Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltungsmißbrauch durch Neugründung einer Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (NV)

Zu der Frage, ob die Einschaltung einer nach dem 31. Dezember 1981 gegründeten Kapitalgesellschaft (Leasinggesellschaft) in den Investitionsvorgang einer Unternehmensgruppe im Hinblick auf den in § 4b Abs. 3--5 InvZulG 1982 genannten Vergleichs- und Begünstigungszeitraum einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstellt.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; InvZulG 1982 § 4b Abs. 3-5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, wurde durch Gesellschaftsvertrag vom ... 1982 mit einem Stammkapital von 50 000 DM gegründet. Alleiniger Gesellschafter ist X, der -- neben einer anderen Person -- auch zur Geschäftsführung befugt ist. Gegenstand des Unternehmens ist die Vermögensverwaltung sowie die Durchführung von Vermietungen, Verpachtungen und Leasinggeschäften aller Art.

Seit ihrer Gründung erzielt die Klägerin Umsätze aus der entgeltlichen Überlassung von beweglichen Anlagegütern an Dritte in der Form des Leasing. Der überwiegende Teil der bestehenden Leasingverträge ist mit der S GmbH & Co. KG (S) abgeschlossen worden, deren Gesellschafter die B GmbH und die S- C-GmbH sind. Alleingesellschafter der beiden letztgenannten Gesellschaften ist Y, der Sohn des Gesellschafters der Klägerin.

Für die im Streitjahr (1982) angeschafften und sämtlich der S zur Nutzung in ihren ... -Geschäften überlassenen beweglichen Wirtschaftsgüter beantragte die Klägerin die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982. Einen Teil dieser Wirtschaftsgüter hatte die S bereits selbst bei verschiedenen Lieferanten bestellt. Nach Angaben der Klägerin sind die Lieferanten zwischen Ende August 1982 und Ende September 1982 von deren Eintritt in die Lieferverträge mit der S telefonisch unterrichtet worden. Die diese Wirtschaftsgüter betreffenden Rechnungen, die teilweise noch an die S gerichtet waren, hat die Klägerin beglichen. Die Leasingverträge über alle im Streitjahr angeschafften Wirtschaftsgüter wurden am 14. Dezember 1982 abgeschlossen.

Die Finanzierung der Anschaffungen erfolgte zunächst über einen Girokredit der Klägerin bei der V-Bank, der durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft der B GmbH über 3 000 000 DM abgesichert war. Im Kalenderjahr 1983 schuldete die Klägerin um und nahm Kreditmittel bei der N-Bank in Anspruch. Die N-Bank gewährte einen Kreditrahmen bis zu ... DM; die Absicherung erfolgte über eine Grundschuld der B GmbH und durch Sicherungsübereignung der angeschafften Wirtschaftsgüter.

Die Leasinggegenstände waren zur Nutzung in den Geschäften der S in B und in H bestimmt. Die Gebäude des Geschäfts in B mietete die S von ihrer Kommanditistin, der B GmbH, die Gebäude des Geschäfts in H sind von der D-Leasing GmbH geleast.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gewährte die beantragte Investitionszulage nicht, weil die Einschaltung der Klägerin in den Investitionsprozeß der S ein Gestaltungsmißbrauch i. S. der §§ 42 der Abgabenordnung (AO 1977), 4 Abs. 2 des Subventionsgesetzes (SubvG) sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage weitgehend statt. Es war der Auffassung, der Klägerin stehe für die im Streitjahr angeschafften und verleasten Ladeneinrichtungsgegenstände eine Investitionszulage in dem im Nachtrag vom 16. August 1984 zum Investitionszulagenantrag vom 6. Juni 1983 bezeichneten Umfang zu. Die Klägerin habe, was zwischen den Beteiligten unstreitig sei, im Begünstigungszeitraum bestellte, neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter angeschafft, die trotz der langfristigen Nutzungsüberlassung in ihr Anlagevermögen gelangt und dort auch verblieben seien. Die rechtlichen Gestaltungen, insbesondere auch die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der S, ließen keinen Mißbrauch i. S. von § 5 Abs. 5 InvZulG 1982 i. V. m. § 42 AO 1977 und i. S. von § 5a InvZulG 1982 i. V. m. § 4 Abs. 2 SubvG erkennen, durch den die Klägerin unberechtigt in den Genuß von Investitionszulagen gelangen würde.

