Leitsatz (amtlich)

Die Ermächtigung in § 35c Nr. 1 Buchst. b GewStG 1955 entspricht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Bestimmung des § 23 GewStDV 1955 hält sich im Rahmen der genannten Ermächtigung.

 

Normenkette

GewStG § 12 Abs. 5, § 35c Nr. 1; GewStDV § 23

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage der Rechtsgültigkeit der Vorschrift des § 35c GewStG 1955 sowie der Bestimmung des § 23 GewStDV 1955.

Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) wurde mit notariellem Vertrag vom 23. Mai 1956 mit einem Stammkapital von 100 000 DM gegründet und am 25. Mai 1956 in das Handelsregister eingetragen. Ihr Geschäftsjahr läuft jeweils vom 1. Juni bis 31. Mai des darauffolgenden Jahres. Für die Zeit vom 23. bis 31. Mai 1956 wurde ein "Zwischengeschäftsjahr" gebildet. Am 29. Mai 1956 wurde das Stammkapital der Steuerpflichtigen auf 37,5 Mio DM erhöht. Daneben wurden ihr weitere 37,5 Mio DM zugeführt. Die Kapitalerhöhung, die der noch am gleichen Tage erfolgten Anschaffung einer Schachtelbeteiligung an einer namhaften AG diente, wurde im September 1956 in das Handelsregister eingetragen.

In ihrer Gewerbesteuererklärung 1956 wies die Steuerpflichtige gem. § 23 GewStDV an Stelle des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs als Hilfswert ihr in der Eröffnungsbilanz zum 23. Mai 1956 ausgewiesenes Stammkapital von 100 000 DM aus. Der Revisionskläger (das FA) nahm im Bescheid vom 31. Oktober 1959 diesen Hilfswert - ausgehend von der Schlußbilanz für das Rumpfgeschäftsjahr vom 23. bis 31. Mai 1956 - mit 10 441 793 DM an. Der Einspruch der Steuerpflichtigen führte zu einer Heraufsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages. Die Gesellschafter der Steuerpflichtigen hätten bereits bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages die Absicht gehabt, die Gesellschaft innerhalb von acht Tagen mit dem für die Anschaffung der Schachtelbeteiligung erforderlichen Kapital auszustatten; bei dem Erwerb der Beteiligung habe die Steuerpflichtige einen Paketzuschlag gezahlt, was dem FA erst durch die Betriebsprüfung im Februar 1962 bekanntgeworden sei.

Die Klage der Steuerpflichtigen zum FG (mit dem Antrag, einen Steuermeßbetrag nach dem Kapital nicht - hilfsweise nach 100 000 DM - festzusetzen, da § 23 GewStDV durch die Ermächtigung in § 35c GewStG nicht gedeckt sei) hatte Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in den Entscheidungen der FG 1970, 133 veröffentlicht ist, führte aus:

Als Gewerbekapital gelte nach § 12 Abs. 1 und 5 GewStG derjenige Einheitswert des gewerblichen Betriebes, der "auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Ende des Erhebungszeitraums lautet". Für die im Laufe des Jahres 1956 gegründete Steuerpflichtige werde ein solcher Einheitswert erstmals auf den 1. Januar 1957 festgestellt (§ 23 BewG a. F.). Für den Erhebungszeitraum 1956 stütze sich das FA auf § 23 GewStDV (= § 26 GewStDV 1950; dazu Urteil des BFH I 325/56 U vom 5. November 1957, BFH 65, 559, BStBl III 1957, 448). Diese Bestimmung überschreite jedoch nach Ansicht des FG den Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung (§ 35c Nr. 1 Buchst. a-c GewStG), was es in eigener Zuständigkeit zu überprüfen habe (Beschluß des BVerfG 2 BvL 23/62 vom 2. Juni 1964, BVerfGE 18, 52 [59]).

