Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollwertrechtliche Behandlung von Lagerungskosten

 

Leitsatz (NV)

1. § 30 ZG geht den Gemeinschaftsvorschriften über den Zollwert vor.

2. § 30 Satz 2 ZG ist in gleicher Weise zu verstehen wie der vom EuGH ausgelegte Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie, nämlich dahin, daß der Rechnungspreis um die Kosten für die Lagerung in Zollagern in einem EG-Mitgliedstaat zu berichtigen ist.

3. § 30 ZG und Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie gelten nicht für die Kosten einer üblichen Behandlung in Zollagern.

 

Normenkette

ZWVO 1968 Art. 19; EWGRL 69/74 vom 8. 3. 1969, Art. 10 Abs. 2 Buchst. d; EWGRL 71/235 vom 21. 6.1971, Art. 1 Abs. 1; EWGRL 71/235 vom 21. 6.1971, Art. 4; ZG § 30

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin ließ seit Juli 1977 beim Hauptzollamt - HZA - Orgeln zum freien Verkehr abfertigen, die sie vorher nach Rotterdam hatte versenden lassen. In Rotterdam waren die Orgeln bis zu ihrer Auslieferung an die Käufer in einem von der BV verwalteten Zollager eingelagert und dort auf Transportschäden geprüft, sortiert und versandfertig gemacht worden. Die für die Lagerung in Rotterdam entstehenden Kosten beziffert die Klägerin auf 4,2 v. H. der Verkaufspreise. Den Verkauf - frei Haus, verzollt und versteuert - an Facheinzelhändler in der Bundesrepublik Deutschland besorgte BV im Auftrag der Klägerin.

Nachdem der Zoll zunächst auf der Grundlage der den inländischen Käufern in Rechnung gestellten Preise festgestellt worden war, setzte das HZA auf Antrag der Klägerin den Zoll unter Berücksichtigung innergemeinschaftlicher Beförderungskosten, eines Skontos und von Mengenrabatten neu fest. Dagegen lehnte es das Begehren der Klägerin ab, auch die Lagerungskosten von den Rechnungspreisen abzusetzen.

Die Klage blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und, da die Sache nicht spruchreif ist, zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Der Senat kann offenlassen, ob die Verfahrensrüge der Klägerin, mit der diese geltend macht, ihr sei durch eine Überraschungsentscheidung des FG das rechtliche Gehör versagt worden (vgl. § 119 Nr. 3 FGO), durchgreifen kann, weil jedenfalls die dem Revisionsvorbringen zu entnehmende Sachrüge der Klägerin zu dem Ergebnis führt, das eine erfolgreiche Verfahrensrüge haben könnte.

2. Das angefochtene Urteil kann mit der dieses tragenden Begründung, daß die Lagerungskosten im Streitfalle zum Zollwert gehörten, weil weder die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über Zollager noch die Vorschrift des innerstaatlichen Rechts über die Bewertung von Waren nach Lagerung außerhalb des - deutschen - Zollgebiets eine Ausnahme von der entsprechend auszulegenden Zollwertnorm zuließen, keinen Bestand haben. Denn entgegen der Ansicht des FG folgt aus diesen Sondervorschriften, die der ZWVO 1968 vorgehen, daß Kosten der Lagerung und der Erhaltung von Waren während ihrer Lagerung in Gebieten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, soweit in diesen Gebieten auf die betreffenden Waren einer der Gründungsverträge Anwendung findet, nicht in den Zollwert einzubeziehen sind, wenn sie - wie im Streitfalle - von dem Käufer zu tragen sind, der den für die Bewertung maßgebenden Preis gezahlt hat oder zu zahlen hat.