Ein Gestaltungsmißbrauch liege nicht schon darin, daß die Klägerin möglicherweise nur deshalb gegründet und in den Investitionsprozeß der S eingeschaltet worden sei, um -- wegen des fehlenden Vergleichsvolumens i. S. des § 4b Abs. 5 InvZulG 1982 -- die Investitionszulage in voller Höhe zu erlangen. Denn selbst wenn man mit dem FA davon ausgehe, daß dies der alleinige Grund für die gewählte Gestaltung gewesen sei, führe das nicht unausweichlich zur Annahme eines Gestaltungsmißbrauchs. Gestaltungen, die nur den Zweck verfolgten, Steuern zu sparen bzw. Steuervergünstigungen zu erlangen, seien allein aus diesem Grunde nicht mißbräuchlich. Unerläßlich sei die weitere Feststellung, daß die gewählte Gestaltung unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks unangemessen sei.

Jedes neu gegründete Unternehmen, das -- wie die Klägerin -- im Begünstigungszeitraum investiere, diene dem mit dem InvZulG 1982 verfolgten Zweck, nämlich der Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Die Gründung der Klägerin sei deshalb erfolgt, um die von der S betriebenen Geschäfte mit den notwendigen Einrichtungen auszustatten. Es sei durchaus nicht un üblich und unangemessen, Anlagegüter -- wie hier die Ladeneinrichtungen -- nicht selbst anzuschaffen, sondern zu leasen. Den Regelungen des § 4 b InvZulG 1982 sei nicht zu entnehmen, daß nur die Anschaffung von Wirtschaftsgütern zur eigenen betrieblichen Nutzung als angemessen angesehen werde. Der Gesetzgeber habe durch die Beschränkung der Bemessungsgrundlage auf den Unterschiedsbetrag zwischen Begünstigungs- und Vergleichsvolumen zwar sicherstellen wollen, daß nur Mehrinvestitionen gefördert würden und deshalb in § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 für Nutzungsüberlassungen in verbundenen Unternehmen gewisse Einschränkungen angeordnet. Das bedeute aber nicht, daß Neugründungen im Zusammenhang mit Nutzungsüberlassungen allgemein als unangemessene Gestaltungen angesehen werden müßten. Bei fehlender Personenidentität erfülle vielmehr jede Neugründung den Gesetzeszweck, sofern investiert werde. Aus dem Hinweis in der Gesetzesbegründung zu § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 (BTDrucks 9/1488 S. 17), § 42 AO 1977 bleibe unberührt, könne nur der Schluß gezogen werden, daß hierdurch keine abschließende Regelung für eventuelle von § 42 AO 1977 zu erfassende Fälle getroffen werden sollte.

