zuordnung unter diese Bestimmungen sei die Verkehrsauffassung, die Abfälle und chemische Verbindungen von Edelmetallen dann als gegeben ansehe, wenn sich die Verkehrsfähigkeit dieser Gegenstände auf ihren Gehalt an Silber gründe. Gebrauchte Fixierbadlösungen, die für photographische Zwecke nicht mehr verwendbar seien, stellten wertlosen und unbrauchbaren Abfall dar, wenn man ihren Silbergehalt unberücksichtigt ließe. Wenn man mit dem Finanzgericht in der Fassung des § 29 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB 1938 eine Einschränkung gegenüber den im § 28 Abs. 2 Ziff. 9a a. a. O. aufgeführten Edelmetallgegenständen erblicke, so würde dies zur Folge haben, daß auch die Verarbeitung von Bruch und Abfällen von Edelmetallen nicht begünstigt sei; denn nicht nur "chemische Verbindungen von Edelmetallen", sondern auch "Bruch und Abfälle" würden im § 29 Abs. 1 Ziff. 3 nicht genannt.

Für seine Auffassung und zur Begründung der Steuerfreiheit aus § 29 Ziff. 6 UStDB 1938 nimmt der Bf. auf ein techniscl es Gutachten Bezug, wonach die Umarbeitung des Verhüttungsmaterials "Fixierbadlösungen" im Sinne von § 28 Abs. 2 Ziff. 12b im Wege eines hüttenmännischen Verfahrens als besonders zugelassene Bearbeitung nach § 29 Abs. 1 Ziff. 6 UStl B 1938 geschehe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Es kann dahingestellt bleiben, ob gebrauchte Fixier badlösungen chemische Verbindungen von Edelmetallen im Sinne von § 28 Abs. 2 Ziff. 9a UStDB 1938 darstellen, und ob die Bearbeitungsvorgänge im Unternehmen des Bf. entgegen dem Wortlaut des § 29 Abs. 1 Ziff. 3 a. a. O. zu den dort besonders zugelassenen Bearbeitungen und Verarbeitungen rechnen. Denn die Steuerfreiheit der hier streitigen Lieferungen von Schwefelsilber ergibt sich aus § 4 Ziff. 4 UStG in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Ziff. 12b und § 29 Abs. 1 Ziff. 6 und Abs. 2 UStDB 1938.

Aus dem Akteninhalt geht hervor, daß die Fixierbadlösungen jedenfalls Verhüttungsmaterialien, und zwar metallhaltige andere Rückstände im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 12b darstellen; sie enthalten, wie gutachtlich belegt und unbestritten ist, das Edelmetall Silber als chemische Verbindung, und zwar in der Form von Doppelsalzen (Natrium-Silberthiosulfaten) und sind beim Fixieren belichteter photographischer Platten oder Filme als Rückstand entstanden, dem nur, wie aus dem Geschäftsablauf im Unternehmen des Bf. hervorgeht, im Hinblick auf seinen Gehalt an Silber ein Verkehrswert zukommt, während die Lösungen dort, wo sie nur in geringem Umfang, z. B. beim Amateurphotographen, anfallen, als wertlos weggeschüttet werden (vgl. auch Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 12. März 1921 III U 2196, RStBl. 1921 S. 174). Es ist deshalb nur weiter zu prüfen, ob die Bearbeitungsmaßnahmen als Verhüttung auf das Edelmetall Silber angesehen werden können. Dies ist im Gegensatz zur Auffassung der Vorentscheidung zu bejahen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob ein sogenanntes naßmetallurgisches Verfahren schlechthin unter den Begriff "Verhüttung" fällt. Die Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen 1951 (vgl. § 30 Abs. 1 Ziff. 9 Satz 2) haben jedenfalls in Anpassung an die technische Entwicklung den im Urteil des Reichsfinanzhofs V 667/37 vom 24. August 1938 (RStBl. 1938 S. 917) als "Verarbeitung in der Schmelzhütte" umschriebenen Begriff als zu eng angesehen und auch das Laugen unter die begünstigten Arbeitsvorgänge eingereiht. Unter dem Geltungsbereich der hier anzuwendenden Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen 1938 muß der Vorgang aber jedenfalls als Aufbereitung, also als Vorstufe des eigentlichen Verhüttens angesehen werden und deshalb ohne weiteres unter den Verhüttungsbegriff fallen (vgl. das oben angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 24. August 1938). Denn die Bearbeitungsmaßnahmen des Bf. (Fällung im Ausfällbottich und Austrocknung des Silberschlamms im Trockenofen) haben, wie gleichfalls nicht bestritten ist, das ausschließliche Ziel, die Fixierbadlösungen in eine zur weiteren Verhüttung auf reines Silber geeignete Form zu bringen, wobei die nicht nutzbare Natriumverbindung von den zur Verhüttung auf Edelmetall geeigneten Stoffen abgetrennt wird. Daß derartige Vorgänge nicht unter den Begriff "Aufbereitung" und damit "Verhüttung" fallen sollen, ist weder den gesetzlichen Bestimmungen noch der Rechtsprechung oder dem einschlägigen Schrifttum zu entnehmen. Der auf diese Weise gewonnene Liefergegenstand Schwefelsilber rechnet aper, da er von den Abnehmern unmittelbar als Verhüttungsmaterial für die Silbergewinnung eingesetzt wird, zu den Zwischenerzeugnissen im Sinne des § 28 Abs 2 Ziff. 12c UStDB 1938, womit auch dem Erfordernis des § 29 Abs. 2 UStDB Genüge getan ist. Daß der Verhüttungsvorgang hier auf zwei verschiedene Unternehmen, den Bf., der die Aufbereitung des Zwischenerzeugnisses vornimmt, und seine Abnehmer, die die weitere Verhüttung auf Feinsilber besorgen, entfällt, steht, da im übrigen alle Voraussetzungen für die Anwendung des Verhüttungsvorrechts gegeben sind, der Steuerfreiheit der Lieferungen nicht entgegen (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Bundesfinanzhofs V 59/52 S vom 30. Juni 1953).

Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, war sie aufzuheben. Die Sache ist, da die sonstigen Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht streitig sind und der Akteninhalt zu Bedenken keinen Anlaß gibt, spruchreif. Demgemäß war der Bf. von der Umsatzsteuer für II/1948 und 1949 freizustellen.

Der Bf. hat mündliche Verhandlung beantragt. Es erscheint angezeigt, gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung zunächst ohne eine solche zu entscheiden.

 

Fundstellen

BStBl III 1953, 300

BFHE 1954, 25

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