Leitsatz (amtlich)

1. Werden Gegenstände teils bearbeitet und teils unbearbeitet im Großhandel geliefert, so ist der Nachweis der Nichtbearbeitung im Rahmen des Buchnachweises eine unerläßliche Voraussetzung für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes. Lassen sich die Lieferungen der Gegenstände, die nicht bearbeitet worden sind, von den anderen nicht eindeutig und leicht trennen, so ist die Großhandelsvergünstigung zu versagen.

2. Werden Gummidrucktücher von Rollen handelsüblicher Breiten in der Querrichtung abgeschnitten, so kann hierin eine bloß mengenmäßige Zuteilung zu sehen sein, wenn die von den Abnehmern aufgegebenen Maße nicht unerhebliche Toleranzen enthalten, so daß die Anpassung an die Druckzylinder nicht vom Großhändler, sondern vom Abnehmer selbst vorgenommen wird.

 

Normenkette

UStG § 7 Abs. 3; UStDB §§ 12, 14, 57

 

Tatbestand

Der Bf. betreibt einen Großhandel mit graphischen Bedarfsartikeln, u. a. auch mit Gummidrucktüchern.

Streitig ist für die Veranlagungszeiträume 1950 bis 1953, ob das Schneiden von Gummidrucktüchern, die der Bf. in Rollen handelsüblicher Breiten erworben und in Einzelstücken an Druckereien nach von diesen geforderten Maßen zum Beziehen der Druckzylinder geliefert hatte, eine, wie der Bf. meint, bloß mengenmäßige Zuteilung oder, wie das Finanzamt annimmt, eine die Großhandelsvergünstigung ausschließende steuerlich schädliche Bearbeitung darstellt.

Bei einer 1959 durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß der Bf. die Gummidrucktücher geliefert hatte, nachdem er sie von der Rolle entweder

a) in der Querrichtung oder

b) in der Quer- und Längsrichtung (sog. Breitenberichtigung) geschnitten oder

c) darüber hinaus noch gelocht und seitlich ausgekerbt hatte.

Diese Lieferungen haben nach Angaben des Bf. in den Jahren

1950 = ... DM,

1951 = ... DM,

1952 = ... DM und

1953 = ... DM

betragen und waren von ihm mit 1 v. H. versteuert worden. Der Prüfer sah in allen Fällen eine steuerlich schädliche Bearbeitung im Sinne von § 12 UStDB und schlug vor, den ermäßigten Steuersatz (§ 7 Abs. 3 UStG) zu versagen. Der Bf. stimmte in den Fällen, in denen auch gelocht und gekerbt wurde, der Auffassung des Prüfers zu und erklärte, diese Lieferungen, die mit dem Prüfer auf ... DM pro Jahr geschätzt wurden, mit 4 v. H. nachzuversteuern. In den anderen Fällen könne aber eine Bearbeitung nicht angenommen werden; er teile lediglich mengenmäßig zu.

Das Finanzamt schloß sich der Auffassung des Prüfers an und setzte die Umsatzsteuer durch Berichtigungsbescheid für die Jahre 1950 bis 1952 fest. Für 1953 führte es die Veranlagung erstmals durch.

Nach erfolglosem Einspruch erklärte der Bf. in der Berufung, daß eine genaue Angabe über das Verhältnis der nur in der Querrichtung und der in der Längs- und Querrichtung geschnittenen Tücher infolge Zeitablaufs nicht möglich sei. Er schätze die Fälle, in denen auch eine Breitenberichtigung gemacht worden ist, auf etwa 2 bis 3 v. H. Der Bf. erklärte ferner, er wisse nicht, ob und inwieweit seine Abnehmer die erworbenen Gummidrucktücher mit oder ohne nochmalige Veränderung verwendeten. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, daß die Abnehmer die Tücher gleich für bestimmte Druckzylinder in der hierfür erforderlichen Form zugeschnitten verlangt hätten.

Darüber hinaus stellte ein Prüfer des Finanzgerichts im Betrieb des Bf. fest, daß die Lieferungen der Gummidrucktücher lediglich aus den Warenausgangsrechnungen zu erkennen seien. Aus der Buchführung des Bf. sei die Höhe dieser Umsätze nicht zu ermitteln. Zur Ermittlung der fraglichen Umsätze wäre eine Rekonstruktion der buchmäßigen Vorgänge erforderlich, die an Hand der Warenausgangsrechnungen erfolgen müßte, aber bei einem Ausgang von jährlich mehreren tausend Rechnungen selbst bei Heranziehung eines sachkundigen Betriebsangehörigen einen Zeitaufwand von einigen Wochen beanspruchen würde.

Das Finanzgericht lehnte für die Fälle a) und b) eine bloß mengenmäßige Zuteilung ab und wies die Berufung mit dieser Begründung zurück.

