Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des Begriffs "Imprägnieren" im Sinne des § 72 Ziff. 8 UStDB 1951.

 

Normenkette

UStG 1951 § 16 Abs. 1; UStDB 1951 § 70 Abs. 2 Ziff. 2, § 72 Ziff. 8

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) vertreibt klinische Bedarfsartikel, die er teils selbst herstellt, teils erwirbt. Der Streit geht um Ausfuhrlieferungen mit klinischen Nähfäden, die der Stpfl. im Inland erworben hat. Die Nähfäden bestehen aus sogenanntem Catgut (im Streitfalle aus Schafdarm bestehend) und werden vom Stpfl. in Knäueln zu 10--50 m Länge bezogen, wobei sich jeweils mehrere Knäuel in einem Zellophanbeutel befinden. Der Stpfl. entnimmt den Beuteln einzelne Knäuel und legt sie in 90--96 %igen Alkohol, dem eine Ampulle konzentrierter Jodlösung auf 1 Liter Flüssigkeit zugesetzt wird. Die Knäuel werden sodann in einem Trockenschrank getrocknet und danach mit Pinzetten in vom Stpfl. sterilisiertem Papier eingewickelt. Daraufhin werden die einzelnen Knäuel nochmals mit der Hand in Fließ- (Filtrier-) Papier oder Zellophanpapier verpackt.

Der Stpfl. beansprucht für Ausfuhrlieferungen dieses Präparats im vierten Vierteljahr 1952 Ausfuhrhändlervergütung nach § 16 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an Stelle der ihm vom Finanzamt nur zugebilligten Ausfuhrvergütung nach § 16 Abs. 2 UStG.

Das Finanzamt betrachtete die vom Stpfl. vorgenommene Behandlung nicht als gemäß § 72 Ziff. 8 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 unschädlich, wonach das Imprägnieren von Catgutfäden mit Jod besonders zugelassen ist, weil das Catgut beim Erwerb durch das Imprägnieren mit Jod bereits im Fadeninnern steril gemacht sei. Durch die vom Stpfl. vorgenommenen Arbeiten werde es für Operationen erst gebrauchsfertig, d. h. vollständig keimfrei gemacht, da es in dem vom Stpfl. bezogenen Zustand noch nicht als absolut keimfrei und daher, wenn überhaupt, nur bedingt verwendbar sei; der Stpfl. nehme daher eine Sterilisierung vor, die über die in § 72 Ziff. 8 a. a. O. zugelassene Behandlung hinausgehe; auch sei der Jodanteil bei der vom Stpfl. verwendeten Lösung so gering, daß von einem Imprägnieren mit Jod nicht mehr gesprochen werden könne.

Die gegen die Ablehnung der Ausfuhrhändlervergütung gerichtete Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat im Berufungsverfahren ein Gutachten der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie eingeholt. Hiernach ist das Finanzgericht zu der Auffassung gekommen, die vom Stpfl. zur Sterilisierung vorgenommene Jodbehandlung des Catgut lasse sich überhaupt nicht ausführen, ohne daß infolge des Durchtränkens mit dem chemisch wirksamen Stoff zwangsläufig auch eine Imprägnierung eintrete. Wenn die Catgutfäden mit Jod sterilisiert würden, so würden sie damit also gleichzeitig "mit Jod imprägniert". Bei dieser chemischen Gegebenheit sei damit ein Vorgang überhaupt nicht denkbar, der die vom Gesetzgeber nach § 72 Ziff. 8 a. a. O. beabsichtigte Begünstigung des "Imprägnierens von Catgutfäden mit Jod" zum Inhalt hätte, ohne zugleich eine Sterilisierung dieser Gegenstände zu bedeuten.

