Leitsatz (amtlich)

Die für die Umsatzsteuer entwickelten Grundsätze über die Unternehmereinheit können auf den Händlerbegriff des Haushaltssicherungsgesetzes 1965 nicht übertragen werden.

 

Normenkette

HSG vom 20. Dezember 1965 Art. 21 § 2 (BGBl I, 2065)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger – Kläger – waren zu gleichen Anteilen an zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und an fünf offenen Handelsgesellschaften beteiligt, die sich u. a. mit dem Handel von Branntwein befaßten. Jede der sieben Gesellschaften hatte am 1. Januar 1966 einen Branntweinbestand, der innerhalb der Freigrenze des Art. 21 § 2 des Haushaltssicherungsgesetzes (HSG) vom 20. Dezember 1965 (BGBl I, 2065) lag, während die Summe ihrer Bestände diese Grenze überschritt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt – HZA –) vertrat die Auffassung, diese sieben Firmen seien steuerrechtlich als einheitliches Unternehmen zu behandeln, und erließ einen an die Kläger gerichteten Steuerbescheid, mit dem es gegen diese als Unternehmergruppe eine Branntweinnachsteuer gemäß Art. 21 § 2 HSG festsetzte. Es führte aus, die Gewährung von Freimengen für die einzelnen Betriebe komme wegen ihrer unternehmerischen Verbundenheit nicht in Betracht.

Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid blieben erfolglos. In dem finanzgerichtlichen Urteil ist ausgeführt: Zwischen den sieben Gesellschaften bestehe Unternehmereinheit. Dieser von der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Umsatzsteuer entwickelte Begriff gelte nicht nur für das Umsatzsteuerrecht, sondern könne auch auf andere Rechtsgebiete angewandt werden. Dem stehe das Haushaltssicherungsgesetz nicht entgegen. Zwar verwende es nicht den Begriff des Unternehmers, sondern den Begriff Händler. Der Begriff des Händlers werde aber von dem des Unternehmers mitumfaßt. Jeder selbständige Händler sei Unternehmer. Das Unternehmen des Händlers umfasse dessen gesamte gewerbliche Tätigkeit. Insoweit unterscheide sich der Begriff des Unternehmers nicht von dem des Händlers. Dadurch sei es gerechtfertigt, die für die Umsatzsteuer entwickelten Grundsätze über die Unternehmereinheit im Rahmen des Haushaltssicherungsgesetzes auch auf dem Gebiet der Branntweinsteuer anzuwenden, zumal es sich bei der Branntweinsteuer wie bei der Umsatzsteuer um eine allgemeine Verbrauchsteuer handele.

Diese Beurteilung entspreche auch der im Steuerrecht herrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise, nach der die bürgerlich-rechtlichen Formen in allen Fällen außer acht zu lassen seien, in denen gleiche wirtschaftliche Vorgänge und Gegebenheiten eine gleiche steuerliche Behandlung erforderten. Ob eine Personengruppe einen Betrieb habe oder ob sie mehrere bürgerlich-rechtlich selbständige Betriebe führe, sei wirtschaftlich belanglos. Es widerspräche der steuerlichen Gerechtigkeit, die Branntweinbestände in dem einen Falle zur Nachsteuer heranzuziehen, in dem anderen Falle aber steuerfrei zu belassen, nur weil in diesem Falle mehrere bürgerlich-rechtlich selbständige Gesellschaften bestünden.

Mit der Revision machen die Kläger geltend, das finanzgerichtliche Urteil verkenne die Grenzen für die Anwendung des Begriffs der Unternehmereinheit.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Zu Unrecht hat das HZA die Branntweinbestände aus dem Besitz der sieben zu der Unternehmergruppe zählenden Handelsgesellschaften zusammengerechnet und die Inhaber als Unternehmergruppe zur Nachversteuerung des Branntweins herangezogen.

Die Steuerschuld nach Art. 21 § 2 HSG trifft nicht die Unternehmergruppe, sondern die zu der Unternehmergruppe zählenden Handelsgesellschaften selbst. Das ergibt sich daraus, daß die Steuerschuld an den Besitz der nachzuversteuernden Branntweinbestände gebunden war. Steuerschuldner war gemäß Art. 21 § 2 HSG der Hersteller oder Händler, der die nachsteuerpflichtige Ware in unmittelbarem oder mittelbarem Besitz hatte. Wer Steuerschuldner geworden ist, ist demnach abhängig von den bürgerlich-rechtlichen Besitzverhältnissen an dem nachzuversteuernden Branntwein.

Bei der Beurteilung der besitzrechtlichen Lage ist zu unterscheiden zwischen den Gesellschaften mit beschränkter Haftung und den offenen Handelsgesellschaften.

