Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Antragsfrist gem. § 4 b InvZulG bei gleichzeitig hergestellten Gebäuden und Betriebsvorrichtungen

 

Leitsatz (NV)

Die Fristenregelung für Gebäude gilt entsprechend für Betriebsvorrichtungen, die nach ihrem Funktionszusammenhang, ihrem baulichen Ineinandergreifen und ihrem äußeren Erscheinungsbild bautechnisch und bauordnungsrechtlich in unlösbarem Zusammenhang stehen.

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 4b

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Das Städtische Wasserwerk, ein Eigenbetrieb der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), errichtete in den Jahren 1976 bis 1977 einen Trinkwasserhochbehälter (Behälter) mit einem Vorbau (sog. Schieberkammer), in dem sich Rohranlagen und Armaturen befinden. Die Rückwand des Vorbaus ist mit einem Teil der Umschließung des Behälters identisch. Wie sich zudem aus den vom Finanzgericht (FG) ausdrücklich in bezug genommenen Bauakten ergibt, ist der Vorbau höher als der Trinkwasserbehälter. Er überlagert mit seinem in der Höhe über den Trinkwasserbehälter hinausgehenden Teil teilweise den in der Fläche kreisrunden Trinkwasserbehälter, so daß dieser von dem Vorbau aus von oben her begangen werden kann. Vorbau und Trinkwasserbehälter sind einheitlich verklinkert. Den Bauantrag hatte die Klägerin am 25. Juni 1975 gestellt. Die Bauarbeiten wurden Ende Juni 1977 beendet.

Antragsgemäß gewährte ihr der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) für die Herstellung des Behälters und des Vorbaus eine Zulage nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG 1975). Die entsprechenden Bescheide sind unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Nach einer Betriebsprüfung forderte das FA die Investitionszulage zurück, weil es die gesamte Anlage als Betriebsvorrichtung ansah. Der Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das FA vertrat in der Einspruchsentscheidung die Auffassung, der Vorbau sei ein Gebäude und die Herstellungskosten hierfür seien daher zulagefähig. Den Behälter sah das FA weiterhin als Betriebsvorrichtung und daher als nicht zulagefähig an, weil mit der Herstellung nicht vor dem 1. Juli 1975 und damit nicht innerhalb des maßgeblichen Begünstigungszeitraums nach § 4 b InvZulG 1975 begonnen worden sei.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Es vertrat die Auffassung, daß der Behälter zu Recht als Betriebsvorrichtung angesehen worden sei und deshalb die Frist für die Gewährung der Investitionszulage nicht nach den für Gebäude maßgeblichen Bestimmungen zu berechnen sei. Ferner verneinte es eine Anwendung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. November 1979 III R 4/79 (BFHE 130, 475, BStBl II 1980, 554), wonach die erweiterte Frist für Gebäude auch für Betriebsvorrichtungen gilt, die gleichzeitig mit einem Gebäude hergestellt werden und mit diesem eine bautechnische und bauordnungsrechtliche Einheit bilden. Der Hochbehälter gehöre nicht wie vom BFH gefordert werde, zum Teil zum Vorbau, sondern sei ein selbständiger Teil des Gesamtbauwerks. Es bestehe lediglich ein zeitlicher, technischer und funktionaler Zusammenhang mit der Gebäudeherstellung.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 b InvZulG 1975. Sie ist der Auffassung, daß nur eine einzige Baumaßnahme durchgeführt worden sei, die bauordnungsrechtlich und bautechnisch eine untrennbare Einheit zwischen dem Vorbau als Gebäude und dem Behälter als Betriebsvorrichtung bilde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Rückforderungsbescheide sowie die Zinsbescheide insoweit zu ändern, als eine Investitionszulage in Höhe der Herstellungskosten des Hochbehälters nicht gewährt worden ist.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Aufhebung der Änderungsbescheide und der Zinsbescheide insoweit, als eine Investitionszulage für die in den Streitjahren vorgenommenen Investitionen für den Trinkwasserbehälter versagt worden ist.

Die Klägerin hat für die Aufwendungen zur Herstellung des Behälters einen Anspruch auf Investitionszulage. Sie erfüllt zwar, wie unstreitig ist, nicht die Voraussetzungen des § 4 b InvZulG 1975 für die Gewährung einer Investitionszulage für bewegliche Wirtschaftsgüter. Die Aufwendungen für die Herstellung des Behälters begründen aber einen Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage entsprechend der Fristenregelung für Gebäude und Gebäudeteile.

a) Entgegen der Ansicht des FG sind der Vorbau und der Behälter investitionszulagerechtlich einheitlich zu behandeln. Der Senat hat durch das bereits zitierte Urteil in BFHE 130, 475, BStBl II 1980, 554 entschieden, daß die für Gebäude und Gebäudeteile maßgebliche Fristenregelung für Betriebsvorrichtungen entsprechend gilt, wenn diese gleichzeitig mit einem Gebäude oder einem Gebäudeteil hergestellt werden und mit diesem eine bautechnische und bauordnungsrechtliche Einheit bilden.