 

Entscheidungsgründe

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Nach Sprachgebrauch und Verkehrsauffassung bedeutet Imprägnieren die Durchtränkung eines festen Körpers mit Flüssigkeit, um ihn gegen verschiedene schädliche Einflüsse widerstandsfähig zu machen. Nichts anderes hat der Stpfl. getan. Die Flüssigkeit bestand im Streitfalle aus einer Jodlösung. Der Stpfl. hat also, wie sich schon hieraus ergibt, dem § 72 Ziff. 8 a. a. O. entsprochen. Bei der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse im Umsatzsteuerrecht (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs V 51/52 U vom 27. April 1953, Slg.Bd. 57 S. 461, Bundessteuerblatt -- BStBl. -- III S. 179) kann es aber weder darauf ankommen, ob man den Vorgang als "sterilisieren", "nachsterilisieren" oder "nachimprägnieren" bezeichnet, noch ist der angeführten Bestimmung zu entnehmen, daß die zugelassene Maßnahme des "Imprägnierens mit Jod" nicht mit der Absicht der Sterilisierung, also des Keimfreimachens, verbunden sein dürfe, daß sie also den Tatbestand nach subjektiven Merkmalen ausgelegt wissen wollte. Zutreffend hebt die Vorentscheidung hervor, daß der Begriff vielmehr, da es an einer gesetzlichen Begriffsbestimmung fehlt, nach der Verkehrsauffassung auszulegen sei. Nach dem Gutachten eines für die hier zu entscheidende Frage maßgeblichen Wirtschaftsverbandes erfolgt die Sterilisierung von Catgut u. a. auch in der Form der Durchtränkung mit Jod, also durch Imprägnierung, so daß die Begriffe des Sterilisierens und Imprägnierens jedenfalls bei dem zu beurteilenden Vorgang ineinander übergehen.

Wenn das Finanzamt hervorgehoben hat, daß durch die Maßnahmen des Stpfl. die Ware erst gebrauchsfertig gemacht worden sei, während sie im Erwerbszeitpunkt nur bedingt verwendungsfähig gewesen sei, so übersieht es, daß eine Änderung der Wesensart des Liefergegenstandes bei allen im § 72 a. a. O. besonders zugelassenen Bearbeitungsvorgängen eintritt, andernfalls es dieser Bestimmung gar nicht bedurft hätte (vgl. § 70 Abs. 2 Ziff. 2 UStDB 1951). Es ist auch nicht einzusehen, daß zwar das vorangegangene Imprägnieren mit Jod, das auch eine Sterilisierung, und zwar des Faden innern bewirkt hat, unter § 72 Ziff. 8 a. a. O. fallen soll, nicht aber das hier zu beurteilende nochmalige Imprägnieren mit Jod, das die Wiederherstellung der äußeren Sterilität zu Folge hat.

Läßt hiernach die Vorentscheidung weder einen Rechtsirrtum noch einen Aktenverstoß erkennen, so kann es auf das vom Finanzamt erst im Rechtsbeschwerdeverfahren beigebrachte Gutachten, dessen tatsächliche Ausführungen im übrigen bestritten sind, nicht mehr ankommen. Abgesehen davon, daß die Auffassung dieses Gutachtens, von einer Imprägnierung von Catgut mit Jod könne nur gesprochen werden, wenn durch die Jodbehandlung die sogenannte "Resorptionszeit" des Catgutfadens festgelegt werde, in der gesetzlichen Bestimmung keinen Ausdruck gefunden hat, steht dieses Gutachten zu dem ersterwähnten Gutachten und auch zu der vom Stpfl. beigebrachten Äußerung des Direktors eines hygienischen Instituts einer Universität (abgedruckt in der Münchener Medizinischen Wochenschrift, 1932 Nr. 20 S. 790) in Widerspruch. Soll, wie das zweite Gutachten ausführt, die Resorptionsfähigkeit vom Härtegrad des Fadens abhängen, so wird nach jener Äußerung die Härtung des Fadens nicht durch Jod, sondern durch einen Chromzusatz bewirkt. Zudem beruht das zweite Gutachten auf Äußerungen von Sachverständigen, die nicht genannt sein wollen und gebeten haben, sie nicht als Sachverständige zuzuziehen. Unter diesen Umständen aber ist dieses Gutachten nicht geeignet, das vom Finanzgericht eingeholte Gutachten zu entkräften.

Im übrigen ergibt der Akteninhalt, daß die anderen Voraussetzungen der dem Stpfl. allein zugebilligten Ausfuhrhändlervergütung nach § 70 a. a. O. gegeben sind, insbesondere stellen sich die weiteren Maßnahmen des Stpfl. als steuerunschädliches Umpacken nach § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 dar.

Hiernach war die Rb. mit der Kostenfolge des § 309 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407943

BStBl III 1954, 219

BFHE 1955, 30

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