Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Wertpapiersteuerpflicht, wenn bei Ausgabe von Schuldverschreibungen auf Grund eines "Umtauschangebots" Schuldverschreibungen einer früheren Anleihe in Zahlung genommen werden.

 

Normenkette

KVStG § 11 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Teil der von der Beschwerdegegnerin (Bgin.) im Jahre 1956 ausgestellten Schuldverschreibungen lediglich zum Zwecke des Umtausches ausgestellt worden ist und ob demgemäß insoweit ein erster Erwerb im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) nicht vorliegt.

Die Bgin. gab im Jahre 1956 eine mit 8 v. H. verzinsliche Anleihe von 25 000 000 DM aus. Nach dem Verkaufsangebot waren die Anleihebedingungen folgende: Die Laufzeit der Anleihe beträgt 20 Jahre. Die Anleihe ist nach fünf tilgungsfreien Jahren in 15 Jahren durch jährliche Auslosung zu tilgen. Die erste Rückzahlungsrate ist am 1. August 1962 fällig, so daß die gesamte Anleihe spätestens am 1. August 1976 getilgt sein wird. Die Anleihe ist eingeteilt in Teilschuldverschreibungen im Nennwert von 5 000 DM, 1 000 DM, 500 DM und 100 DM. Sie sollte durch Eintragung einer erststelligen Gesamtsicherungshypothek auf Grundbesitz, Gebäuden und Anlagen der Bgin. gesichert werden. Die Bgin. meldete zur Festsetzung der Wertpapiersteuer als von einem Bankenkonsortium als erstem Erwerber übernommen zunächst den Erwerb von Teilschuldverschreibungen in Höhe von 22 090 750 DM an. Für diesen ersten Erwerb wurde rechtskräftig die Wertpapiersteuer festgesetzt. Die restlichen Teilschuldverschreibungen in Höhe von 2 909 250 DM waren nach dem Vorbringen der Bgin. für den Umtausch früherer, mit 4 v. H. verzinslicher Anleihen der Bgin. bestimmt. In den Akten des Finanzamts befindet sich außer dem von dem Bankenkonsortium unterzeichneten Verkaufsangebot über eine Anleihe von 25 000 000 DM eine von der Bgin. unterzeichnete Kündigung, die sich auf die bis dahin noch nicht ausgelosten Teilschuldverschreibungen früherer Anleihen bezieht, sowie ein Umtauschangebot an die Inhaber dieser Teilschuldverschreibungen.

Die Bedingungen der früheren Anleihen, die bereits auf DM umgestellt und (Anleihe I) in Stücke von 1 000 DM, 100 DM und 50 DM sowie (Anleihe II) in Stücke von 500 DM und 100 DM eingeteilt waren, sahen hinsichtlich der Tilgung unter anderem folgendes vor: Die Tilgung der Anleihe I sollte am 1. Oktober 1955 wieder aufgenommen werden. An diesem Tage sowie am 1. Oktober der Jahre 1956 und 1957 sollten neben den planmäßig fälligen auch die für die Jahre 1948 bis einschließlich 1954 nachzuholenden planmäßigen Tilgungen gemäß dem in den Bedingungen abgedruckten Tilgungsplan fällig werden. Auch am 1. Oktober der späteren Jahre sollten weitere planmäßige Tilgungsraten fällig werden. Die letzte Rückzahlung sollte spätestens am 1. Oktober 1967 stattfinden. Die Rückzahlung der Anleihe II war ähnlich geregelt. Nach den für diese Anleihe maßgebenden Bedingungen sollte die letzte Rückzahlung spätestens am 1. Dezember 1973 stattfinden. Nach den Bedingungen der beiden früheren Anleihen war die Bgin. berechtigt, diese Anleihen frühestens zum 1. Oktober 1955 bzw. 1. Dezember 1955 zu kündigen. Nicht berechtigt war die Bgin., vor völliger Tilgung der früheren Anleihen eine neue Anleihe auszugeben, die deren Inhabern bessere Rechte auf das Vermögen der Bgin. eingeräumt hätte, als den Inhabern von Schuldverschreibungen der früheren Anleihen zustanden.

Die Bgin. hat noch vorgetragen, der Umtausch sei von dem Bankenkonsortium, das eine Verpflichtung bis zur Höhe von 25 000 000 DM übernommen habe, in ihrem Auftrage und für ihre Rechnung durchgeführt worden. Da die früheren Anleihen nur in einem Gesamtbetrage von 2 090 675 DM umgetauscht worden seien, habe das Konsortium demgemäß auch noch den Unterschiedsbetrag von 2 909 250 DM abzüglich 2 090 675 DM = 818 575 DM übernommen. Diesen Betrag meldete die Bgin. zur Nachversteuerung an. Sie ist der Meinung, daß nur noch für diesen Betrag Wertpapiersteuer in Höhe von 1,5 v. H. festzusetzen sei.