Während nach § 27 der Dritten GewStDV vom 31. Januar 1940 (RStBl 1940, 185) - beruhend auf den §§ 12 und 13 AO damaliger Fassung - das Gewerbekapital bei Eintritt eines Gewerbebetriebes in die Gewerbesteuerpflicht auf den Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht nach den Grundsätzen des § 12 GewStG und des RBewG zu ermitteln und der Festsetzung des Steuermeßbetrages "so lange zugrunde zu legen" gewesen sei, "bis ein nach § 25 maßgebender Einheitswert des gewerblichen Betriebes festgestellt" war, sei es nach § 26 GewStDV 1950 und § 23 GewStDV 1955 - beide beruhend auf § 35c GewStG (dieser eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des GewStG vom 27. Dezember 1951, BStBl I 1952, 2) - "für den ersten Erhebungszeitraum" zu ermitteln. Dadurch sei die Bestimmung in ihrem materiellen Inhalt im Sinne einer zeitlichen Einschränkung abgeändert worden; ferner sei § 25 der Dritten GewStDV, auf den in § 27 Abs. 2 verwiesen worden sei, in veränderter Form in § 12 Abs. 5 GewStG 1950 eingefügt worden. Somit sei § 23 GewStDV 1955 als eine nachkonstitutionelle Bestimmung auf ihre Rechtsgültigkeit hin durch das Gericht nachprüfbar.

§ 35c Nr. 1 GewStG 1955 ermächtige die Bundesregierung - soweit hier von Interesse -, zur Durchführung des GewStG Rechtsverordnungen über die Abgrenzung der Steuerpflicht und über die Ermittlung des Gewerbekapitals zu erlassen, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung von Unbilligkeiten in Härtefällen erforderlich sei. Über diesen ihr durch die Ermächtigung gezogenen Rahmen gehe die Bestimmung des § 23 GewStDV 1955 jedoch insoweit hinaus, als sie die steuerliche Erfassung des Gewerbekapitals für einen Zeitraum (das Gründungsjahr) anordne, für welchen es nach dem Gesetz selbst der Besteuerung noch nicht unterworfen werde (§ 12 Abs. 1 und 5 GewStG). Damit werde durch diese Bestimmung ein zusätzlicher, im Gesetz selbst nicht vorgesehener Steuertatbestand geschaffen, was nach allgemeinen verfassungsmäßigen Grundsätzen dem Gesetzgeber vorbehalten sei (BFH-Urteil II 25/61 vom 20. Mai 1969, BFH 96, 129, BStBl II 1969, 550).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben. Zur Begründung führt es aus:

Die Vorschrift des § 35c Nr. 1 GewStG, die den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG hinsichtlich der Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß genüge, ermächtige die Bundesregierung zum Erlaß von Rechtsverordnungen, deren Inhalt die Festsetzung des Gewerbekapitals und deren Zweck die Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei; das Ausmaß werde durch die Erforderlichkeit der Verordnung "zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung von Unbilligkeiten in Härtefällen" bestimmt. Würde für den Erhebungszeitraum der Betriebseröffnung ein Steuermeßbetrag nach dem Gewerbekapital nicht festgesetzt werden, so würde der neu eröffnete Betrieb im Vergleich zu anderen, bereits am 1. Januar des Jahres bestehenden Betrieben besser gestellt sein. Demgemäß habe bereits der BFH im Urteil I 325/56 U (a. a. O.) den Ansatz eines Gewerbekapitals nach § 26 GewStDV 1950 anerkannt, wenn er auch im Streitfall aus anderen Gründen nicht zum Ansatz des Hilfswerts, sondern eines Einheitswerts nach § 12 Abs. 5 GewStG gelangt sei.

Was den Beginn der Gewerbesteuerpflicht betreffe, so ergebe sich dieser nicht aus § 23 GewStDV 1955, sondern aus § 2 GewStG. Die Steuerpflicht der Kapitalgesellschaft beginne - einheitlich für Gewerbeertrag, Gewerbekapital und Lohnsumme - mit ihrer Eintragung in das Handelsregister. Der vom FG aus § 12 Abs. 5 GewStG gezogene Schluß, daß wegen Fehlens eines Einheitswerts bei Beginn der Steuerpflicht ein Steuermeßbetrag nach dem Gewerbekapital nicht festgesetzt werden könne, gehe fehl. Die Zulässigkeit des Ansatzes von Hilfswerten - sowohl für den Beginn als auch für das Ende der Steuerpflicht - ergebe sich auch aus § 13 Abs. 4 GewStG.

Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie läßt vortragen:

Bereits die Ermächtigungsvorschrift des § 35c Nr. 1 GewStG verstoße gegen Art. 80 Abs. 1 GG. Inhalt dieser Vorschrift dürfe, soweit sie "die Ermittlung ... des Gewerbekapitals" betreffe, nur die Durchführung des Gesetzes sein. Da das Gesetz jedoch seinerseits nach einhelliger Auffassung den Begriff des Gewerbekapitals nicht selbst bestimme, sondern sich mit der Regelung der Ermittlung des Gewerbekapitals begnüge, dürfe die Ermächtigung zum Erlaß einer Verordnung zur Durchführung des Gesetzes nicht schlechthin die Ermittlung des Gewerbekapitals, müsse sie vielmehr konkrete Richtlinien zur Ermittlung des Gewerbekapitals zum Inhalt haben. Auch das Ausmaß der Ermächtigung sei dem Gesetz nicht zu entnehmen; insbesondere ergebe sich aus § 35c GewStG nicht, daß der Gesetzgeber für den Beginn der Gewerbesteuerpflicht von den Grundsätzen des § 12 Abs. 1 und 5 GewStG habe abweichen wollen. Auch aus § 13 Abs. 4 GewStG ergebe sich die Zulässigkeit einer solchen Abweichung nicht. Das Gebot der Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung betreffe für den streitigen Erhebungszeitraum allein die Vorschrift des § 35c Nr. 1 Buchst. c GewStG; eine Änderung hierin sei erst mit der Neufassung des GewStG vom 19. Dezember 1957 (BStBl I 1958, 2 [10]) eingetreten.

Die Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsvorschrift jedoch unterstellt, überschreite § 23 GewStDV 1955 den Rahmen der Ermächtigung und sei deshalb nichtig. Nach § 12 GewStG blieben Vermögensänderungen, die im Laufe des Erhebungszeitraumes einträten, unberücksichtigt. Das gelte auch für Vermögensänderungen durch Neugründung. Die Bestimmung des § 23 GewStDV 1955 habe somit gesetzesändernden Charakter. Im Streitfall komme hinzu, daß im Gründungsjahr weder über § 12 Abs. 3 Nr. 2 GewStG noch über § 60 BewG a. F. ein Ausscheiden der Beteiligung aus dem Gewerbekapital erreicht werden könne und damit zeitweilig eine echte Doppelbelastung vorliege.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages.

1. Durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BStBl I 1954, 575) ist das GewStG mit Wirkung erstmals für den Erhebungszeitraum 1955 geändert und ergänzt worden (s. für § 35c GewStG Abschn. IV Art. 8 Nr. 7, Art. 9 Abs. 1). Die GewStDV ist mit Wirkung ebenfalls erstmals für den Erhebungszeitraum 1955 auf Grund des § 35c GewStG i. d. F. vom 21. Dezember 1954 (BStBl I 1954, 694) neu beschlossen und verkündet worden (s. GewStDV 1955 vom 24. März 1956, BStBl I 1956, 212). Von der so gegebenen Rechtslage geht der Senat für seine Entscheidung aus.

Zur Bedeutung des Unterschiedes von Neufassung und Abänderung bzw. Ergänzung einer Rechtsverordnung verweist der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen des BVerfG im Beschluß 2 BvF 1/60 vom 16. Mai 1961 (BStBl I 1961, 432 [434 r. Sp. unten]).

2. Der erkennende Senat hat im Urteil I 100/58 U vom 14. Juli 1959 (BFH 69, 230, BStBl III 1959, 349) die Grundsätze aufgezeigt, nach denen zu bestimmen ist, ob eine in einem Steuergesetz erteilte Ermächtigung zum Erlaß einer (begünstigenden) Rechtsverordnung dem Grundsatz der Spezialität der Ermächtigung im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht, d. h. ob das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung selbst in ausreichendem Maße bestimmt.

a) Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG soll nach dem Beschluß des BVerfG 2 BvL 18/56 vom 5. März 1958 (BVerfGE 7, 282 [301]) "den Gesetzgeber zwingen, die für die Ordnung eines Lebensbereichs entscheidenden Vorschriften selbst zu setzen und, sofern Einzelregelungen der Exekutive überlassen bleiben, sie nach Tendenz und Ausmaß so weit zu bestimmen, daß der mögliche Inhalt der zu erlassenden Verordnungen voraussehbar ist". Danach verstößt ein Gesetz, das eine Steuer einführt, und es dem Verordnungsgeber überläßt, das für sie Wesentliche zu bestimmen, gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich, daß die Ermächtigung an den Verordnungsgeber so bestimmt sein muß, daß schon aus ihr und nicht erst aus der auf sie gestützten Verordnung erkennbar und vorhersehbar sein muß, was von dem Bürger gefordert werden kann (BFH-Urteil I 100/58 U, a. a. O.).

b) Um Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung bestimmen zu können, kann - neben dem Wortlaut und dem Inhalt der Ermächtigungsvorschrift - auch der Sinnzusammenhang berücksichtigt werden, in dem diese Vorschrift zu anderen Vorschriften des Gesetzes steht (Beschluß des BVerfG 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 vom 12. November 1958, BVerfGE 8, 274 [307]). Es ist insbesondere nicht erforderlich, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Text des Gesetzes ausdrücklich bestimmt sein müssen, wenn sie sich in Ansehung des Gesetzes, insbesondere in Ansehung seiner Normen und des Sinnzusammenhangs zwischen der Ermächtigungsvorschrift und diesen Normen, im Wege der Auslegung der Ermächtigungsvorschrift ergeben. "Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist" (Urteil des BVerfG 2 BvH 2/52 vom 21. Mai 1952, BVerfGE 1, 299 [312]).

c) Prüft man unter diesen Gesichtspunkten die Vorschrift des § 35c Nr. 1 GewStG 1955, so ist die in ihr enthaltene Ermächtigung, soweit sie "die Ermittlung ... des Gewerbekapitals" betrifft, ausreichend bestimmt.

§ 12 GewStG regelt unter der - nur bedingt zutreffenden - Überschrift "Begriff des Gewerbekapitals", was als Gewerbekapital gilt (nämlich der auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Ende des Erhebungszeitraums lautende Einheitswert mit den sich nach dieser Vorschrift ergebenden Änderungen). Was als Gewerbekapital eines Betriebes zu gelten hat, der erst im Laufe des Erhebungszeitraums neu gegründet wird, für den naturgemäß ein Einheitswert auf den 1. Januar des Gründungsjahres nicht besteht und im Wege der Nachfeststellung erst auf den der Gründung folgenden 1. Januar festgestellt wird (§ 23 BewG a. F.), sagt das Gesetz nicht ausdrücklich.

Dennoch kann diesem (nur scheinbaren) "Schweigen" des Gesetzes nicht entnommen werden, daß das Gewerbekapital eines erst im Laufe des Erhebungszeitraums neu gegründeten Betriebes bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für diesen ersten Erhebungszeitraum unberücksichtigt bleiben solle. Das widerspräche dem klaren Willen des Gesetzes, wie er in der Heranziehung des Gewerbekapitals zur Steuer (vgl. §§ 6, 12, 13 Abs. 4 GewStG) zum Ausdruck kommt. Nur wie in diesen Fällen zu verfahren, "das Gewerbekapital zu ermitteln" ist, ist in § 35c Nr. 1 GewStG der Regelung durch Rechtsverordnung überlassen. Die in dieser Vorschrift ausgesprochene Ermächtigung ist vom Zwecke des Gesetzes her - Erfassung des im Betrieb arbeitenden Kapitals von Anfang an - damit zugleich ihrem Inhalt wie ihrem Zweck nach hinreichend bestimmt.

Die Ermächtigung ist aber auch - vom Zwecke des Gesetzes her - zugleich ihrem Ausmaß nach hinreichend bestimmt. Denn was als Gewerbekapital des neu gegründeten Betriebes allein in Betracht kommen kann, ist für jeden unbefangenen Leser des Gesetzes das diesem Betrieb im Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht gewidmete (wenn auch noch nicht einheitswertmäßig festgestellte) Kapital mit den sich nach § 12 GewStG ergebenden Änderungen.