a) Nach Art. 9 Abs. 1 der im Streitfalle anwendbaren ZWVO 1968 kann der gezahlte oder zu zahlende Preis unter bestimmten Voraussetzungen als Zollwert anerkannt werden. Zu diesen Voraussetzungen gehört, daß der Kaufvertrag in einem näher bestimmten Zeitraum durchgeführt wird (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a, Art. 10, Art. 5, ZWVO 1968) und daß der Rechnungspreis, falls erforderlich, berichtigt worden ist, um die Umstände zu berücksichtigen, die sich bei dem Kaufgeschäft von denjenigen Umständen unterscheiden, die dem Normalpreis zugrunde liegen (Art. 9 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 2 Buchst. a, Art. 1 Abs. 2 ZWVO 1968). Die erste Voraussetzung - Zeitraum - hat das FG als erfüllt angesehen. Es ist bei der Bemessung der zeitlichen Toleranz - Zeitraum zwischen Vertragsabschluß und dem für die Ermittlung des Zollwerts maßgebenden Zeitpunkt -, die es im Streitfalle mit 12 Monaten (vgl. Art. 10 Abs. 1 ZWVO 1968 i. d. F. der Verordnung (EWG) Nr. 1735/75 des Rates vom 24. Juni 1975, ABlEG L 183/1 vom 14. Juli 1975) ansetzt, von dem Tag ausgegangen, an dem die Klägerin den Zollantrag auf Abfertigung der aus den Niederlanden im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren eingeführten Waren zum freien Verkehr gestellt hat (Art. 5 Buchst. a ZWVO 1968). Dies ist nicht zu beanstanden. Ein anderer als der vom FG angenommene Zeitpunkt kam nicht in Betracht, denn für den Übergang von Zollversandgut in den freien Verkehr ist ein besonderer Zeitpunkt (vgl. Art. 5 Buchst. b ZWVO 1968) nicht festgelegt. Die in der Lagerrichtlinie (Art. 10 Abs. 2) enthaltene Sondervorschrift für die Berücksichtigung des Rechnungspreises bei der Zollwertermittlung gilt, wie sich aus ihrem Zusammenhang ergibt und wie das FG zutreffend erkannt hat, nur für die Zollwertfeststellung bei der Auslagerung, die nur in dem Mitgliedstaat möglich ist, in dem sich das Zollager befindet, dagegen nicht für die Zollwertfeststellung für Waren, die nach Lagerung in einem Zolllager im Versandverfahren in einen anderen Mitgliedstaat ausgeführt und dort in den freien Verkehr übergeführt werden.

b) Das FG ist - an sich zutreffend - zu dem Ergebnis gelangt, daß der Rechnungspreis im Streitfalle nach den Vorschriften der ZWVO 1968 nicht wegen der im Preis enthaltenen Kosten für die Lagerung der Waren in einem Zollager in Rotterdam zollwertmindernd zu berichtigen war, weil diese Kosten dem Verkäufer zuzurechnende Verkaufskosten sind.

Bei der Ermittlung des Normalpreises eingeführter Waren - Maßstab für eine etwaige Berichtigung des Rechnungspreises (vgl. Art. 9 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 2 Buchst. a ZWVO 1968) - ist davon auszugehen, daß der Verkäufer alle Kosten trägt, die sich auf das Kaufgeschäft beziehen, daß diese somit vom Normalpreis umfaßt werden (Art. 1 Abs. 2 Buchst. b ZWVO 1968). Zu den Verkaufskosten, die in voller Höhe zum Normalpreis rechnen, ohne Rücksicht darauf, ob sie vor oder nach der Lieferung am Ort des Verbringens entstanden sind, gehören nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. Juli 1974 VII R 13/72, BFHE 113, 323, 326, vom 22. April 1975 VII R 10/73, BFHE 116, 228, 230, und vom 12. November 1980 VII R 94/76, BFHE 131, 569, 572 ff.; vgl. auch Urteil vom 20. März 1979 VII R 17/76, BFHE 127, 464, 469) alle Kosten, die sich aus der normalen Vertriebsfunktion des Verkäufers ergeben, also auch, wie der BMF zutreffend dargelegt hat, Kosten einer vorangegangenen Lagerhaltung, etwa in einem Auslieferungslager (vgl. auch Zepf/Recker/Krockauer, Wertverzollung, 3. Aufl., ZWVO Art. 1 Anm. 16.1; Art. 7 Anm. 9). Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung (BFHE 136, 1, 5; vgl. auch Urteil vom 10. April 1979 VII R 18/76, BFHE 128, 275, 276) beruht auf dem Normalpreisbegriff des Art. 1 Abs. 1 ZWVO 1968 und berücksichtigt die Beschaffenheit der konkret eingeführten Waren im maßgebenden Bewertungszeitpunkt. Sie hat nichts zu tun mit der in Art. 1 Abs. 2 ZWVO 1968 geregelten Frage, welchem Vertragspartner eines Kaufgeschäfts bestimmte Kosten zu unterstellen sind. Das gleiche gilt von den von der Klägerin angeführten Sondervorschriften über die Bewertung von unter einem Warenzeichen eingeführten Waren (vgl. Art. 3 ZWVO 1968, insbesondere Abs. 5 Buchst. c), die nur die Voraussetzungen regeln, unter denen der Wert des Rechts zur Benutzung eines ausländischen Warenzeichens vom Normalpreis nicht umfaßt wird.

