Leitsatz (amtlich)

Tritt der Unternehmer in der Zeit nach dem 8. Mai 1973 in einen Kaufvertrag über einen PKW ein, den der ursprüngliche Käufer vor dem 9. Mai 1973 geschlossen hatte, so verwirklicht er damit einen Investitionsentschluß, an den die Selbstverbrauchsteuer des § 30 UStG 1973 anknüpft.

 

Normenkette

UStG 1973 §§ 30, 27 Abs. 15

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Steuerberater, trat durch eine am 2. Juni 1973 geschlossene Vereinbarung in die Rechte und Pflichten eines Kaufvertrages ein, den sein Vertragspartner am 13. Juli 1972 mit der Daimler Benz AG über einen Personenkraftwagen geschlossen hatte. Dieser wurde am 18. Juli 1973 ausgeliefert und vom Kläger zur Ausübung seines Berufs in Benutzung genommen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) zog den Kläger wegen dieses Vorgangs zur Selbstverbrauchsteuer gemäß § 30 i.V. m. § 27 Abs. 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973) heran und setzte als Bemessungsgrundlage die Anschaffungskosten des Kraftwagens an.

Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen gerichtete Klage aus der Erwägung abgewiesen, der am 2. Juni 1973 erfolgte Eintritt des Klägers in den am 13. Juli 1972 geschlossenen Kaufvertrag sei einer Bestellung nach dem maßgeblichen Stichtag des 8. Mai 1973 gleichzuerachten. Denn der Kläger habe damit eine Investitionsentscheidung getroffen, gegen die sich die Selbstverbrauchsteuer zum Zwecke der Nachfragedämpfung richte (Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 48 – EFG 1980, 48 –).

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Sein Eintritt in den Kaufvertrag habe nicht zu einer zusätzlichen, die Konjunktur anheizenden Nachfrage geführt; denn der Kraftwagen wäre wegen des vom ursprünglichen Käufer im Jahre 1972 abgeschlossenen Kaufvertrages in jedem Falle im Jahre 1973 geliefert worden. Die Nachfrage sei also nicht durch seinen Eintritt in den Kaufvertrag, sondern durch den Abschluß desselben und damit eines Kaufentschlusses des ursprünglichen Käufers ausgelöst worden. Dementsprechend behandle § 27 Abs. 15 UStG 1973 in seinem Satz 3 nur den Fall, daß der Unternehmer das Wirtschaftsgut vor dem 9. Mai 1973 bestellt habe und nachher seinem Anlagevermögen zuführe. Den Fall, daß bestellender und zuführender Unternehmer nicht personengleich seien, habe das Gesetz übersehen. Die vorliegende Gesetzeslücke müsse unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zielsetzungen geschlossen werden. Es sei davon auszugehen, daß der Gesetzgeber bei einer exakteren Ausformulierung des § 27 Abs. 15 UStG 1973 keine andere Regelung als die in § 1 Abs. 3 der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen vom 7. Juni 1973 (BGBl I 1973, 530) getroffen hätte; danach bliebe bei einem Eigentumswechsel dem Erwerber die nicht von ihm persönlich, sondern von dem Veräußerer geschaffene vorteilhafte Rechtsposition belassen. Im übrigen wende er sich gegen den Ansatz der PKW-Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage. Abzusetzen sei die Versicherungsentschädigung, die ihm aus Anlaß eines unverschuldeten Unfalls mit seinem vorherigen Personenkraftwagen zugeflossen sei. Diese Versicherungsentschädigung diene lediglich dem Ausgleich einer durch den Unfall eingetretenen Vermögensminderung. Die Verwendung dieser Versicherungsentschädigung zur Anschaffung eines neuen Kraftwagens sei einem Zuschuß i. S. des § 30 Abs. 4 Satz 1 UStG 1973 gleichzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Die Selbstverbrauchsteuer des § 30 UStG 1973 knüpft in erster Linie an den Investitionsentschluß und in zweiter Linie an die Zuführung des Investitionsgegenstandes zur Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen an (Urteil vom 14. Dezember 1978 V R 32/75 BFHE 127, 77 BStBl II 1979, 289). § 27 Abs. 15 Satz 1 UStG 1973 bestimmt in Ergänzung zu § 30 Abs. 2 UStG 1973 den Grundtatbestand, daß die Zuführung zum Anlagevermögen in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis 30. April 1975 der Selbstverbrauchsteuer unterliegt. § 27 Abs. 15 Sätze 2 und 3 UStG 1973 bestimmen die Abweichung von diesem Grundsatz i. S. einer Ausweitung bzw. Einengung der Besteuerung. Satz 2 dehnt die Selbstverbrauchbesteuerung auf Zuführungen nach dem 30. April 1975 aus für diejenigen Fälle, bei denen der Investitionsentschluß des zuführenden Unternehmers in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis 30. April 1975 getroffen worden ist. Satz 3 engt die Selbstverbrauchbesteuerung für Zuführungen in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis 30. April 1975 ein für die Fälle, in denen der zuführende Unternehmer den Investitionsentschluß vor dem 9. Mai 1973 getroffen hat. Der Investitionsentschluß des zuführenden Unternehmers manifestiert sich in den Fällen der Sätze 2 und 3 in einer Bestellung des Wirtschaftsgutes bzw. in den Beginn seiner Herstellung (oder des Herstellenlassens).