Was die zu den juristischen Personen gehörenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung anlangt, so ist ihre Besitzfähigkeit in Literatur und Rechtsprechung uneingeschränkt anerkannt (vgl. Staudinger-Seuffert, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 854, Anm. 26). Die juristische Person übt ihren Besitz unmittelbar durch ihre satzungsgemäßen Organe aus. Rechtshandlungen der Organe werden der Gesellschaft als eigene Handlung zugerechnet. Besitzer sind nicht die Organe, also die geschäftsführenden Gesellschafter, sondern die Gesellschaft selbst. Die Gesellschafter haben dagegen weder unmittelbaren noch mittelbaren Besitz an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens. Die Branntweinnachsteuer, die an den Besitz der nachzuversteuernden Branntweinbestände geknüpft ist, kann deshalb nicht die Gesellschafter, sondern nur die Gesellschaft als solche treffen.

Was die handelsrechtlichen Personengesellschaften angeht, so ist ihre besitzrechtliche Lage umstritten. Während der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH im Urteil vom 26. Mai 1967 V ZR 73/66 (Juristenzeitung 1968 S. 69 – JZ 1968, 69 –) ohne weiteres davon ausgegangen ist, daß die offene Handelsgesellschaft selbst Besitzerin der Gesellschaftsgegenstände ist, hat der VIII. Zivilsenat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1971 VIII ZR 48/70 (BGHE 57, 166) diese Frage offengelassen. In der Literatur wird weitgehend die Ansicht vertreten, daß nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter Besitzer der zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstände werden. Da der Besitz die tatsächliche Sachherrschaft darstellt, neigt der Senat dazu, auch den handelsrechtlichen Personalgesellschaften eine selbständige Besitzfähigkeit zuzusprechen, zumal die handelsrechtlichen Personalgesellschaften sich in ihrer tatsächlichen Struktur und in ihrem Auftreten nach außen (§ 124 HGB) von den Kapitalgesellschaften nicht unterscheiden. Diese zivilrechtliche Streitfrage ist aber für die Entscheidung des vorliegenden Steuerrechtsstreits letztlich nicht erheblich, da in dem angefochtenen Steuerbescheid weder die Gesellschaften noch die Gesellschafter als solche, sondern die Gesellschafter in ihrer unternehmerischen Verbundenheit als Unternehmergemeinschaft zur Branntweinnachsteuer herangezogen worden sind. Eine selbständige Besitzfähigkeit kommt einer Unternehmergemeinschaft, wenn sie nicht als solche in die Form einer Kapital- oder Personalgesellschaft gekleidet ist, nicht zu. Eine Unternehmergemeinschaft besitzt keine Rechtspersönlichkeit und kann deshalb auch keinen selbständigen Besitz an Gegenständen des Unternehmens innehaben. Damit ist eine Heranziehung der Unternehmergemeinschaft zur Branntweinnachsteuer, die den Besitz an den zu versteuernden Branntweinbeständen voraussetzt, ausgeschlossen.

Dem steht nicht entgegen, daß eine Unternehmergruppe im Umsatzsteuerrecht von der Rechtsprechung als selbständiger Zusammenschluß anerkannt ist. Die Anerkennung einer selbständigen Rechtsfähigkeit für die Unternehmergruppe als Unternehmereinheit ist von der Rechtsprechung für spezifisch umsatzsteuerrechtliche Fragen entwickelt worden. Es handelt sich um ein ausschließlich umsatzsteuerrechtliches Institut, das auf andere Gebiete des Steuerrechts nur dann übertragen werden kann, wenn die gesetzliche Regelung Anhaltspunkte dafür bietet. Solche Anhaltspunkte sind aber in dem Haushaltssicherungsgesetz nicht gegeben. Der in Art. 21 § 2 verwendete Begriff Händler ist mit dem umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriff nicht gleichzusetzen, da der Begriff Händler kein gewerbliches Unternehmen voraussetzt (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11. Januar 1972 VII R 62/69, BFHE 104, 399). Somit können die für die Umsatzsteuer entwickelten Grundsätze über die Unternehmereinheit, die eine Zusammenfassung der gesamten gewerblichen Tätigkeit einer Unternehmergruppe bezwecken, auf den Händlerbegriff des Haushaltssicherungsgesetzes nicht übertragen werden. Das ist auch deshalb nicht möglich, weil das Institut der Unternehmereinheit dem Branntweinsteuerrecht unbekannt ist. Die von der Klägerin betriebenen Handelsgesellschaften werden, wie die Kläger zu Recht hervorheben, verbrauchsteuerrechtlich getrennt geführt und als selbständige Gesellschaften behandelt. Sie können nicht ausschließlich für die Branntweinnachversteuerung zu einem einheitlichen Unternehmen zusammengefaßt werden.

Auch der Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann eine Zusammenfassung der Branntweinbestände der von den Klägern betriebenen Handelsgesellschaften nicht rechtfertigen. Das Haushaltssicherungsgesetz hatte jedem Händler eine Freigrenze von 1 000 Flaschen Branntwein eingeräumt. Diese Freigrenze galt auch dann, wenn mehrere rechtlich selbständige Handelsfirmen wirtschaftlich miteinander verbunden waren. Die wirtschaftliche Verbindung rechtfertigt nicht, die gesetzlich für jeden Händler vorgesehene Freigrenze zu versagen.

 

Fundstellen

BFHE 1974, 76

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