Mit der Rb. rügt der Bf. unrichtige Anwendung des § 12 UStDB. Er macht ferner erstmals und teilweise in Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen geltend, daß die genaue Anpassung der Gummidrucktücher an die einzelnen Druckereimaschinen der Abnehmer selbst vornehme.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann, wenn auch aus anderen als den in der Vorentscheidung angeführten Gründen, keinen Erfolg haben.

Nach § 7 Abs. 3 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 1 v. H. für Großhandelslieferungen, soweit der Unternehmer die Gegenstände erworben, sie weder bearbeitet noch verarbeitet und die Voraussetzungen für die Steuerermäßigung buchmäßig nachgewiesen hat. Die nachzuweisenden Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§§ 57 Abs. 1, 14 Abs. 3 UStDB). Dies trifft nach dem klaren Inhalt der Akten nicht zu.

Das Finanzgericht hat durch einen Prüfer die Buchführung und die Belege des Bf. überprüfen lassen. Dabei wurde unwidersprochen festgestellt, daß aus der Buchführung des Bf. weder die Höhe aller Umsätze aus Lieferungen von Gummidrucktüchern noch die Höhe der auf die einzelnen Gruppen -- oben mit a), b) und c) bezeichnet -- entfallenden Umsätze ermittelt werden konnten. Die Ermittlung und Nachprüfbarkeit aller Umsätze und jedes einzelnen Umsatzes mit Gummidrucktüchern ist aber schon deshalb erforderlich, weil der Bf., wie er selbst einräumt, die Gummidrucktücher mindestens im Falle c) steuerlich schädlich bearbeitet hat. Wird aber der erworbene Gegenstand auch im bearbeiteten Zustand weitergeliefert, so ist der Nachweis der Nichtbearbeitung im Rahmen des Buchnachweises eine unerläßliche Voraussetzung für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes (vgl. Urteil des Senats V 160/59 S vom 21. Dezember 1961, BStBl 1962 III S. 209, Slg. Bd. 74 S. 565).

Es fehlt aber nicht nur an der eindeutigen, sondern auch an der leichten Nachprüfbarkeit der Umsätze und der Bearbeitungen. Denn nach den Feststellungen des Prüfers, die vom Bf. auch insoweit nicht bestritten worden sind, ist die Ermittlung der fraglichen Umsätze nur durch Rekonstruktion der buchmäßigen Vorgänge an Hand der Warenausgangsrechnungen möglich, wozu ein Zeitaufwand von mehreren Wochen selbst dann erforderlich wäre, wenn ein Sachkundiger aus dem Betrieb des Bf. mitwirken würde.

Die Rb. ist daher wegen des fehlenden Buchnachweises als unbegründet zurückzuweisen.

Im übrigen ist der Senat der Auffassung, daß auch in den Fällen, in denen der Bf. neben dem Schneiden in der Querrichtung auch noch eine Breitenberichtigung vorgenommen hat -- Fälle unter b) --, eine steuerlich schädliche Bearbeitung anzunehmen ist. Denn hier liegt eindeutig ein Fortschritt in der Richtung des beabsichtigten Verwendungszwecks vor, nämlich ein gebrauchsfertiges Drucktuch herzustellen. Das Schneiden der Drucktücher nach den von den Bestellern aufgegebenen Maßen, die den Aufzugsflächen ihrer Druckzylinder mindestens im Groben entsprechen, erübrigt eine sonst noch erforderliche Breitenberichtigung und verhindert darüber hinaus, daß nicht verwertbare Tuchreste anfallen. Der Längsschnitt in Verbindung mit dem Querschnitt stellt deshalb schon eine so konkrete Maßnahme dar, daß von einer bloß mengenmäßigen Zuteilung nicht mehr gesprochen werden kann.

Anders könnten die Fälle des bloßen Querschneidens (Buchst. a) zu beurteilen sein, wenn es zutrifft, daß, wie der Bf. erstmals in der Rb. vorträgt, die von den Abnehmern aufgegebenen Maße stets Toleranzen enthalten und daß die Abnehmer die genaue Anpassung an die einzelnen Druckereimaschinen selbst vornehmen. Denn hier würde der Bf. durch das bloße Abschneiden von der Rolle eine nur rein mengenmäßige Zuteilung vornehmen, vorausgesetzt, daß, was im Streitfalle erst noch festzustellen wäre, nicht unerhebliche Toleranzen vorliegen, so daß nicht der Bf. beim Abschneiden, sondern der Abnehmer beim Aufziehen das Drucktuch auf die genau passenden Maße zurechtschneidet. In diesem Falle würde die erste Stufe in der Fertigung eines anderen Gegenstandes, des gebrauchsfähigen Drucktuches, nicht vom Bf., sondern vom Abnehmer selbst herbeigeführt werden. Insoweit unterscheidet sich der vom Bf. in der Rb. vorgetragene Sachverhalt -- sofern er tatsächlich zutrifft -- von dem Sachverhalt, der dem Urteil des Reichsfinanzhofs V 463/38 vom 20. Oktober 1939 (RStBl 1940 S. 4) zugrunde lag.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 307 AO. Die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 320 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411527

BStBl III 1965, 570

BFHE 1966, 192

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