Allerdings scheint der EuGH davon auszugehen, daß Kosten für die Lagerung von Waren in einem Zollager in der Gemeinschaft schon nach dem Normalpreisbegriff nicht zu den vom Verkäufer zu tragenden Kosten rechnen (EuGHE 1977, 2203, 2212 und 2214, Abs. 15 und 28 der Urteilsgründe). Ob einer solchen Beurteilung für reine Lagerungskosten, auf die sich die Entscheidung des EuGH bezieht, gefolgt werden könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil sich schon aus anderen Gründen (nachstehend Buchst. c) ergibt, daß diese Kosten - nur sie, aber nicht die Kosten einer Lagerbehandlung - nicht in den Zollwert einzubeziehen sind.

c) Die Lagerungskosten sind im Streitfalle aufgrund von § 30 Satz 2 ZG, der in gleichem Sinne auszulegen ist wie Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie, nicht in den Zollwert einzubeziehen.

aa) Den Vorschriften der ZWVO 1968 geht Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie vor. Dies folgt aus Art. 19 ZWVO 1968. Danach läß die ZWVO 1968 Vorschriften von Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane sowie die von den Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit diesen Rechtsakten festgelegten Vorschriften unberührt, welche die Ermittlung des Zollwerts von Waren betreffen, die aus einem besonderen Zollverkehr in den freien Verkehr übergehen (gleichlautend jetzt Art. 20 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren, ABlEG L 134/1 vom 31. Mai 1980, die die ZWVO 1968 abgelöst hat). Zu diesen Vorschriften rechnet außer Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie auch § 30 ZG (vgl. auch Zepf/Recker/Krockauer, a. a. O., ZWVO 1968 Art. 19 Anm. 1.2; ZG § 30 Anm. 3.1). Die zuletzt genannte Vorschrift, die ihre im Streitfalle maßgebende Fassung durch das Sechzehnte Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes vom 18. März 1976 (BGBl I 1976, 701) erhalten hat, ist - als § 33b Abs. 1 - durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes vom 22. Juli 1969 (BGBl I 1969, 879) in das Zollgesetz eingefügt worden, und zwar ,,zur Durchführung" auch von Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie (vgl. die Amtliche Begründung im Bundeszollblatt 1969, 835, 837). Da die Konkurrenzfrage durch das Gemeinschaftsrecht selbst ausdrücklich geregelt ist - im Sinne des Vorrangs auch der einschlägigen Durchführungsvorschriften des innerstaatlichen Rechts -, können aus diesem abzuleitende, von der ZWVO 1968 abweichende Rechtsfolgen den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts entgegen der Ansicht des FG nicht in Frage stellen.

