Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Haben Arbeitnehmer arbeitsrechtlich einen Anspruch auf Gestellung von Berufskleidung, so ist eine aus betrieblichen Gründen gewährte Barablösung für diesen Anspruch nicht lohnsteuerpflichtig, wenn der Barleistung im Durchschnitt etwa ein gleich hoher beruflicher Aufwand der Arbeitnehmer gegenübersteht und die Verwendung der Ablösung zu dem bestimmten Zweck sichergestellt ist.

 

Normenkette

EStG § 19; LStDV § 2 Abs. 1; LStR Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 1

 

Tatbestand

Die Bgin. betreibt eine Obstkelterei. Sie beschäftigt 10 Angestellte und 39 Arbeiter. Bis November 1962 stellte sie ihren Arbeitern die Berufskleidung, bestehend aus Gummihandschuhen, Stiefeln und Latzhosen. Seit November 1962 zahlte sie den Arbeitern je Arbeitsstunde einen Kleiderzuschlag von 10 Pfennigen, im Jahresdurchschnitt je rund 120 DM. Nach Angabe der Bgin. fährt sie dabei besser als vorher, weil die Arbeitnehmer als Eigentümer mit der Schutzkleidung schonender verführen. Außerdem fielen Verluste durch Abhandenkommen der Kleidung weg, da jeder auf seine eigene Kleidung mehr achte. Sie sei zudem den Lizenzgebern gegenüber verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Arbeiter aus hygienischen Gründen bei der Fruchtsaftherstellung und Fruchtsaftabfüllung Schutzkleidung trügen. Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid, mit dem das Finanzamt 1.273 DM an Lohnsteuer von der Bgin. als Arbeitgeberin gefordert hatte, blieb erfolglos.

Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Urteil in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1965 S. 127 veröffentlicht ist, stellte die Zuschüsse für Berufskleidung lohnsteuerfrei. Es führte unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats VI 197/60 U vom 10. November 1961 (BStBl 1962 III S. 50, Slg. Bd. 74 S. 130), betreffend das Waschgeld bei Kaminkehrergesellen, aus: Die Arbeiter hätten unter dem Gesichtspunkt der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht in erster Linie einen Anspruch auf unentgeltliche überlassung von Schutzkleidung. Als Ersatz für die Erfüllung dieses Anspruchs gewährte die Bgin. die Barabfindung. Diese Form der Erfüllung des Anspruchs liege nicht in erster Linie im Interesse der Arbeitnehmer, sondern im Interesse der Bgin. selbst. Der Höhe nach sei der Zuschuß so bemessen, daß die Arbeitnehmer ihn tatsächlich auch voll für die Schutzkleidung verwenden müßten. Die für jeden Arbeitnehmer aufgewandten Beträge seien niedriger als die Beträge, die die Bgin. früher für die Beschaffung der Schutzkleidung ausgegeben habe. Eine Zweckentfremdung des Barzuschusses sei so gut wie ausgeschlossen, zumal den Arbeitnehmern das Tragen der Kleidung nicht etwa freigestellt sei.

Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb. unrichtige Rechtsanwendung. Nach Abschnitt 2 Abs. 2 Ziff. 1 LStR sei nur die Gewährung von Berufskleidung steuerfrei, die für die Dauer des Dienstes zur Verfügung gestellt werde. Ein Arbeitnehmer könne seinen eigenen Aufwand für Schutzkleidung nur als Werbungskosten geltend machen. Zweckgebundene Geldzuwendungen habe der Gesetzgeber lediglich bei den Einkleidungsbeihilfen der Bundeswehr und gleichgestellter Formationen freigestellt (§ 3 Ziff. 4 b EStG 1961 - 1963 -). Das Kleidergeld stehe auch nicht einem Auslagenersatz gleich; denn die Arbeitnehmer erwürben die Schutzkleidung für sich selbst. Bedeutsam sei auch, daß das Kleidergeld nicht in einer festen Summe, sondern in Form eines Aufschlags zum Stundenlohn gewährt werde. Wenn man solche Aufschläge zum Stundenlohn lohnsteuerfrei ließe, würde in der Wirtschaft bald mit anderen Aufwendungen ähnlich verfahren werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Wenn lohnsteuerfreie Sachleistungen durch Barleistungen abgelöst werden, ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Barleistungen ebenso lohnsteuerfrei sind wie die vorher gewährten Sachleistungen oder ob sie zunächst als Teil des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns anzusetzen sind, die Arbeitnehmer aber entsprechende Werbungskosten geltend machen und auf der Lohnsteuerkarte eintragen lassen können. Zu diesen Fragen hat der Senat in den Urteilen VI 197/60 U (a. a. O.), betreffend das Waschgeld, das Kaminkehrergesellen erhalten, und VI 69/62 U vom 4. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 562, Slg. Bd. 77 S. 660), betreffend Barzuwendungen an Arbeitnehmer bei Betriebsausflügen, Stellung genommen. Entscheidend ist vor allem, daß die Barzuwendungen ebenso wie die früheren Sachleistungen nicht zweckentfremdet werden können, daß betriebliche Gründe für die Ablösung der Sachleistungen durch Barbeträge dargetan sind und daß den Barzuwendungen im Durchschnitt etwa ein gleich hoher beruflicher Aufwand der Arbeitnehmer gegenübersteht. Wenn die Form als Zuschlag zum Arbeitsstundenverdienst gewählt wird, so ist das unschädlich, wenn, wie im Streitfall, angenommen werden kann, daß die Schutzkleidung um so eher verschleißt, je länger sie täglich benutzt wird. Eine private Benutzung der Schutzkleidung ist ausgeschlossen, da sie nach Arbeitsschluß im Betrieb zurückbleibt.

Der betrieblichen Rationalisierungs- und Einsparungsmaßnahme, die die Bgin. getroffen hat, kann das Finanzamt nicht mit der Erwägung entgegentreten, daß andere Betriebe mit ähnlichen Barzuwendungen Mißbrauch treiben könnten. Die Steuerbehörden haben ausreichende Möglichkeiten zu prüfen, ob sich im einzelnen Fall unter angeblich zweckbestimmten Barzuwendungen steuerpflichtiger Lohn verbirgt.

Ohne Rechtsverstoß hat daher das Finanzgericht die Voraussetzungen einer nicht lohnsteuerpflichtigen zweckbestimmten Barzuwendung bejaht. Soweit sich aus Abschnitt 2 Abs. 2 Ziff. 1 LStR 1963 etwas anderes ergeben sollte, ist die in dieser Verwaltungsanweisung niedergelegte Rechtsauffassung der Bundesregierung für die Steuergerichte nicht bindend.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411832

BStBl III 1966, 75

BFHE 1966, 205

BFHE 84, 205

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