Entscheidungsstichwort (Thema)

Verluste eines selbständigen Kunstmalers

 

Leitsatz (NV)

Erzielt ein selbständiger Kunstmaler während vier der ersten fünf Jahre seiner Tätigkeit Gewinne und hernach neun Jahre Verluste, so liegt darin kein ausschlaggebendes Beweisanzeichen dafür, daß ihm die ernstliche Absicht der Gewinnerzielung fehlte.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als für das Fachgebiet Malen und Zeichnen zuständiger Hochschullehrer.

Er hatte sich in seiner Wohnung ein Atelier eingerichtet, in dem er Bilder malte. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit erklärte der Kläger Gewinne und Verluste aus selbständiger Tätigkeit.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ den für das Streitjahr 1981 erklärten Verlust unberücksichtigt, da es sich bei der Tätigkeit des Klägers um Liebhaberei handle.

Der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.

Im Klageverfahren trugen die Kläger vor, er, der Kläger, habe die Absicht, mit seiner Tätigkeit Gewinne zu erzielen. Er sei zwar ständig produktiv und beteilige sich wiederholt an Ausstellungen. Ein selbständiger Maler könne aber seine Bilder nicht jedes Jahr in gleichem Umfang verkaufen. Im Jahre 1980 seien nur im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Aufwendungen, auch wegen einer Sonderabschreibung, Verluste entstanden. Seine nebenberufliche Tätigkeit als Kunstmaler stehe in engem Zusammenhang mit seiner Haupttätigkeit als Hochschullehrer, da er den Studenten praktische Anleitungen im Malen und Zeichnen geben müsse. Er müsse deshalb das Malen und Zeichnen ständig üben.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus:

Der Kläger habe keine (negativen) Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt. Den äußeren Umständen nach sei seine Tätigkeit als Kunstmaler als sog. Liebhaberei zu werten. Denn von 1975 bis einschließlich 1983 seien nur Verluste entstanden. Der Verkauf der selbstgemalten Bilder in diesen neun Jahren sei nicht geeignet gewesen, Überschüsse zu erwirtschaften. Bei einer künstlerischen Tätigkeit könne zwar eine Anlaufzeit von acht bis zehn Jahren, in der üblicherweise Verluste entstünden, als angemessen angesehen werden. Danach müßten aber Überschüsse absehbar sein. Hierfür gäbe es im Streitfall jedoch keine Anhaltspunkte. Bei gleichbleibenden Verhältnissen sei daher auch in Zukunft nicht mit Gewinnen zu rechnen. Der Kläger selbst erwarte Überschüsse nur dann, wenn seine Werke in den von ihm ständig beschickten Ausstellungen in der Kunstwelt solche Aufmerksamkeit erregten, daß sie häufiger zu höheren Preisen verkauft werden könnten.

Der Aufwand, den der Kläger nach Verrechnung mit evtl. Einnahmen aus Bildverkäufen zu tragen habe, sei jedoch bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten zu berücksichtigen. Alle Aufwendungen des Klägers, die im Zusammenhang mit seiner Hochschullehrertätigkeit stünden, gehörten zu den Werbungskosten. Der genannte Aufwand sei durch die Lehrtätigkeit veranlaßt, da er im inneren Zusammenhang mit den Aufgaben des Klägers als Hochschullehrer stehe. Der Kläger könne das von ihm vertretene Fach ,,Malen und Zeichnen" ohne ständige praktische Erfahrungen nicht lehren. Hätte er sich für Übungszwecke zu Hause ein Arbeitszimmer eingerichtet und dort gezeichnet und gemalt, um sich so auf seine Lehrtätigkeit an der Hochschule vorzubereiten, wären die Ausgaben als Werbungskosten ohne weiteres abziehbar. An dieser Beurteilung ändere sich nicht dadurch etwas, daß der Kläger versuche, seine Bilder zu verkaufen und dadurch im Ergebnis den Aufwand mindere.

Eine teilweise Zuordnung der Aufwendungen zu der nichtselbständigen Hochschullehrertätigkeit und zu einer auf Veräußerung von Bildern gerichteten selbständigen (freiberuflichen) Tätigkeit komme mangels objektiven Aufteilungsmaßstabes nicht in Betracht, wäre gekünstelt und entspräche nicht der Wirklichkeit. Denn male der Kläger als Hochschullehrer ein Bild, so diene das zunächst seiner künstlerischen Fortentwicklung und damit der Erhaltung seiner fachlichen Kompetenz für die Lehrtätigkeit; das hergestellte Werk stehe aber stets auch zu einer Veräußerung zur Verfügung. Beides sei untrennbar miteinander verbunden.