bb) Nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie sind für die Berücksichtigung des Rechnungspreises bei der Zollwertermittlung im Falle der Auslagerung (vgl. vorstehend Buchst. a) die Kosten für die Lagerung und die Erhaltung der Waren (frais d`entreposage et de conservation/costs of warehousing and of preserving) während ihres Verbleibs in Zollagern nicht in den Zollwert einzubeziehen, wenn sie von dem Käufer zu tragen sind, der den für die Bewertung maßgebenden Preis gezahlt hat oder zu zahlen hat. Diese Vorschrift hat der EuGH (EuGHE 1977, 2203, 2214 f.) dahin ausgelegt, daß der Rechnungspreis, wenn er auch Kosten für die Lagerung und die Erhaltung der Ware während ihres Verbleibs in Zollagern ,,im Gebiet der Gemeinschaft" umfaßt, so zu berichtigen ist, daß diese Kosten nicht darin einbezogen sind; dies gelte nicht nur, wenn die betreffenden Kosten dem Käufer getrennt in Rechnung gestellt werden, sondern auch, wenn sie in den dem Käufer berechneten Gesamtpreis einbezogen sind. Dem FG ist zuzugeben, daß die vom EuGH gegebene Begründung nicht in jeder Hinsicht überzeugt. Wird - mit dem EuGH - Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie als bloße Anwendungs- oder Durchführungsvorschrift zu Art. 9 ZWVO 1968 verstanden, so läßt sich die Nichteinbeziehung der Lagerungskosten in den Zollwert nicht ohne weiteres darauf stützen, daß die Kosten ,,als vom Käufer zu tragende, das heißt im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c ZWVO 1968 im Gebiet der Gemeinschaft geschuldete Kosten gelten" (EuGHE 1977, 2214). Denn Art. 1 Abs. 2 Buchst. c ZWVO 1968 unterstellt dem Käufer die im Zollgebiet der Gemeinschaft geschuldeten Eingangsabgaben, die somit nicht vom Normalpreis umfaßt werden, während Art. 1 Abs. 2 Buchst. b ZWVO 1968 dem Verkäufer Kosten unterstellt, u. a. solche, die sich auf das Kaufgeschäft beziehen, die somit vom Normalpreis umfaßt werden. ,,Kosten" können indessen den Eingangsabgaben nicht gleichgesetzt werden, mögen sie sich auch auf deren Höhe auswirken. Aus der Entscheidung des EuGH, die, wie die Klägerin zutreffend ausführt, zu einem Fall ergangen ist, in dem es um die Kosten der Lagerung von Waren gerade in einem der Auslieferung dienenden Zollager ging (Tatbestand Abschn. I Nr. 1; vgl. auch die Ausführungen des Generalanwalts, EuGHE 1977, 2205, 2216), ergibt sich jedoch, daß die Kosten für die Lagerung in Zollagern - auch der Lagerung noch nicht verkaufter Waren - aufgrund von Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie unter der nach dieser Vorschrift geltenden Voraussetzung nicht in den Zollwert einzubeziehen sind. Dabei ist der EuGH offenbar - stillschweigend - davon ausgegangen, daß auch bei dieser Auslegung des Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie die Einschränkung ,,wenn sie von dem Käufer zu tragen sind" ihren Sinn behält, nämlich den klarzustellen, daß eine Berichtigung nur erforderlich ist, wenn es sich um Kosten handelt, die zu einer Änderung in bezug auf den Normalpreis geführt haben und die auf den Käufer abgewälzt werden (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und des Generalanwalts, EuGHE 1977, 2208, 2224, 2226). Dieses zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht ergangene EuGH-Urteil erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie zu verstehen ist, mit der Folge, daß die nationalen Gerichte grundsätzlich verpflichtet sind, die Vorschrift in diesem Sinne auszulegen, und zwar selbst dann, wenn es sich um Rechtsverhältnisse handelt, die vor dem Auslegungsurteil entstanden sind (vgl. EuGH-Urteil vom 27. März 1980, verbundene Rechtssachen 66, 127 und 128/79, EuGHE 1980, 1237, 1264).

cc) Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie - ausgelegt wie durch den EuGH geschehen (vorstehend Buchst. bb) - ist bei der Anwendung von § 30 Satz 2 ZG zu berücksichtigen, denn diese Vorschrift ist zur Verwirklichung des in der Richtlinie enthaltenen Rechtsgedankens - wenn auch nicht zu ihrer eigentlichen ,,Durchführung" - ergangen; ihr Wortlaut stimmt zudem weitgehend mit dem der maßgebenden Richtlinienvorschrift überein. Nur damit kann sichergestellt werden, daß der Rechtsgrundsatz, den Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie in der Auslegung durch den EuGH ausdrückt, wie es geboten ist (vgl. EuGHE 1977, 2203, 2212), in den Mitgliedstaaten einheitlich angewendet wird. Er würde jedoch nicht einheitlich angewendet, wären Lagerungskosten bei unmittelbarer Überführung in den freien Verkehr unter den Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie nicht in den Zollwert einzubeziehen, während sie nicht zollwertmindernd zu berücksichtigen wären, wenn Waren nach ihrer Lagerung in einem Zollager in einen anderen Mitgliedstaat ausgeführt und erst dort zum freien Verkehr abgefertigt werden (Fall des § 30 Satz 2 ZG).

d) Die Voraussetzungen von § 30 Satz 2 ZG liegen im Streitfalle vor, jedoch nur, soweit es sich bei den streitbefangenen Kosten um Kosten der Lagerung von Waren in einem anderen Mitgliedstaat handelt.

aa) Nach den vom FG getroffenen Feststellungen muß davon ausgegangen werden, daß die Kosten auch für die Lagerbehandlung der Orgeln in Rotterdam entstanden sind.

