Leitsatz (amtlich)

Es spricht im allgemeinen gegen die berufliche Veranlassung von Aufwendungen für einen Lehrgang des Deutschen Anwaltvereins über deutsches Notariatsrecht, wenn die Veranstaltung an einem beliebten Erholungsort im Ausland stattgefunden hat.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für einen vom Deutschen Anwaltverein in Seis/Italien veranstalteten Fortbildungskurs über Notariatsrecht als Betriebsausgaben.

Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger) ist Rechtsanwalt und Notar. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin) - seine Ehefrau - war im ersten Halbjahr 1971 als Buchhalterin bei der Anwaltsozietät, zu welcher der Kläger gehörte, und nach Auflösung der Sozietät beim Kläger selbst angestellt. Vom 29. August bis 12. September 1971 nahmen die Kläger an einem Kursus über Notariatsrecht des Deutschen Anwaltvereins in Seis/Italien teil. Der Lehrgang wurde täglich von Montag bis Samstag in der Zeit von 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr abgehalten. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1971 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 2 720,50 DM bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit als Betriebsausgaben geltend.

Mit Einkommensteuerbescheid 1971 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den Abzug der für die Ehefrau geltend gemachten Aufenthaltskosten in Höhe von 1 015 DM. Auf den Einspruch verminderte das FA die für den Lehrgang abzugsfähigen Betriebsausgaben auf 711 DM.

Die Klage blieb erfolglos. Das FG billigte in dem in EFG 1975, 478, veröffentlichten Urteil zwar, daß das FA einen geschätzten Teil der Aufwendungen als beruflich veranlaßt anerkannt hatte; die übrigen Aufwendungen seien jedoch nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, weil der Lehrgang nur an den Vormittagen stattgefunden habe, während die restliche Zeit des Tages den Klägern zur freien Verfügung gestanden habe. Dabei werde nicht verkannt, daß die Kläger auch in den Nachmittagsstunden teilweise fachlich gearbeitet hätten; sie hätten nach ihrem Vorbringen insbesondere Lösungsfälle bearbeitet. Diese Tätigkeit falle aber nicht mehr unter den Begriff einer straff organisierten Lehrgangstätigkeit, wie sie der BFH für die Anerkennung als Betriebsausgaben in ständiger Rechtsprechung fordere. Eine außerhalb der feststehenden Vortragszeit ausgeübte Tätigkeit stehe im Belieben des Lehrgangsteilnehmers. Hinzu komme, daß es sich um keine internationale Fachtagung gehandelt habe. Es habe daher kein zwingender beruflicher Grund dafür bestanden, die Veranstaltung an einem landschaftlich schönen Ort im Ausland durchzuführen; das lasse nach der Lebenserfahrung darauf schließen, daß die Teilnahme an dem Lehrgang erheblich durch private Interessen der Teilnehmer beeinflußt worden sei.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung des § 4 Abs. 4 EStG und des Art. 3 GG. Insbesondere habe das FG die Bedeutung der nachmittäglichen Nacharbeitung des am Vormittag gebotenen Stoffes verkannt. Insoweit sei das FG von dem BFH-Urteil vom 16. November 1961 IV 105/60 U (BFHE 74, 481, BStBl III 1962, 181) abgewichen, dem ein dem vorliegenden entsprechender Sachverhalt zugrunde gelegen habe; diese Rechtsprechung sei nicht durch den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) überholt. Es sei auch ungerechtfertigt, aus der Lage des Ortes zu schließen, daß die Reise privaten Interessen gedient habe. Die Kläger hätten keinen Einfluß darauf gehabt, wo der Lehrgang stattfinden sollte. Die Vorentscheidung verstoße schließlich gegen den Gleichheitssatz. Die Kläger hätten bereits in mehreren entsprechenden Fällen Aufwendungen für Lehrgänge als Betriebsausgaben absetzen können. Auch seien die Aufwendungen der anderen Tagungsteilnehmer von den FÄ in voller Höhe anerkannt worden.