Das Finanzamt ist der Ansicht, daß ein erster Erwerb im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG hinsichtlich des vollen Anleihebetrages vorliege, mithin auch der Anleihebetrag von 2 090 675 DM der Wertpapiersteuer unterliege. Daher stellte es den der Wertpapiersteuer noch zugrunde zu legenden Betrag auf (818 575 DM + 2 090 675 DM =) 2 909 250 DM fest und forderte hierfür die Wertpapiersteuer.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht gab der Berufung der Bgin. statt. Es verneinte einen ersten Erwerb im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG hinsichtlich des Anleihebetrages von 2 090 675 DM. In seiner Begründung stützt sich das Finanzgericht auf die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 594/31 vom 19. Juli 1933 (RStBl 1933 S. 1095, Slg. Bd. 34 S. 86) und II 108/41 vom 22. Oktober 1942 (RStBl 1943 S. 37, Slg. Bd. 52 S. 212).

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 und 1955 unterliegt der Wertpapiersteuer der Erwerb verzinslicher Forderungsrechte gegen einen inländischen Schuldner durch den ersten Erwerber, wenn die Forderungsrechte in Schuldverschreibungen verbrieft sind. Das KVStG vom 8. April 1922 (RGBl I S. 354) enthielt im § 32 die folgende, dem § 14 Abs. 2 des Reichsstempelgesetzes vom 3. Juli 1913 (RGBl S. 639) entsprechende Vorschrift: "Wertpapiere, die lediglich zum Zwecke des Umtausches, d. h. behufs Erneuerung der Urkunde ohne Veränderung des ursprünglichen Rechtsverhältnisses ausgestellt worden sind, bleiben steuerfrei, wenn die zum Umtausch gelangenden Wertpapiere ordnungsmäßig versteuert oder steuerfrei sind." Diese Vorschrift, auf die sich die Bgin. zur Begründung ihrer Auffassung bezieht, ist im KVStG 1934 und 1955 nicht mehr enthalten. Nach der Begründung zum KVStG 1934 (RStBl 1934 S. 1460, insbesondere S. 1470) hatte der § 32 lediglich die Bedeutung einer gesetzlichen Klarstellung, auf die das neue Gesetz habe verzichten können. Es ist also die im § 32 KVStG 1922 vorgeschriebene Steuerbefreiung beim Vorliegen derselben Voraussetzungen auch ohne eine solche Vorschrift nach dem jetzigen KVStG gegeben, d. h. es gilt das, was in dieser Vorschrift gesagt war, auch noch unter der Herrschaft des jetzigen KVStG. Hiernach ist keine Steuerpflicht gegeben, wenn die Wertpapiere lediglich zum Umtausch, "d. h. behufs Erneuerung der Urkunde ohne Veränderung des ursprünglichen Rechtsverhältnisses" ausgestellt worden sind. Das trifft im Streitfall nicht zu. Im Streitfall sind auch die den Gläubigern der früheren Anleihen angebotenen Schuldverschreibungen im Rahmen der Gesamtanleihe, die mit einem Betrage von 25 000 000 DM begeben wurde, ausgestellt worden. Das ergibt sich schon aus dem "Verkaufsangebot" des Bankenkonsortiums vom August 1956, das über 25 000 000 DM lautete. Nach der Angabe der Bgin. hatte das Bankenkonsortium sich außerdem "bis zur Höhe von 25 000 000 DM verpflichtet". Daraus ist zu entnehmen, daß die Kapitalbeschaffung von 25 000 000 DM im Vordergrund aller Überlegungen stand, die bei der Begebung der Anleihe angestellt wurden. Die Kapitalbeschaffung im Wege einer neuen Anleihe setzte die Tilgung der früheren Anleihen voraus, wenn die Bgin. den Gläubigern der neuen Anleihe eine bessere Sicherheit als den Gläubigern der früheren Anleihen einräumen wollte. Nach alledem läßt sich nicht sagen, daß die neuen Teilschuldverschreibungen auch nur zum Teil, d. h. soweit sie gegen Schuldverschreibungen der früheren gekündigten Anleihen hingegeben wurden, lediglich zum Zwecke des Umtausches ausgestellt worden sind, zumal im Zeitpunkt der Ausstellung der Schuldverschreibungen noch völlig ungewiß war, ob und inwieweit die Gläubiger der früheren Anleihen von dem "Umtauschangebot" Gebrauch machen würden. Zweck der Ausgabe der Anleihe von 25 000 000 DM war somit - auch teilweise - nicht der Umtausch der früheren gegen die neuen Wertpapiere; vielmehr wurde neben der Ausgabe der neuen Schuldverschreibungen, die der Kapitalbeschaffung in einem erheblichen Umfange dienen sollte, der Versuch unternommen, mit den Gläubigern der früheren Anleihen, die die Bgin. tilgen wollte, eine Vereinbarung über die Übernahme der neuen Schuldverschreibungen gegen die Inzahlunggabe der früheren zu treffen. Auf die Bedeutung dieser Gesichtspunkte hat bereits der Reichsfinanzhof zu Recht im Urteil II A 230/21 vom 30. Juni 1921 (Slg. Bd. 6 S. 148) hingewiesen. Wenn das Finanzgericht, ohne auf dieses Urteil des Reichsfinanzhofs einzugehen, seine Entscheidung auf die oben angegebenen späteren Urteile des Reichsfinanzhofs stützen zu können glaubte, so hat es hierbei nicht berücksichtigt, daß es sich bei diesen späteren Entscheidungen um anders gelagerte Tatbestände handelte. In dem Urteil II A 594/31 vom 19. Juli 1933 hat der Reichsfinanzhof ausdrücklich betont, die Bezugnahme auf das Urteil II A 230/21 vom 30. Juni 1921 passe nicht, weil es sich dort nicht um Pfandbriefe einer Hypothekenbank, für die nach der Entscheidung des Reichsfinanzhofs II A 594/31 vom 19. Juli 1933 die Vorschriften des Hypothekenbankgesetzes zu beachten waren, sondern um Teilschuldverschreibungen einer AG gehandelt habe. In dem Fall des Urteils II 108/41 vom 22. Oktober 1942 entsprach die neue RM-Anleihe der Höhe nach nahezu der noch in Umlauf befindlichen 3 500 000 GM-Anleihe, auf die lediglich 134 000 RM, also weniger als 4 v. H. der neuen Anleihe bar gezeichnet wurden. Im Streitfall dagegen wurden auf die Anleihe von 25 000 000 DM bar 22 909 325 DM, also mehr als 91 v. H. gezeichnet und lediglich 2 090 675 DM Schuldverschreibungen der früheren Anleihen in Zahlung gegeben.