Für die Gründung der Klägerin und ihre Einschaltung sprächen zudem gewichtige eigenständige Gründe: Die Tatsache, daß die S im Januar 1982 mit einem anderen Unternehmen einen Vertrag über Immobilienleasing geschlossen habe, zeige, daß für sie das Leasen von Investitionsgütern nicht ungewöhnlich gewesen sei. Zudem sei das -- allerdings nur zum Teil erfolgreiche -- Bemühen der Klägerin, neben der S auch andere Leasingnehmer zu finden, dahin zu werten, daß sie nicht nur die hier strittigen Leasinggeschäfte tätigen wollte, sondern auch eine darüber hinausgehende wirtschaftliche Betätigung entfalten sollte. Auch aus der Sicherstellung der Finanzierung der Anschaffungen der Investitionsgüter durch die B GmbH sei nicht auf eine unangemessene Rechtsgestaltung zu schließen. Die Klägerin trage leasingtypisch das Refinanzierungsrisiko und erfülle in leasingtypischer Weise ihre Finanzierungsfunktion für die S. Obwohl hier nicht nur -- wie durchaus üblich -- das Bonitätsrisiko vom Leasingnehmer zusätzlich abgesichert worden sei, sei die gewählte Gestaltung nicht unangemessen. Leasinggesellschaften seien regelmäßig nur unzureichend mit Eigenkapital ausgestattet und deshalb auf eine nahezu 100 %ige Refinanzierung angewiesen. Wenn dies mit vom Leasingnehmer gestellten Sicherheiten geschehe, könne hierin keine unangemessene Gestaltung liegen, da -- verglichen mit dem Normalfall -- nichts mehr, nichts komplizierter und auch nichts undurchsichtig geregelt sei. Das Produktrisiko liege auch weiterhin bei der Klägerin.

Auch aus den verwandtschaftlichen Beziehungen der mittelbar und unmittelbar an der Klägerin als Leasinggeberin und der S als Leasingnehmerin beteiligten Personen lasse sich ein Gestaltungsmißbrauch nicht her leiten. Die hier gewählte Gestaltung werde dadurch zwar erleichtert, sei aber auch zwischen fremden Dritten möglich. Hinzu komme, daß gerade im Unternehmensbereich Familieninteressen häufig auseinandergingen, so daß nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen das Gegenteil angenommen werden könne (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. März 1987 VIII R 36/84, BFHE 150, 356, BStBl II 1987, 858). Derartige Umstände seien hier nicht erkennbar.

In der Praxis komme es zudem häufig vor, daß der Leasinggeber in die Lieferverträge des Leasingnehmers über die gewünschten Wirtschaftsgüter eintrete. Es könne der Klägerin daher nicht zum Nachteil gereichen, daß die S einen Teil der Wirtschaftsgüter zuvor selbst bestellt hatte. So sei es durchaus üblich, daß eine Leasinggesellschaft eine bereits getroffene Investitionsentscheidung eines Dritten nachträglich finanziere (Sale-and-Lease- Back-Verträge, vgl. auch Regelung in Tz. 54 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen -- BMF -- vom 16. Juni 1982, BStBl I 1982, 569). Im übrigen seien sowohl die Bestellung durch die S als auch der Eintritt der Klägerin in die Lieferverträge im Begünstigungszeitraum erfolgt.

Gegen das Urteil des FG richtet sich die Revision, mit der das FA eine Verletzung des § 42 AO 1977 rügt. Das FA sieht in der Gründung der Klägerin einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 verhindern wollen, daß durch rechtliche Gestaltungen, insbesondere in Konzernen und sonstigen verbundenen Unternehmen, die Begrenzung der Begünstigung nach § 4 b InvZulG 1982 auf "Mehrinvestitionen" beeinträchtigt werde. Aber nicht nur in diesen Fällen, sondern auch bei Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen müsse geprüft werden, ob der Gesetzeszweck, nämlich die Förderung von Mehrinvestitionen, noch erfüllt werde. Deshalb könne auch bei fehlender Personenidentität eine Firmengründung dem Gesetzeszweck widersprechen.