Die Kläger beantragen, die weiteren Aufwendungen in Höhe von 2 009,50 DM als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Nicht abzugsfähig sind dagegen Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Nach der Auslegung, die § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG durch die Rechtsprechung des BFH erfahren hat (vgl. insbesondere den Beschluß des Großen Senats des BFH GrS 2/70), verbietet diese Vorschrift zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern. Es soll verhindert werden, daß Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewußt herbeigeführte Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen Aufwendungen für ihre Lebensführung nur deshalb zum Teil in einem einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen Beruf haben, der ihnen dies ermöglicht, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen (BFH-Beschluß GrS 2/70).

Auslandsreisen, die nach der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen Bereich als auch dem der Lebensführung angehören können (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1965 IV 36/64 U, BFHE 82, 88, BStBl III 1965, 279), führen nur dann zu abzugsfähigen Betriebsausgaben, wenn die Reisen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen werden, wenn also die Verfolgung privater Interessen, wie z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 22. Mai 1974 I R 212/72, BFHE 113, 274, BStBl II 1975, 70, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Anderenfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abzugsfähig, sofern sich nicht ein durch den Beruf veranlaßter Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen läßt (BFH-Urteile vom 1. April 1971 IV R 72/70, BFHE 102, 90, BStBl II 1971, 524; I R 212/72; und vom 4. Dezember 1974 I R 112/73, BFHE 114, 488, BStBl II 1975, 379). Der Besuch einer Fachtagung ist daher in der Regel nur dann beruflich veranlaßt, wenn sie straff organisiert ist und wenn die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist. Dabei ist die Reise in ihrer Gesamtheit zu würdigen, eine Aufteilung der Reisekosten kommt nicht in Betracht (BFH-Urteil IV R 72/70).

2. Danach hat es das FG zu Recht abgelehnt, die persönlichen Reiseaufwendungen des Klägers zum Abzug als Betriebsausgaben zuzulassen. Der Aufenthalt in Seis und die Reise dorthin waren weder ausschließlich noch weitaus überwiegend beruflich veranlaßt.

a) Da die Gestaltung der Nachmittage nicht durch ein feststehendes Lehrgangsprogramm bestimmt war, sondern im freien Belieben des Klägers stand, war ihm in einem nicht unerheblichen Umfang die Möglichkeit gegeben, privaten Neigungen nachzugehen. Dies gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, daß der Kläger an den Nachmittagen den gebotenen Stoff nachgearbeitet hat. Sowohl der Umfang solcher Arbeiten als auch ihre zeitliche Gestaltung standen in seinem Belieben und konnten den privaten Betätigungen angepaßt werden.

Auf die vom FG vertretene Auffassung, solche Betätigungen außerhalb feststehender Vortragszeiten müßten schon deshalb außer Betracht bleiben, weil sie nicht nachprüfbar seien, während bei den programmgemäß vorgesehenen Vormittagsvorlesungen zugunsten des Klägers unterstellt werden könne, daß er daran teilgenommen habe, kommt es daher im Streitfall nicht an. Der Senat hat im übrigen im Urteil vom 15. Juli 1976 IV R 90/73 (BFHE 120, 28, BStBl II 1977, 54) ausgeführt, daß zur Anerkennung der Aufwendungen für eine straff organisierte Fachtagung die Teilnahme an den Veranstaltungen feststehen müsse; der Auffassung des FG, für den Besuch von Fachvorträgen bestehe dann eine Vermutung, wenn der Steuerpflichtige die Teilnehmergebühr bezahlt habe, kann daher nicht gefolgt werden.

Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das BFH-Urteil IV 105/60 U. Er verkennt, daß der BFH in dieser Entscheidung den außerhalb der lehrplanmäßigen Unterrichtsstunden mehr oder weniger zwangsläufig entstandenen Lernstunden lediglich Bedeutung als Maßstab für die nach damaliger Rechtsauffassung vorzunehmende schätzungsweise Aufteilung der Gesamtaufwendungen in abzugsfähige Betriebsausgaben und nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung zusprach, sich aber nicht zu der nach neuerer Rechtserkenntnis ausschlaggebenden Frage äußerte, ob solche zusätzlichen Lernstunden die Verfolgung privater Interessen nahezu ausschlossen. Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigen Fälle der vorliegenden Art auch kein Abweichen vom Verbot der Aufteilung, wie sie der Große Senat des BFH im Beschluß GrS 2/70 in Ausnahmefällen anerkannt hat. Vielmehr hat der Große Senat in dieser Entscheidung die Fahrtkosten einer Reise ausdrücklich von einer Aufteilung ausgeschlossen; nichts anderes gilt für die Kosten der Unterbringung und Verpflegung. Es kann daher auch dem FG nicht gefolgt werden, wenn es die vom FA vorgenommene griffweise Schätzung betrieblich veranlaßter Aufwendungen ausdrücklich billigt; wegen des Verbots, den Steuerbescheid des FA zuungunsten des Steuerpflichtigen zu ändern, bleibt es jedoch bei dem Ergebnis dieser Schätzung.