Nicht zum Zollwert gehören aber nur die Kosten der Lagerung und der Erhaltung der Waren, während die Kosten einer Lagerbehandlung - Kosten, die sich auf den Verkauf beziehen (vgl. oben Buchst. b) und die nicht durch Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie und § 30 ZG erfaßt sind - zum Zollwert gehören (vgl. BFHE 116, 228, 231; anders offenbar Zepf/Recker/Krockauer, a. a. O., ZG, § 30 Anm. 2.1). Kosten der Erhaltung der Waren sind die streitbefangenen Kosten nicht, Kosten der Lagerung jedenfalls insoweit, als sie für die Aufbewahrung der Waren entstanden sind, wie die Lagermiete und Versicherungsprämien (vgl. BFHE 116, 228, 231 zu § 33b ZG, § 38 der Wertzollordnung - WertZO -). Darüber hinaus sind nach Ansicht des Senats zu den Lagerungskosten auch die Kosten für solche auf Zollagergut bezogene Tätigkeiten zu rechnen, die auf die Waren selbst, ihre Einteilung und Umschließung nicht einwirken und damit noch nicht einmal Warenbehandlungen sind, auch wenn solche Tätigkeiten in der Gemeinschaftsliste der üblichen Lagerbehandlungen (Art. 1 Abs. 1 der Lagerbehandlungsrichtlinie; vgl. auch § 45 Abs. 3 ZG, § 91 Abs. 1 der Allgemeinen Zollordnung i. V. m. der Bekanntmachung vom 27. Oktober 1971, Bundesanzeiger Nr. 208 S. 1, Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung Z 1303) erfaßt sind. Als derartige Tätigkeit ist das lediglich in einer Besichtigung bestehende Prüfen anzusehen (vgl. Olbertz in Regul, Gemeinschaftszollrecht, 1. Aufl., 1982, Lagerbehandlungsrichtlinie, Art. 1 Anm. 2 = S. 1126). Dagegen fallen Prüfungen zur Inbetriebsetzung von Maschinen und Apparaten unter die Lagerbehandlungen (vgl. Art. 1 Abs. 1 Nr. 11 der Lagerbehandlungsrichtlinie).