Das FG hat diese Voraussetzungen im Streitfall zu Unrecht verneint. Zutreffend ist zwar, daß die genannte Entscheidung des Senats einen Fall betrifft, in dem die Errichtung eines Gebäudes eindeutig im Vordergrund stand und die damit verbundene Betriebsvorrichtung nur untergeordnete Bedeutung hatte. Außerdem gehörte bewertungsrechtlich ein Teil dieser Betriebsvorrichtung zum Gebäude, weil er dazu bestimmt war, das Gebäude mitzustützen.

Der Senat hat aber gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß solche Umstände nur ,,insbesondere" die Voraussetzungen einer bautechnischen und bauordnungsrechtlichen Einheit erfüllen können. Die Voraussetzungen können also auch in anderen Fällen gegeben sein. Entscheidend ist letztlich, daß die bautechnische und bauordnungsrechtliche Einheit derartig ist, daß praktisch nur eine gleichzeitige Errichtung in Betracht kommt und deshalb die Besonderheiten, die nach § 4 b InvZulG 1975 hinsichtlich des Beginns und des Endzeitpunkts der Errichtung von Gebäuden gelten, zwangsläufig auf die Betriebsvorrichtung durchschlagen müssen.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Es kann dabei offenbleiben, ob der Teil des Trinkwasserbehälters, der zugleich die Rückwand des Vorbaus bildet, ähnlich wie im Urteilsfall in BFHE 130, 475, BStBl II 1980, 554 bewertungsrechtlich zum Gebäude gehört und schon deshalb eine unlösbare Einheit zwischen Vorbau und Trinkwasserbehälter anzunehmen ist. Jedenfalls stehen der Vorbau und der Trinkwasserbehälter nach ihrem Funktionszusammenhang, ihrem baulichen Ineinandergreifen und ihrem äußeren Erscheinungsbild bautechnisch und bauordnungsrechtlich in unlösbarem Zusammenhang. Anders als in Fällen, in denen ein Gebäude und eine Betriebsvorrichtung innerhalb dieses Gebäudes voneinander abzugrenzen sind, dient der Trinkwasserbehälter als Betriebsvorrichtung nicht dem Betrieb in dem Gebäude, sondern das Gebäude erhält von dem Trinkwasserbehälter her erst seine wesentliche Funktion, ebenso, wie umgekehrt der Trinkwasserbehälter ohne das Gebäude keine Funktion hat. Von der Funktion, vom Bauvolumen und vom Erscheinungsbild her tritt der Vorbau auch nicht so in der Bedeutung hinter den Trinkwasserbehälter zurück, daß er im Verhältnis zum Trinkwasserbehälter vernachlässigt und als unbedeutend für den Zeitablauf der Errichtung des Trinkwasserbehälters angesehen werden könnte. Dagegen spricht schon, daß der Vorbau den Trinkwasserbehälter in der Höhe überragt und mit dem darüber hinausragenden Teil den Trinkwasserbehälter teilweise überlagert. Vorbau und Trinkwasserbehälter bilden demgemäß zusammen ein einheitliches bauliches Ganzes. Dementsprechend ist das baurechtliche Genehmigungsverfahren auch einheitlich durchgeführt worden. Auf den Trinkwasserbehälter muß daher ebenso wie auf den Vorbau die Fristenregelung für Gebäude angewendet werden.

b) Die Gewährung der Investitionszulage gemäß § 4 b InvZulG 1975 setzt danach u. a. voraus, daß der Steuerpflichtige nachweislich nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 mit der Herstellung begonnen hat (§ 4 b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975). Als Beginn der Herstellung gilt bei Gebäuden der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt worden ist (§ 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975). Darüber hinaus ist grundsätzlich erforderlich, daß die Wirtschaftsgüter vor dem 1. Juli 1976 fertiggestellt worden sind (§ 4 b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1975). Bei Gebäuden und Gebäudeteilen tritt an die Stelle des 1. Juli 1976 der 1. Juli 1977 (§ 4 b Abs. 2 Satz 3 InvZulG 1975).

Die Klägerin hat nach den Feststellungen des FG den Antrag auf Baugenehmigung am 25. Juni 1975 gestellt und den Behälter bis Ende Juni 1977 fertiggestellt. Damit hat sie mit der Herstellung des Behälters innerhalb des maßgeblichen Begünstigungszeitraums begonnen und dieses Wirtschaftsgut auch rechtzeitig fertiggestellt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 667

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