Die Gründung der Klägerin habe allein dem Zweck gedient, die Voraussetzungen für eine Gewährung der Investitionszulage in voller Höhe zu schaffen. Gewichtige eigenständige Gründe für das Tätigwerden der Klägerin gebe es nicht. Die Tatsache, daß die S bereits in der Vergangenheit einen Vertrag über Immobilienleasing abgeschlossen hatte, könne nicht als gewichtiger Grund angesehen werden. Die S hätte ihr Vorhaben, Einrichtungsgegenstände zu leasen, mit jedem anderen am Markt vorhandenen Leasingunternehmen verwirklichen können. Die Absicherung der Finanzierung der Wirtschaftsgüter durch die B GmbH spreche ebenfalls dafür, daß die Unternehmensgruppe X ein Eigeninteresse an der Gründung der Klägerin gehabt habe. Es sei keineswegs üblich, daß ein Leasingnehmer die Finanzierung der vom Leasinggeber angeschafften und ihm überlassenen Wirtschaftsgüter übernehme. Dies gelte um so mehr, als der Leasinggeber einen Teil der verleasten Gegenstände erst durch Eintritt in die vom Leasingnehmer abgeschlossenen Kaufverträge erworben habe. Die Klägerin sei gar nicht in der Lage gewesen, die Anschaffung der Wirtschaftsgüter zu finanzieren. Es sei deshalb nicht ersichtlich, welche anderen als investitionszulagenrechtlichen Gründe die S dazu bewogen haben könnten, unter Beibehaltung des vollen finanziellen Risikos die Wirtschaftsgüter nicht zu erwerben, sondern zu leasen.

Auch die Tatsache, daß die S bis zum Bekanntwerden des InvZulG 1982 die strittigen Wirtschaftsgüter selbst bestellt habe, während sie ca. zwei Monate später diese von der bis dahin nicht existenten Klägerin habe leasen wollen, mache deutlich, daß die Klägerin nur im Hinblick auf die Regelung in § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 gegründet worden sei. Selbst wenn man der Auffassung des FG folge, daß jeweils für sich gesehen die getroffenen Vereinbarungen nicht ungewöhnlich seien, so ergebe sich doch aus ihrer Zusammenballung, daß sie unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks unangemessen seien. Die Unangemessenheit sei darin zu sehen, daß nahe Angehörige durch eine Firmengründung einen Investitionszulagenanspruch erhielten, der nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gewollt sei.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Klägerin ein Anspruch auf Investitionszulage zusteht.

1. Steuerpflichtigen i. S. des Einkommensteuer- und des Körperschaftsteuergesetzes wird für begünstigte Investitionen, die sie in einem Betrieb im Inland vornehmen, auf Antrag Investitionszulage gewährt (§ 4 b Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1982). Die Zulage beträgt 10 v. H. der Bemessungsgrundlage; Bemessungsgrundlage ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Begünstigungsvolumen und dem Vergleichsvolumen (§ 4 b Abs. 3 Sätze 1 und 2 InvZulG 1982). Diese Regelung ist in § 4 b Abs. 6 InvZulG 1982 mit einer sog. Konzernklausel verbunden, nach der innerhalb eines Konzerns oder sonstiger verbundener Unternehmen bei bestimmten Beteiligungsverhältnissen die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung des Begünstigungs- und des Vergleichsvolumens dem nutzenden Unternehmen zugerechnet werden.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Klägerin im Begünstigungszeitraum neue bewegliche Wirtschaftsgüter angeschafft hat, welche trotz der langfristigen Nutzungsüberlassung in ihr Anlagevermögen gelangt (BFH-Urteil vom 5. Februar 1987 IV R 105/84, BFHE 149, 255, BStBl II 1987, 448) und dort drei Jahre lang verblieben sind. Das FG hat zutreffend die Voraussetzungen für die Aktivierung der der S überlassenen Einrichtungsgegenstände bei der Klägerin für erfüllt erachtet, weil die Grundmietzeit zwischen 40 und 90 v. H. der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer lag und der S eine Mietverlängerung und Kaufoption mit der Maßgabe eingeräumt worden war, daß der Kaufpreis bzw. die Folgemiete nach dem Restbuchwert oder dem niedrigeren gemeinen Wert zu berechnen sei. Der Umstand, daß ein Teil der angeschafften Wirtschaftsgüter noch von der S selbst bestellt worden war, steht der Gewährung der Investitionszulage im Streitfall unter dem Gesichtspunkt der fristgemäßen Bestellung nicht entgegen. Denn sowohl die Bestellung durch die S als auch der Eintritt in die Kaufverträge erfolgten nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) innerhalb des Begünstigungszeitraums (s. dazu BMF-Schreiben in BStBl I 1982, 569, Tz. 54; vgl. auch Urteil des BFH vom 5. Juli 1991 III R 3/87, BFHE 165, 143, BStBl II 1991, 854, zu § 4 b InvZulG 1975).

