Entscheidungsstichwort (Thema)

KG i. L. als Adressatin eines Steuerbescheides

 

Leitsatz (NV)

Solange gegen eine KG i. L. noch Steueransprüche geltend gemacht werden, ist sie nicht vollbeendet und kann daher Adressatin von Steuerbescheiden sein.

 

Normenkette

AO 1977 § 124

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine KG in Liquidation, hatte vor Beginn ihrer Liquidation durch notariell beurkundeten Vertrag vom 18. Januar 1973 für 5 120 000 DM ein Grundstück in H gekauft. Dem Finanzamt (FA) hatte sie versichert, sie werde die vorhandenen Gebäude bis zur Kellerdecke abreißen und innerhalb von fünf Jahren ein grundsteuerbegünstigtes Gebäude errichten. Auf ihren Antrag hatte daher das FA vorläufige Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Baden-Württemberg gewährt.

Später geriet die Klägerin in finanzielle Schwierigkeiten. Das vorgenannte Grundstück wurde am 1. Juli 1976 zwangsweise versteigert und am 24. August 1976 dem Erwerber zugeschlagen. Daraufhin erhob das FA mit Bescheid vom 9. November 1976 gemäß § 11 GrEStG die Steuer nach mit der Begründung, die Klägerin habe das Grundstück ,,unbebaut weitergegeben".

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es stellte fest, ,,daß der Grunderwerbsteuerbescheid . . . vom 9. November 1976 . . . nichtig ist".

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Nach Ansicht des FG ist der Steuerbescheid vom 9. November 1976 nichtig, weil er an eine nicht mehr bestehende Personengesellschaft gerichtet worden sei. Die Klägerin habe nicht mehr bestanden, weil sie - nach ihrer vom FA nicht bestrittenen Behauptung - bei Erlaß des Bescheides kein aktives Gesellschaftsvermögen mehr gehabt habe.

Dieser Auffassung des FG schließt sich der Senat nicht an. Der Steuerbescheid konnte wirksam an die Klägerin adressiert werden. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben.

Ob die Klägerin noch Aktivvermögen hatte, ist unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, daß an dem genannten Stichtag möglicherweise noch Ansprüche gegen sie aus einem Steuerschuldverhältnis bestanden und daher das Rechtsverhältnis zwischen ihr (der Klägerin) und dem FA noch nicht abgewickelt war. Aus diesem Grunde war die Klägerin noch nicht voll beendet und konnte Adressatin des Steuerbescheides sein. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Mai 1971 V R 117/67 (BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540), 18. September 1980 V R 175/74 (BFHE 132, 348, BStBl II 1981, 293), 22. Oktober 1986 II R 118/84 (BFHE 148, 331, BStBl II 1987, 183) und 24. März 1987 X R 28 /80 (BFHE 150, 293, BStBl II 1988, 316). In der letztgenannten Entscheidung hat der BFH seine Auffassung noch einmal ausführlich begründet. Der Senat sieht keinen Anlaß, hiervon abzuweichen. Die Behauptung einer Personengesellschaft, sie habe kein Aktivvermögen mehr, kann der Gläubiger in der Regel nur schwer widerlegen; zudem wird dieser Einwand häufig von Gesellschaften erhoben, die in Anbetracht ihrer Situation selbst nur mangelnden Überblick über ihre Vermögensverhältnisse haben. Es ist nicht gerechtfertigt, hier dem Gläubiger die gerichtliche Feststellung seiner Ansprüche zu verweigern, nur weil er kein Aktivvermögen der Gesellschaft nachweisen kann; denn wenn sich nachträglich herausstellt, daß doch noch solches Vermögen vorhanden ist, wäre der geltend gemachte Anspruch möglicherweise verjährt. Diesem Schutz des Gläubigers trägt die BFH-Rechtsprechung Rechnung. Die Frage, ob der Schuldner noch Aktivvermögen hat, kann erst bei der Vollstreckung der geltend gemachten Forderung eine Rolle spielen.

Das FG wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Steuerbescheid materiell zu Recht ergangen ist. Zu diesem Zweck wird die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Ihm wird auch die Kostenentscheidung übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 615

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