Einengungen und Ausweitungen des Steuertatbestandes knüpfen somit an diese nähere Beschreibung des Investitionsentschlusses an. Für den Grundtatbestand fehlt es an einer solchen gesetzlichen Regelung. Hier wird davon ausgegangen, daß Zuführungen zum Anlagevermögen, die nicht auf Bestellungen (oder dem Beginn der Herstellung oder des Herstellenlassens) vor dem 9. Mai 1973 beruhen, auf Investitionsentschlüssen nach dem 8. Mai 1973 beruhen müssen. Hier ist der Investitionsentschluß nicht näher gesetzlich beschrieben. Der Regelfall wird der der Bestellung oder der des Beginns der Herstellung (bzw. des Herstellenlassens) sein. Der Investitionsentschluß kann sich aber auch in anderer Weise konkretisieren, so auch durch den Eintritt in einen bereits bestehenden Kaufvertrag statt des Abschlusses eines neuen Kaufvertrages, was bei Lieferfristen – wie im vorliegenden Fall – Vorteile bietet. Beides steht wirtschaftlich gleich.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt somit keine Gesetzeslücke vor, die – wie er offensichtlich meint – von der Verwaltung i. S. eines steuerbegründenden Analogieschlusses geschlossen worden wäre. Nur die einengenden und ausweitenden Vorschriften des § 27 Abs. 15 Sätze 2 und 3 UStG 1973 knüpfen an die bestimmten Voraussetzungen der Bestellung bzw. des Beginns der Herstellung an. Der Grundtatbestand ist dagegen nicht in gleicher Weise (einengend) präzisiert. Bei seiner Auslegung ist davon auszugehen, daß sich ein Unternehmer mit seiner verbindlichen Erklärung, er übernehme die Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag seines Rechtsvorgängers, in gleicher Weise rechtlich bindet wie bei der Abgabe eines verbindlichen Vertragsangebotes nach § 145 BGB. In beiden Fällen verwirklicht der Unternehmer eine auf sein Unternehmen bezogene Nachfrage.

Soweit der Kläger zur Stützung seines Vorbringens auf § 1 Abs. 3 der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen verweist, geht er von einer unzutreffenden Auslegung dieser Vorschrift aus. Aus Anlaß des Eintritts eines Erwerbers in einen vor dem maßgeblichen Stichtag abgeschlossenen Kaufvertrag über ein Fertighaus hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits entschieden, daß der Eintritt in den Kaufvertrag einer Bestellung i. S. des § 1 Abs. 3 Satz 2 der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen gleichzusetzen ist (Urteil vom 19. Juni 1980 VIII R 195/78, BFHE 131, 307 BStBl II 1980, 759).

Das in diesem Zusammenhang vom Kläger vorgetragene und auf den Sinn und Zweck der Selbstverbrauchsteuer zielende Argument, die Nachfrage sei schon durch die Bestellung des ursprünglichen Käufers im Juli 1972 erzeugt worden und hätte durch die Androhung einer Investitionsbesteuerung nicht mehr bekämpft werden können, greift nicht durch. Die Unternehmer sollten durch die neue Selbstverbrauchsteuer davon abgehalten werden, zu kaufen und zu investieren. Die Selbstverbrauchsteuer richtet sich gegen denjenigen Unternehmer, der in seiner Person den Investitionsentschluß getroffen und vollzogen hat. Das ist hier der Kläger. Nur der ursprüngliche Käufer, wäre er Unternehmer, bliebe wegen seines im Juli 1972 getroffenen Investitionsentschlusses aus Gründen des Vertrauensschutzes von der Selbstverbrauchsteuer verschont. Diese personenbezogene Betrachtung ist wegen der Substitutionswirkung erforderlich, die vom Eintritt in fremde Kaufverträge ausgeht. Würde man den Eintritt in Altverträge nicht besteuern, hätte der Dämpfungszweck des Gesetzes unterlaufen werden können. Das gilt insbesonders für die Fälle des Eintritts in Kaufverträge über Personenkraftwagen, die von Privatpersonen geschlossen waren, welche die Kaufverträge günstig abstoßen konnten und deswegen sofort wieder einen neuen Vertrag schlossen. Hier wäre die Nachfrage ungebremst geblieben.

Die Besteuerung von Investitionsvorgängen, die in die Zeit vom 9. Mai bis 28. Juni 1973 fielen, beruht auf der Rückwirkung des am 28. Juni 1973 verkündeten Steueränderungsgesetzes 1973 (BGBl I 1973, 676), welches mit seinem Art. 6 die neue Selbstverbrauchsteuer einführte. Diese gesetzliche Rückwirkung betraf im vorliegenden Fall einen abgeschlossenen Sachverhalt; denn der Kläger hatte im vorbezeichneten Zeitraum sowohl seinen Investitionsentschluß getroffen als auch die Zuführung des Wirtschaftsgutes zur Verwendung als Anlagevermögen durchgeführt. Die Besteuerung dieses abgeschlossenen Sachverhalts verletzt Verfassungsrecht nicht. Der Senat nimmt dazu auf die Gründe seines Urteils vom heutigen Tage V R 97/77 (BFHE 133, 106) Bezug.

Die Bemessungsgrundlage der Selbstverbrauchsteuer ist zutreffend mit den Anschaffungskosten des Personenkraftwagens angesetzt worden, denn nach § 30 Abs. 4 Satz 1 UStG 1973 sind Bemessungsgrundlage die nach einkommenssteuerrechtlichen Vorschriften ermittelten tatsächlichen und nicht um Zuschüsse geminderten Anschaffungskosten. Es kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben, ob es sich bei der zum Ankauf des neuen Personenkraftwagens verwendeten Versicherungsentschädigung überhaupt um einen Zuschuß im vorbezeichneten Sinne handelt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510640

BFHE 1981, 115

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