b) Zu Recht konnte das FG die Lage des Veranstaltungsortes in einer landschaftlich schönen Gegend des Auslandes als Indiz dafür würdigen, daß die Teilnahme des Klägers an der Fachtagung durch nicht unerhebliche private Interessen beeinflußt worden ist. Die Argumentation des Klägers, er habe keinen Einfluß auf die Auswahl des Veranstaltungsortes durch den Deutschen Anwaltverein gehabt, trifft nicht den Kern der Sache. Denn maßgebend ist, daß der Kläger an dieser Veranstaltung an einem beliebten Erholungsort im Ausland teilgenommen hat, ohne daß die Teilnahme an diesem Lehrgang gerade im Ausland durch besondere Umstände veranlaßt gewesen wäre. Es ist nicht ersichtlich, welche sachlichen Gründe dafür sprächen daß der Kläger das deutsche Notariatsrecht gerade in Italien studieren mußte (BFH-Urteil IV 105/60 U). Die Entscheidung IV 105/60 U weist darüber hinaus zu Recht darauf hin, daß es nicht zweifelhaft sei, daß die Kurse deshalb im Ausland veranstaltet würden, weil der Deutsche Anwaltverein mit der Wahl solcher Orte den Wünschen seiner Mitglieder nach angemessener Abwechslung entspreche. Der Kläger kann sich demgegenüber nicht auf das BFH-Urteil vom 16. Januar 1974 I R 81/72 (BFHE 111, 312, BStBl II 1974, 291) berufen. Der BFH hat in dieser Entscheidung die betriebliche Veranlassung wegen des Veranstaltungsortes im Ausland deshalb nicht in Zweifel gezogen, weil es sich - im Gegensatz zum Streitfall - um eine Fachtagung internationalen Gepräges mit Beteiligung ausländischer Teilnehmer und Dozenten gehandelt hatte (BFHE 111, 315).

3. Derselben Beurteilung unterliegen die Aufwendungen des Klägers für die Teilnahme seiner Ehefrau, der Klägerin. Daran ändert nichts - worauf das FG in seiner Entscheidung allerdings nicht eingegangen ist -, daß die Klägerin in der Kanzlei des Klägers angestellt war. Zwar sind Fortbildungskosten, die ein Arbeitgeber für seine Angestellten aufwendet, bei diesem Betriebsausgaben. Dies gilt aber nicht, wenn die Aufwendungen ihren Ursprung nicht in betrieblichen Erwägungen, sondern, wie oben dargelegt, zumindest auch im Bereich der Lebensführung haben; eine Aufteilung der Kosten in abzugsfähige Betriebsausgaben und nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung kommt auch hier nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1965 IV 209/63 U, BFHE 82, 96, BStBl III 1965, 282).

4. Da hiernach der Abzug der Reiseaufwendungen als Betriebsausgaben nicht gerechtfertigt ist, kann es für die Entscheidung des Streitfalles auch nicht darauf ankommen, ob die Aufwendungen anderer Steuerpflichtiger für dieselbe oder ähnliche Reisen als Betriebsausgaben anerkannt worden sind. Verwaltungsbehörden und Gerichte sind an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG); einen Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung mit anderen Steuerpflichtigen, deren Besteuerung nicht dem Gesetz entspricht, gibt es nicht. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG kann nicht beansprucht werden, um ein gesetzwidriges Begehren durchzusetzen. Ebensowenig kann der Kläger sein Klagebegehren darauf stützen, daß das FA bei früheren Veranlagungen entsprechende Aufwendungen als Betriebsausgaben anerkannt habe. Im Einkommensteuerrecht gilt der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung mit der Folge, daß die Besteuerungsgrundlagen in jedem Besteuerungsabschnitt selbständig zu beurteilen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72188

BStBl II 1977, 203

BFHE 1977, 31

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