2. Das FG hat ferner zu Recht entschieden, daß die Neugründung der Klägerin im Jahre 1982 mit dem Ziel, Investitionsgüter zu erwerben und diese der S und anderen Unternehmungen in Form des Leasing zur Nutzung zu überlassen, keinen Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten darstellt.

Nach § 42 Satz 1 AO 1977 kann das Steuergesetz nicht durch einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden. Eine Gestaltung ist dann rechtsmißbräuchlich, wenn sie, gemessen am erstrebten Ziel, unangemessen und ungewöhnlich ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, u. a. BFH-Urteile vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143; vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942, m. w. N.). Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine unangemessene Gestaltung für die Verwirklichung des Tatbestands einer begünstigenden Gesetzesvorschrift gewählt wird (BFH-Urteil vom 28. November 1990 X R 109/89, BFHE 163, 264, BStBl I 1991, 327). Eine Vertragsgestaltung ist jedoch nicht schon allein deshalb als rechtsmißbräuchlich anzusehen, weil die Vertragsbeteiligten mit ihr den Zweck verfolgen, eine Steuervergünstigung zu erreichen (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272; s. auch BFH-Urteil vom 13. Juli 1989 V R 8/86, BFHE 158, 166, BStBl II 1990, 100 zur Vermietung eines Kfz unter Ehegatten, um den Steuerabzug nach § 19 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1980 zu beanspruchen). Entscheidend ist vielmehr, daß der Steuerpflichtige, dessen Anspruch auf die Vergünstigung zu beurteilen ist, die vom Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Verkehrsauffassung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Zwecke für typisch gehaltene Gestaltung nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 1987 V R 43/78, BFH/NV 1987, 754 unter 2.).

In tatsächlicher Hinsicht hat das FG für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend folgendes festgestellt: Die Gründung der Klägerin, deren alleiniger Gesellschafter zur Zeit der Gründung weder einen anderen Gewerbebetrieb unterhielt noch an einem solchen beteiligt war, hat dazu gedient, die für die von der S betriebenen Geschäfte erforderlichen Einrichtungen zu beschaffen und dieser zur Nutzung zu überlassen. Das FG hat hieraus gefolgert, daß die Einschaltung der Klägerin in den Investitionsvorgang bei den zur "X-Gruppe" gehörenden Unternehmen nicht rechtsmißbräuchlich gewesen sei, und darauf hingewiesen, daß das Anmieten bzw. Leasen von Anlage gütern durch deren Benutzer im Wirtschaftsleben durchaus üblich sei und keine Abweichung von einer angemessenen Sachverhaltsgestaltung darstelle, die der Gesetzgeber als Rechtsgrundlage des § 4 b InvZulG 1982 angesehen haben könnte. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Zweck der Regelung des § 4 b InvZulG 1982 zur Förderung der Beschäftigung war es, eine Verstärkung der Investitionstätigkeit zu bewirken. Eine Investitionszulage sollte für sog. Mehrinvestitionen, d. h. für diejenigen Investitionen gewährt werden, die das durchschnittliche Investitionsvolumen des Unternehmens in den drei dem Begünstigungszeitraum vorangegangenen Jahren übersteigen. Durch diese Regelung sollten Mitnahmeeffekte weitgehend ausgeschlossen werden (BTDrucks 9/1488 S. 10). Die Regelungen der Absätze 3 bis 5 des § 4 b InvZulG 1982 führen dazu, daß ein Unternehmer, dessen Vergleichsvolumen relativ gering ist, das also in den Jahren 1979 bis 1981 wenig investiert hat, hinsichtlich der Beschäftigungszulage verhältnismäßig günstig gestellt ist. Aus dieser Regelung ergibt sich weiterhin, daß im Vergleichszeitraum oder aber nach dem 31. Dezember 1981 gegründete Unternehmen in erheblichem Maße begünstigt sind (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1982, 569, Tz. 99, 100; Dankmeyer, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1982, 427, 432). In der Neugründung eines Unternehmens kann daher kein Widerspruch zum Subventionszweck gesehen werden, denn in der Regel ist mit der Eröffnung eines Betriebs ein wirtschaftlicher Anstoßeffekt verknüpft. Auch eine Leasinggesellschaft kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für von ihr im Begünstigungszeitraum getätigte Investitionen -- d. h. für deren Anschaffungs- und Herstellungskosten -- nach Abzug des Vergleichsvolumens die Investitionszulage beanspruchen. Dies alles schließt in der Regel die Annahme aus, daß Leasinggesellschaften, deren alleinige Aufgabe darin besteht, Investitionsgüter zu erwerben und diese im wesentlichen einem einzigen Unternehmen zur Nutzung zu überlassen, während des in § 4 b InvZulG 1982 genannten Vergleichs- und Begünstigungszeitraums nur zur Umgehung der Regelungen in § 4 b Abs. 3 bis 5 InvZulG 1982 gegründet worden sind.

Hinzu kommt, daß man für die Wahl eines Unternehmens, die benötigten Investitionsgüter zu leasen statt sie zu kaufen, wirtschaftliche Gründe wird geltend machen können. Als solche sind z. B. die Schonung des Eigenkapitals zu nennen, eine Liqui ditätsentlastung des Unternehmens, die nutzungskonforme Laufzeit der Investitionsgüter, die Begrenzung des Überalterungsrisikos etc. (dazu Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 21. Aufl., § 5 EStG Anm. 1115; BFH-Urteil vom 5. Mai 1994 VI R 100/93, BFHE 174, 359, BStBl II 1994, 643). Daraus folgt für den Streitfall, daß weder die Gründung der Klägerin in Form einer Kapitalgesellschaft durch einen in keiner Weise mit den Unternehmen der "X-Gruppe" verbundenen Dritten noch die Überlassung der Investitionsgüter an die S zur Nutzung eine unangemessene Gestaltung darstellen.

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß der Anteilseigner der Klägerin der Vater des hinter der "X-Gruppe" stehenden Y ist. Nach ständiger Rechtsprechung sind zivilrechtlich wirksame Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen auch im Steuerrecht zu berücksichtigen, wenn sie inhaltlich dem unter Fremden Üblichen entsprechen und auch wie unter Fremden vollzogen werden (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Mai 1989 III R 91/87, BFHE 158, 16, BStBl II 1990, 10, m. w. N.). Dies muß erst recht gelten, wenn es sich -- wie im Streitfall -- um Beziehungen zwischen einer rechtlich selbstän digen Kapitalgesellschaft, deren Anteils eigner der Angehörige ist, und einer dritten Person handelt, die nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Die fehlende wirtschaftliche Interessengleichheit zwischen der Klägerin und der "X-Gruppe" rechtfertigt es, an die Angemessenheit und Durchführung der gewählten Rechtsgestaltungen die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei zwischen fremden Dritten bestehenden Rechtsbeziehungen. Anhaltspunkte dafür, daß etwa die Klägerin (bzw. deren Alleingesellschafter) die Investitionszulage an die "X-Gruppe" habe weiterleiten müssen, oder dafür, daß die Klägerin nur zum Schein gegründet worden sei, liegen nicht vor und sind vom FA auch nicht geltend gemacht worden.