Darüber hinaus ist festzustellen, daß der Kapitalmarkt auch durch die Ausgabe der hier streitigen Schuldverschreibungen tatsächlich in Anspruch genommen wurde, was ja den Gegenstand der Besteuerung nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG bildet (vgl. die Begründung zum KVStG 1934, RStBl 1934 S. 1460, 1470). Die neue Anleihe ist erst nach fünf tilgungsfreien Jahren, frühestens also ab 1961, durch jährliche Auslosung in 15 Jahren zu tilgen. In diesen fünf tilgungsfreien Jahren hätte bereits ein Teil der noch nicht ausgelosten Schuldverschreibungen der früheren Anleihen getilgt werden müssen. Die letzte Rückzahlung der neuen Anleihe wird am 1. August 1976 fällig, während die letzte Tilgungsrate der Anleihe I am 1. Oktober 1967 und die der Anleihe II am 1. Dezember 1973 zu leisten gewesen wäre. Mit der Ausgabe der Schuldverschreibungen, die für in Zahlung gegebene Schuldverschreibungen der früheren Anleihen hingegeben wurden, wird hiernach ebenfalls der Kapitalmarkt für eine nicht unerhebliche Zeit in Anspruch genommen. Auch bei einer Betrachtungsweise im Sinne des KVStG, wie sie das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 594/31 vom 19. Juli 1933 im Auge hat, muß somit die Steuerpflicht hinsichtlich des Betrages von 2 090 675 DM bejaht werden.

Nicht unbeachtlich für die Beurteilung des Streitfalles ist außerdem, daß nach dem Umtauschangebot der Bgin. die Inhaber der Teilschuldverschreibungen der früheren Anleihen, die von dem Umtauschangebot Gebrauch machten, bei Inzahlunggabe von Teilschuldverschreibungen der früheren Anleihen außer den Teilschuldverschreibungen der neuen Anleihe eine Barvergütung erhielten.

Nach dem Gesamtbild des Falles rechtfertigt sich mithin die getroffene Entscheidung. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409370

BStBl III 1959, 401

BFHE 1960, 376

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