Der Senat kann mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilen, welcher Art die Prüfungen sind, die im Streitfalle an den gelagerten Orgeln vorgenommen worden sind. Sollten sie der Inbetriebsetzung oder - entsprechend dem Revisionsvorbringen - der Beseitigung von Mängeln dienen, so würden die dafür entstandenen Kosten zum Zollwert gehören (vgl. auch Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 der Lagerbehandlungsrichtlinie). Jedenfalls zum Zollwert gehören die Kosten für das Sortieren und das Fertigmachen zum Versand, weil diese Tätigkeiten - übliche - Lagerbehandlungen sind (vgl. Art. 1 Abs. 1 Nrn. 8 und 10 der Lagerbehandlungsrichtlinie). Werden übliche Lagerbehandlungen an Zollagergut in Zollagern anderer Mitgliedstaaten vorgenommen, nach deren Recht die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt der Auslagerung maßgebend sind, so werden die dafür entstehenden Kosten stets in den Zollwert einbezogen, außer wenn es sich um lediglich der Erhaltung dienende Maßnahmen (Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie) handelt oder wenn auf Antrag des Anmelders die früheren Bemessungsgrundlagen anerkannt werden (Art. 4 Satz 2 der Lagerbehandlungsrichtlinie). Ein solcher Antrag muß von dem Anmelder gestellt werden, die die Überführung von Lagergut in den freien Verkehr bewirkt oder veranlaßt, und sich, wie der zwischen Art. 4 der Lagerbehandlungsrichtlinie und Art. 10 der Lagerrichtlinie bestehende Zusammenhang zeigt, auf Waren beziehen, für die, soweit sie nicht abgabenfrei sind, Abgaben infolge der Auslagerung entstehen. Wird Zollagergut nicht ausgelagert - aus dem Zollager in den freien Verkehr übergeführt -, sondern im Anschluß an eine Lagerung zu einem anderen Zollverfahren abgefertigt, so ist für einen solchen Antrag bei einer später anschließenden Überführung in den freien Verkehr, gleichgültig, ob im Mitgliedstaat der früheren Lagerung oder in einem anderen Mitgliedstaat, kein Raum. Diese aus dem Gemeinschaftsrecht folgende Regelung ist auch sinnvoll, weil die auf das Lagergut vor seiner Behandlung zutreffenden Merkmale und Umstände in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslagerung - grundsätzlich nur durch die Lagerzollstelle - zuverlässig beurteilt werden können (vgl. auch Art. 21 Abs. 2 des von der Kommission vorgelegten Vorschlags einer Verordnung über Zollager, ABlEG C 283/3 vom 6. November 1985). Insoweit ist die Nichtberücksichtigung von Kosten einer üblichen Lagerbehandlung von anderen, strengeren Voraussetzungen abhängig als die nicht von einem Antrag abhängige Nichteinbeziehung von Kosten für die Lagerung und Erhaltung in den Zollwert aufgrund von Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie. Schon aus diesem Grunde kann dem Vorbringen der Klägerin, für diese wie für jene Kosten müsse dasselbe gelten, nicht gefolgt werden. Hinsichtlich der Lagerbehandlungskosten wird die Klägerin nicht anders behandelt als sie in den Niederlanden behandelt worden wäre, hätte sie die Orgeln dort auslagern und keinen Antrag nach Art. 4 der Lagerbehandlungsrichtlinie stellen oder die Waren nach der Lagerung zu einem neuen Zollverfahren abfertigen und sie erst im Anschluß daran in den Niederlanden in den freien Verkehr überführen lassen. Auch in diesem Falle hätten die Lagerbehandlungskosten sich zollwerterhöhend ausgewirkt. Tritt die gleiche Wirkung ein, wenn die Waren erst nach ihrer Beförderung nach Deutschland zum freien Verkehr abgefertigt werden, so kann darin keine diskriminierende Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte liegen. Die Frage, ob die nach Gemeinschaftsrecht noch zulässigen Unterschiede bei den Verzollungsbedingungen der Auslagerung (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 5. Mai 1982 VII R 28/80, BFHE 136, 8, 15) - Einlagerungszeitpunkt in Deutschland, Auslagerungszeitpunkt in anderen Mitgliedstaaten maßgebend für die Bemessungsgrundlagen - eine Diskriminierung darstellen könnten und welche Folgerungen daraus ggf. zu ziehen wären, stellt sich im Streitfalle schon deshalb nicht, weil eine Auslagerung nicht erfolgt ist.

bb) Die Lagerungskosten waren im Streitfalle auch von den Käufern zu tragen, die den für die Bewertung maßgebenden Preis zu zahlen hatten, obwohl die Kosten den Käufern nicht gesondert berechnet wurden, sondern im Gesamtpreis enthalten waren. § 30 ZG ist, wie ausgeführt, in gleicher Weise auszulegen wie Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie. Soweit nach innerstaatlichem Recht der Rechnungspreis hinsichtlich der Lagerungskosten nur insoweit keiner Berichtigung bedurfte, als die Lagerung ,,für Rechnung" des Zollwertanmelders erfolgte - so für die Kosten der Lagerung in einem Freihafen § 38 WertZO (vgl. auch Zepf/Recker/Krockauer, a. a. O., ZG § 30 Anm. 3.1) -, ist dies durch Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Lagerrichtlinie überholt (vgl. nunmehr auch den Hinweis in dem vom Bundesminister der Justiz herausgegebenen Fundstellennachweis A - Bundesrecht, Stand 31. Dezember 1982, Gliederungsnummer 613-1-2, nach dem die - förmlich nicht aufgehobene - Wertzollordnung inzwischen durch Gemeinschaftsrecht gegenstandslos geworden ist).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414270

BFH/NV 1986, 567

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