3. Der Steuerpflichtigen und dem FG kann auch nicht darin gefolgt werden, daß die Bestimmung des § 23 GewStDV 1955 über den Rahmen der Ermächtigungsvorschrift des § 35c Nr. 1 GewStG 1955 hinausgehe.

a) Daß die Bestimmung des § 23 GewStDV 1955 die Steuerpflicht des Betriebes hinsichtlich des Gewerbekapitals für den ersten Erhebungszeitraum (das Gründungsjahr) nicht begründet, die Steuerpflicht vielmehr auch für diesen ersten Erhebungszeitraum unmittelbar aus dem Gesetz selbst folgt, ist bereits oben ausgeführt worden. Daß sie auch das Ausmaß dieser Steuerpflicht - das Gewerbekapital, das "auf den Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht nach den Grundsätzen des § 12 des Gesetzes und des BewG zu ermitteln" ist - nicht begründet, das Ausmaß vielmehr - logisch aus dem Zweck des Gesetzes folgend - nur für die praktische Gesetzesanwendung klarstellt, ist ebenfalls bereits oben ausgeführt worden.

b) Damit hält sich aber die Bestimmung des § 23 GewStDV 1955 auch im Rahmen der Ermächtigung; denn sie "begründet" nichts, was sich nicht bereits aus dem Gesetz selbst ergibt, und stellt somit im Sinne der Ermächtigung nur klar, was in Erfüllung des Gesetzesbefehls als das Gewerbekapital für den ersten Erhebungszeitraum gilt.

4. Das so "nach den Grundsätzen des § 12 des Gesetzes und des BewG" für den ersten Erhebungszeitraum zu ermittelnde Gewerbekapital ist - mangels eines Einheitswerts - ein Hilfswert. Seine Ermittlung erfolgt "auf den Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht". Das FG hat indes verkannt, daß der Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht im Streitfall der 23. Mai 1956 (der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und der Aufstellung der Eröffnungsbilanz; s. auch Abschn. 21 Abs. 2 GewStR 1955) und daß das in diesem Zeitpunkt nach den genannten Grundsätzen zu ermittelnde Gewerbekapital der Steuerpflichtigen das in der Eröffnungsbilanz zum 23. Mai 1956 ausgewiesene Stammkapital von 100 000 DM ist. Die erst am 29. Mai 1956 erfolgte Kapitalerhöhung bleibt außer Betracht, wie sich aus § 12 Abs. 5 GewStG ergibt (s. auch BFH-Urteil I 325/56 U, a. a. O.: "Wertsteigerungen des Betriebsvermögens sollen für das Gewerbekapital nur ausgewertet werden, wenn im Wege der Neufeststellung und Fortschreibung ein anderer Einheitswert festgestellt ist, und erst ab dem Stichtag, auf den der neue Einheitswert festgestellt wird. Das Gesetz nimmt um der Vereinfachung willen in Kauf, daß in gewissen [- zeitlichen -] Grenzen Vermögenssteigerungen sich gewerbesteuerlich nicht auswirken").

5. Trifft es nach alledem einmal nicht zu, daß das (im Wege der Nachfeststellung erst auf den 1. Januar des der Eröffnung des Betriebes folgenden Jahres einheitswertmäßig festzustellende) Betriebsvermögen bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für den ersten Erhebungszeitraum unberücksichtigt zu bleiben habe, so trifft es zum anderen auch nicht zu, daß die Steuerpflichtige durch den Ansatz des so ermittelten Gewerbekapitals in Ansehung der Vorschriften des § 12 Abs. 3 Nr. 2 GewStG bzw. § 60 BewG a. F. benachteiligt sei. Der Besitz einer Schachtelbeteiligung wird nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 GewStG überhaupt nicht, nach § 60 BewG a. F. nur dann (über den Einheitswert das Gewerbekapital mindernd) berücksichtigt, wenn die Steuerpflichtige nachweislich seit Beginn des Wirtschaftsjahres, das dem Feststellungszeitpunkt vorangeht, ununterbrochen an dem Grund- oder Stammkapital einer anderen inländischen Kapitalgesellschaft in Form von Aktien, Kuxen und Anteilen mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt war. Die Berücksichtigung der am 29. Mai 1956 erworbenen Schachtelbeteiligung bliebe danach auch dann außer Betracht, wenn bereits auf den 1. Januar oder den 23. Mai 1956 ein Einheitswert für den gewerblichen Betrieb der Steuerpflichtigen festgestellt worden wäre.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 594

BFHE 1971, 285

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