Das FA hat gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 488 veröffentlichte Urteil des FG Revision eingelegt, mit der es die Verletzung materiellen Rechts wie folgt rügt:

Das FG habe die vom Kläger als Betriebsausgaben deklarierten Aufwendungen zu Unrecht als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG qualifiziert. Der Kläger habe seine Aufwendungen als Kunstmaler getätigt, um Einnahmen aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erzielen. Die Ausgaben hingen nicht untrennbar mit den Hochschullehrereinkünften zusammen. Das FG hätte die nichtberücksichtigten Aufwendungen durch Schätzung gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) auf beide Tätigkeitsbereiche aufteilen können.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Ergebnis nicht begründet.

Der Kläger hat im Streitjahr einen zwischen den Beteiligten der Höhe nach nicht streitigen Verlust aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Entgegen der Ansicht des FG ist dieser Verlust nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Er ist vielmehr als solcher bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit anzusetzen, da der Kläger als Kunstmaler mit Gewinnabsicht handelte, seine Tätigkeit daher nicht als ,,Liebhaberei" anzusehen ist.

1. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit u. a. die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Dazu gehört auch die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Kunstmaler. Einkünfte in diesem Sinne können nur vorliegen, wenn die Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1985 IV R 84/82, BFHE 144, 49, BStBl II 1985, 515). Hierunter versteht man die Absicht, einen betrieblichen Totalgewinn zu erstreben. Totalgewinn ist das positive Gesamtergebnis des Betriebs von der Gründung bis zur Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation (BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766).

Die Gewinnerzielungsabsicht als innere Tatsache kann nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden, weshalb im Einzelfall anhand objektiver Umstände auf das Vorliegen oder Fehlen dieser Absicht geschlossen werden muß (BFHE 144, 49, BStBl II 1985, 515, m. w. N.). Dies erfordert eine in die Zukunft gerichtete langfristige Beurteilung, wofür die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten können (BFH-Urteil vom 14. März 1985 IV R 8/84, BFHE 143, 355, BStBl II 1985, 424).

Bei Kunstmalern wie dem Kläger setzt die Bejahung der Gewinnerzielungsabsicht mithin voraus, daß die Tätigkeit auf Dauer dazu geeignet und bestimmt ist, Gewinne zu erzielen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich bei einer künstlerischen Tätigkeit positive Einkünfte vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen, da die Bilder erst auf einen entsprechenden Widerhall in der Öffentlichkeit stoßen müssen. Über mehrere Jahre anhaltende Verluste führen deshalb nicht notwendig zur Verneinung einer Gewinnerzielungsabsicht. Ist aber nach einer nicht zu kurz bemessenen Anlaufzeit festzustellen, daß der Bilderverkauf trotz entsprechender Bemühungen zu keinen Gewinnen führt und daß unter den gegebenen Umständen auch keine Aussicht besteht, ein positives Gesamtergebnis zu erzielen, so muß aus der Fortsetzung der verlustbringenden Tätigkeit geschlossen werden, daß der Kunstmaler fortan nicht mehr zur Gewinnerzielung, sondern nur aus persönlichen Gründen tätig ist (BFHE 144, 49, BStBl II 1985, 515, m. w. N.). Die weiterhin erzielten Verluste dürfen das zu versteuernde Einkommen dann nicht mehr mindern.

2. Das FG hat im Streitfall zu Unrecht die Gewinnerzielungsabsicht des Klägers bei seiner Tätigkeit als Kunstmaler verneint.

Die Entwicklung der betreffenden Einkünfte des Klägers bis zum Streitjahr 1981 zeigt, daß der Kläger während vier der ersten fünf Jahre seiner Tätigkeit Gewinne erzielt und erst ab 1975 jeweils mit Verlusten abgeschlossen hat. Die vier Gewinnjahre belegen, daß er mit seiner selbständigen Tätigkeit durchaus nachhaltig Gewinne erzeugen konnte. Der Umstand, daß der Kläger aus dem Verkauf der Bilder von 1975 bis 1983 nur Verluste erwirtschaftete, ist unter diesen Umständen kein ausschlaggebendes Beweisanzeichen dafür, daß ihm die ernstliche Absicht der Gewinnerzielung fehlte. Insofern besteht ein Unterschied zu den Fällen, in denen von Anfang an über viele Jahre hinweg ausschließlich Verluste erzielt werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 696

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge