Leitsatz (amtlich)

Das Finanzgericht des Saarlandes war am 2. Juni 1960 nicht dem Gesetz entsprechend konstituiert. Dieser Mangel wird von Amts wegen beachtet.

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; AO § 288 Nr. 2, § 290 Abs. 1, § 296 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Kapitalertragsteuerpflicht von Zahlungen der AG an die Firma I. S. im Oktober 1957. Das Finanzamt sah in diesen Zahlungen eine verdeckte Gewinnausschüttung der AG an I. S. und erließ gegen die AG einen Haftungsbescheid über die auf diese Zahlungen entfallende Kapitalertragsteuer.

Auf die Berufung der AG hob das Finanzgerjcht des Saarlandes den Haftungsbescheid durch Urteil vom 2. Juni 1960 ersatzlos auf.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs hat in der Entscheidung VI 186/59 S vom 29. Juni 1962 (BStBl 1962 III S. 426) ausgesprochen, daß das Finanzgericht des Saarlandes am 2. Juli 1959 nicht gesetzlich konstituiert war, weil die 72 ehrenamtlichen Mitglieder des Finanzgerichts nicht auf die beiden Kammern aufgeteilt wurden. Er hat diesen Verfahrensmangel von Amts wegen beachtet und deshalb die Entscheidung des Finanzgerichts aufgehoben. In dieser Entscheidung des VI. Senats wird auch auf den zur ordnungsmäßigen Konstituierung des Finanzgerichts des Saarlandes ergangenen Beschluß des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes Lv 1/59 vom 13. Juli 1961 und auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes III -- V -- 11/57 vom 30. Mai 1961 hingewiesen, die mit dem Urteil des VI. Senats in Einklang stehen. Bei dieser Sachlage hält es der erkennende Senat für richtig, sich diesen Entscheidungen anzuschließen, da sich die tatsächlichen Verhältnisse bis zum Erlaß der hier angefochtenen Entscheidung nicht geändert haben. Auf die Entscheidung des VI. Senats wird verwiesen. Es erübrigt sich, näher auf die Frage einzugehen, ob nicht im allgemeinen die nicht ordnungsmäßige Besetzung eines Gerichts als ein Verfahrensmangel betrachtet werden muß, der nur bei rechtzeitiger Rüge (§ 290 Abs. 1 AO) vom Gericht beachtet wird und auf dessen Geltendmachung die Beteiligten verzichten können. Denn im vorliegenden Fall haben der Verwaltungsgerichtshof und das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes ebenso wie der VI. Senat des Bundesfinanzhofs wegen der ständigen ungesetzlichen Besetzung des Gerichts und wegen der Schwere des jedem Urteil des Finanzgerichts anhaftenden Mangels einen Verstoß gegen die rechtsstaatliche Ordnung eines Gerichtsverfahrens angenommen, der hier in jedem Fall von Amts wegen zu beachten sei. Der erkennende Senat legt diese Auffassung auch seiner Entscheidung zugrunde. Nach der ordnungsmäßigen Konstituierung wird das Finanzgericht erneut sachlich entscheiden müssen.

 

Fundstellen

BStBl III 1962, 523

BFHE 1963, 706

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