Auch der Umstand, daß die S ihr Vorhaben, Einrichtungsgegenstände zu leasen, mit jedem anderen am Markt bereits vorhandenen Leasingunternehmen hätte verwirklichen können, spricht nicht für eine rechtsmißbräuchliche Einschaltung der Klägerin. Dieser Einwand des FA ist eher ein Beleg dafür, daß die Entscheidung der S, die benötigten Wirtschaftsgüter zu leasen statt selbst zu kaufen, auch aus der Sicht des FA nicht ungewöhnlich war. Ungewöhnlich war dann aber auch nicht der Entschluß des Alleingesellschafters der Klägerin, diese zu gründen und dann mit der S entsprechende, deren Bedürfnissen entgegenkommende Verträge abzuschließen. Im übrigen kann -- was in diesem Zusammenhang den Alleingesellschafter der Klägerin oder diese selbst angeht -- jeder Steuerpflichtige sein wirtschaftliches Verhalten im Rahmen der Gesetze frei wählen und gestalten.

Es ist zwar sicherlich nicht die Regel, daß ein Leasingnehmer zur Finanzierung der vom Leasinggeber angeschafften und ihm überlassenen Wirtschaftsgüter beiträgt; doch ist im Streitfall zu berücksichtigen, daß nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG keine direkte Finanzierung durch die S erfolgte, sondern nur die Absicherung der von der Klägerin aufgenommenen Kredite, zuerst gegenüber der V-Bank in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft und später durch die Bestellung einer Grundschuld seitens einer Gesellschafterin der S, der B- GmbH. Das unmittelbare Kreditrisiko verblieb danach bei der Klägerin. Im übrigen sind Unternehmen in ihrer Entscheidung frei, ob und zu welchen Bedingungen sie das der Einkünfteerzielung dienende Vermögen finanzieren. Es handelt sich hierbei um wirtschaftliche Gestaltungen, von denen auszugehen ist, wenn sie rechtlich wirksam umgesetzt werden. Zudem bestand ein wirtschaftliches Interesse, die Investitionsgüter zu möglichst günstigen Konditionen zu verleasen. Bei dieser Ausgangslage war es den Vertragspartnern unbenommen, Vereinbarungen über die den Kreditinstituten gegenüber zu stellenden Sicherheiten zu schließen, zumal die Hingabe der Sicherheiten für die Klägerin eine Verminderung ihres Kreditrisikos bedeutete, und sich damit gleichzeitig mindernd auf das von der S zu zahlende Nutzungsentgelt auswirken konnte, das auch von der Höhe der Refinanzierungskosten bestimmt wird (Bordewin, Leasing im Steuerrecht, 3. Aufl., S. 43).

Auch der Eintritt der Klägerin in die von der S im Begünstigungszeitraum bereits selbst abgeschlossenen Lieferverträge ist keine unübliche Gestaltung bei Leasinggeschäften. Häufig werden die Verhandlungen über den Erwerb des Leasingguts direkt zwischen dem Leasingnehmer und dem Hersteller oder Händler geführt und der Leasinggeber wird erst später eingeschaltet, oft durch Übernahme des zwischen dem Leasingnehmer und Lieferanten abgeschlossenen Kaufvertrags (vgl. z. B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. November 1985 VIII ZR 316/84, Neue Juristische Wochenschrift 1986, 918, BGHZ 96, 302). In Tz. 54 des BMF-Schreibens in BStBl I 1982, 569 wird der Fall einer Leasinggesellschaft ausdrücklich erwähnt, die einen Vertrag übernimmt, den der spätere Leasingnehmer bereits abgeschlossen hat (s. hierzu z. B. auch Schwarz, Betriebs-Berater 1982, 2176, 2178, mit weiteren Hinweisen). Der Eintritt der Klägerin in die Lieferverträge der S war im übrigen nur eine logische Folge der Gründung der Klägerin und der Entscheidung der S, die für ihre Geschäfte benötigten Einrichtungsgegenstände nicht zu kaufen, sondern zu leasen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 619

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge