Leitsatz (amtlich)

Ein Erlaß nach § 129 LAG kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Grundstück auf Antrag des Abgabeschuldners gemäß § 111 Abs. 5 Nr. 2 LAG aus der Haftung für die HGA als öffentliche Last entlassen wurde.

 

Normenkette

LAG § 111 Abs. 5 Nr. 2, § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1; AO a.F. § 272

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Erlaß wegen ungünstiger Ertragslage nach § 129 LAG ausgesprochen werden kann, wenn die Abgabeverpflichtung nicht in der Form einer öffentlichen Last auf dem Grundstück ruht.

Der Abgabeschuldner (Revisionskläger) war als Eigentümer eines belasteten Grundstücks unanfechtbar zur HGA herangezogen worden. Im Jahre 1954 hatte er beantragt, das Grundstück aus der Haftung für die öffentliche Last zu entlassen, weil er die erste Rangstelle der Abteilung III des Grundbuchs für die Aufnahme einer weiteren Hypothek benötigte. Nachdem der Abgabeschuldner die persönliche Abgabeverpflichtung übernommen hatte, entließ das FA das Grundstück nach § 111 Abs. 5 Nr. 2 LAG aus der Haft für die öffentliche Last. Der Abgabeschuldner mußte statt dessen eine (zweitrangige) Sicherungshypothek zugunsten der Bundesrepublik Deutschland eintragen lassen.

Der Abgabeschuldner beantragte für den Zeitraum 1956 bis 1958 einen Erlaß der Abgabe nach § 129 LAG. Das FA lehnte den Antrag ab, weil ein Erlaß nach § 129 LAG nur möglich sei, wenn die Abgabeschuld in Form der öffentlichen Last auf dem Grundstück ruhe.

Der Einspruch und die Berufung, mit der erstmals der Erlaßantrag auch auf § 131 LAG gestützt wurde, blieben ohne Erfolg. Das FG führte in der Vorentscheidung im wesentlichen aus, ein Erlaß nach § 129 LAG komme nur in Betracht, wenn die Abgabeschuld als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhe. Daß der Abgabeschuldner seine persönliche Verpflichtung nach der Haftentlassung hypothekarisch habe absichern lassen, führe nicht zu einem Rechtszustand, der dem der öffentlichen Last ähnele. Der Abgabeschuldner müsse die für ihn nachteiligen Folgen der Haftentlassung in Kauf nehmen, da er auch deren Vorteile auf eigenen Antrag in Anspruch genommen habe. § 131 LAG komme zumindest deshalb nicht zum Zuge, weil dem Abgabeschuldner auch bei voller Entrichtung der Abgabeleistungen unzweifelhaft der für eine bescheidene Lebensführung unerläßliche Betrag verbleibe.

Mit der Rb., die seit dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, rügt der Abgabeschuldner Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil er zu dem Entscheidungstermin nicht geladen worden sei. Auch habe das FG den Streitwert zu hoch festgesetzt. Schließlich sei die Vorentscheidung sachlich unrichtig. Sie werde dem Sinn des Geestzes und dem Willen des Gesetzgebers nicht gerecht. Wenn, wie hier, die dingliche Sicherung - allerdings an anderer Ranggstelle - geblieben sei, müßten die Erlaßmöglichkeiten wie für die HGA als öffentliche Last bestehen bleiben, weil "das Grundstück mit verhaftet" geblieben sei. Der in §§ 129, 131 LAG vorgesehene Fall der Ertragslosigkeit oder Ertragsschwäche sei nachweislich gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg.

1. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht gegeben. Das FG-Urteil wurde im Jahre 1964 erlassen. Nach dem damals geltenden § 272 AO konnte das FG eine mündliche Verhandlung anordnen. Diese Vorschrift ist mit dem Grundgesetz vereinbar; denn der in Art. 103 Abs. 1 GG normierte Anspruch auf rechtliches Gehör begründet nicht schon ein unabdingbares Recht auf eine mündliche Verhandlung (vgl. Beschluß des BVerfG 1 BvR 53/54 vom 25. Mai 1956, BVerfGE 5, 9 [11]). Für die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung von Amts wegen bestand im Steitfall keine Veranlassung, weil es hier nur um die Entscheidung einer Rechtsfrage ging. Einen Antrag auf mündliche Verhandlung hat der Abgabeschuldner nach Aktenlage nicht gestellt. Er behauptet dies auch nicht. Das FG hat demnach keinen Antrag des Abgabeschuldners in unzulässiger Weise übergangen.

2. Nach § 129 Abs. 1 LAG sind fällige Leistungen aus einer Abgabeschuld, die nach § 111 LAG als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag zu erlassen. Mit der Entlassung des Grundstücks aus der Haft für die öffentliche Last ist die Voraussetzung für eine Anwendung des § 129 Abs. 1 LAG entfallen. Eine extensive Auslegung der genannten Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus ist nach Auffassung des Senats nicht möglich.

Aus einem Vergleich der Vorschriften des § 129 und des § 131 LAG ist zu entnehmen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein Erlaß nach § 131 LAG in Betracht kommen kann, wenn das Grundstück aus der Haftung für die öffentliche Last entlassen ist. Hätte der Gesetzgeber in Fällen des § 111 Abs. 5 Nr. 2 LAG auch den Erlaß nach § 129 LAG für zulässig erachtet, hätte er dies, wie in § 131 LAG geschehen, in § 129 LAG zum Ausdruck gebracht. Diese durch den Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung ist auch sachlich gerechtfertigt. Die HGA als öffentliche Last ruht auf dem Grundstück; sie ist in jeder Hinsicht objektbezogen. Dementsprechend setzt der Erlaß der HGA als öffentliche Last gemäß § 129 LAG eine wirtschaftliche Ertragsberechnung hinsichtlich des Grundstücks voraus, mit der festgestellt werden soll, ob und in welcher Höhe die HGA aus einem Grundstücksüberschuß beglichen werden kann (vgl. Urteil des Senats III 13/64 vom 3. November 1967, BFH 91, 117, BStBl II 1968, 229). Ein Erlaß nach § 129 LAG kommt also nur insoweit in Betracht, als die HGA als öffentliche Last aus dem Grundstücksüberschuß nicht gedeckt werden kann. Demgegenüber ergibt sich aus § 131 LAG eine Erlaßmöglichkeit, obwohl ein Grundstücksüberschuß vorhanden ist, aus dem die HGA-Leistungen erbracht werden könnten, aber deshalb nicht erbracht werden können, weil der Grundstücksertrag für den Lebensunterhalt des Abgabeschuldners benötigt wird. Bei der Erlaßmöglichkeit gemäß § 131 LAG hat es der Gesetzgeber mithin nicht mehr allein auf die Ertragslage des Grundstücks abgestellt, sondern auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabeschuldners. Ist hiernach die objektive Ertragslage des Grundstücks nicht mehr ausschlaggebend für den Erlaß, dann bedurfte es auch keiner Beschränkung des Erlasses auf die objektbezogene HGA, d. h. auf die HGA als öffentliche Last. Die Erlaßmöglichkeit war vielmehr auch auf Leistungen von HGA auszudehnen, die nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen, also auch auf die persönliche Abgabeverpflichtung gemäß § 111 Abs. 5 Nr. 2 LAG. Der Abgabeschuldner ist im Streitfall eine persönliche Abgabeverpflichtung eingegangen und hat darüber hinaus auf dem ursprünglich mit der HGA als öffentlicher Last belasteten Grundstück nunmehr in gleichem Umfang eine Sicherungshypothek eintragen lassen. Auch der Abgabeschuldner hat also eine durch ein Grundpfandrecht gesicherte Abgabelast zu erfüllen. Diese Abgabeverpflichtung ist jedoch nicht mit der öffentlichen Last der HGA vergleichbar, so daß die Grundsätze des § 129 LAG nicht angewandt werden können. Zutreffend hat das FG insoweit ausgeführt, die im Streitfall nach § 111 Abs. 5 Nr. 2 LAG bestehende persönliche Abgabeverpflichtung sei vom Grundstück losgelöst; im Falle einer Veräußerung des Grundstücks gehe sie nicht auf den Erwerber über, und zwar selbst dann nicht, wenn sie - wie hier - hypothekarisch gesichert sei. Die HGA als öffentliche Last dagegen geht auf den Erwerber des Grundstücks über, der darüber hinaus - also anders als bei der hypothekarisch gesicherten persönlichen Abgabeverpflichtung - auch persönlich für die Dauer seines Eigentums nach § 111 Abs. 3 LAG haftet. Zwischen der HGA als öffentlicher Last und der hypothekarisch gesicherten persönlichen Abgabeverpflichtung gibt es noch weitere wesentliche Unterschiede, wie die unterschiedliche Art der Vollstreckung (insbesondere Vollstreckungstitel), andere Verjährungsvorschriften, andere Gerichtsbarkeit. Diese erhebliche Unterschiedlichkeit läßt es grundsätzlich nicht zu, die ausdrücklich nur für die Abgabeschuld als öffentliche Last vorgesehene Erlaßmöglichkeit des § 129 LAG auch auf HGA-Leistungen, die auf einer persönlichen Abgabeverpflichtung beruhen, zu übertragen.

Der BdF läßt ausnahmsweise in denjenigen besonderen Fällen einer Ersatzgrundschuld oder einer nach § 111 Abs. 5 Nr. 2 LAG entstandenen persönlichen Abgabeverpflichtung einen Erlaß nach § 129 LAG zu, in denen das mit der Ersatzgrundschuld oder bei Eingehung der persönlichen Abgabeverpflichtung mit einer Hypothek belastete Grundstück als Ersatzgrundstück im Zusammenhang mit Neuordnungsmaßnahmen an die Stelle des zuvor mit der Umstellungsgrundschuld oder der öffentlichen Last der HGA belasteten Grundstücks getreten ist (Erlasse IV C/5 - LA 2612 - 4/57 vom 28. Februar 1967, LA-Kartei § 129, Karte 20 unter A 1. a; IV C/4 - LA 2612 - 4/62 vom 26. März 1962, LA-Kartei § 129, Karte 35 unter A 1. a). Ebenso hält der BdF einen Erlaß nach § 129 LAG für möglich, wenn der Abgabeschuldner in besonderen Fällen das Erlöschen der öffentlichen Last der HGA nicht zu vertreten hat (Erlaß IV C/4 - LA 2573 -1/64 vom 6. Februar 1964, LA-Kartei § 111 a, Karte 1, Tzn. 20, 24, 26). Allen diesen Ausnahmefällen ist gemeinsam, daß der Abgabeschuldner den Wegfall der öffentlichen Last der HGA nicht veranlaßte. In diesen Fällen kann es unbillig sein, wenn der Abgabeschuldner die objektbezogene Vergünstigung des § 129 LAG ohne sein Zutun verliert. Es ist daher nichts dagegen einzuwenden, wenn in solchen Fällen der BdF im Billigkeitswege § 129 LAG für anwendbar hält. Die Gerichte sind jedoch grundsätzlich nicht befugt, von sich aus ähnliche Billigkeitsentscheidungen zu treffen. Im übrigen ist der vorliegende Fall nicht mit den vom BdF anerkannten Ausnahmefällen vergleichbar. Im Streitfall beruht der Wegfall der öffentlichen Last der HGA auf einem Antrag des Abgabeschuldners. Der Abgabeschuldner erlangte dadurch den Vorteil, eine erstrangige Hypothek bestellen zu können. Das FA hatte u. a. den Nachteil eines schlechteren Grundbuchranges und z. B. anderer - erschwerter - Vollstreckungsmaßnahmen. Es erscheint deshalb nicht in gleicher Weise wie in den vom BdF in den genannten Erlassen angesprochenen Fällen gerechtfertigt, daß dem Abgabeschuldner die Erlaßmöglichkeit des § 129 LAG erhalten bleibt.

3. Die Vorentscheidung ist dennoch aufzuheben. Das FG hat unzutreffend auch über den Antrag des Revisionsklägers nach § 131 LAG entschieden, obwohl dieser Antrag erstmals in der Berufungsinstanz gestellt wurde und obwohl sich weder das FA noch die für die erforderliche Beschwerde zuständige OFD jemals mit diesem Antrag befaßten. Damit fehlte eine notwendige Verfahrensvoraussetzung für eine Entscheidung durch das FG über den Antrag nach § 131 LAG (vgl. auch BFH-Urteil III 365/59 U vom 16. Februar 1962, BFH 74, 548, BStBl III 1962, 204). Abgesehen davon muß über einen Antrag nach § 131 LAG in einem vom Verfahren nach § 129 LAG gesonderten Verfahren entschieden werden; denn beide Vorschriften haben verschiedenartige Voraussetzungen (vgl. BFH-Urteile III 197, 198/61 vom 15. November 1963, HFR 1964, 127; III 281/61 vom 29. November 1963, HFR 1964, 427).

4. Das FG hat entgegen der Auffassung des Revisionsklägers den Streitwert zutreffend festgesetzt. Der erkennende Senat hat wiederholt entschieden, daß in Fällen, in denen ein Erlaß von Lastenausgleichsabgaben begehrt werde, der begehrte strittige Erlaßbetrag als Wert des Streitgegenstands anzusetzen sei (zuletzt im Urteil III 191/64 vom 16. Juni 1967, BFH 89, 249). Von diesem Grundsatz ist das FG auch im Streitfall ausgegangen.

5. Wegen der in Ziff. 3 genannten Gründe war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da der Revisionskläger mit seinem Begehren nach § 129 LAG - nur darüber konnte hier sachlich entschieden werden - keinen Erfolg hat und da das FA in seiner Einspruchsentscheidung insoweit zutreffend entschied, war die Klage (früher Berufung) gegen die den Ertragslageerlaß ablehnende Einspruchsentscheidung des FA als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 628

BFHE 1968, 456

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