Entscheidungsstichwort (Thema)

Kaufvertrag mit Rücktrittsvorbehalt als wirksame Bestellung im Sinn des § 4 b InvZulG 1975

 

Leitsatz (NV)

Eine wirksame Bestellung im Sinn des § 4 b InvZulG 1975 liegt auch dann vor, wenn in einem Kaufvertrag ein bedingter Rücktrittsvorbehalt vereinbart ist und der Steuerpflichtige keinen Einfluß auf den Eintritt der Bedingung hat.

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 4b

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Fuhrunternehmen. Im Juni 1975 verhandelte er mit der Firma A, einer Fachspedition für Fahrzeugtransporte, über die Anschaffung eines Spezialfahrzeugs zum Transport von PKW. Mit Schreiben vom 26. Juni 1975 bestätigte die Firma A die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung wie folgt:

,,. . . Sie erwerben von uns einen PKW-Spezialtransporter, Fabrikat F, Aufbau und Anhänger R, zum Gesamtpreis von DM 135 000 + MwSt zum Einsatz ab 1. Januar 1976 im Güternahverkehr ab unserem neuen Stützpunkt X.

Für den Fall, daß sich unsere Auftragslage nicht so günstig entwickelt, daß wir Ihnen eine Vollbeschäftigung dieses Fahrzeuges garantieren können, haben Sie ein Rücktrittsrecht von diesem Kauf, ohne daß Ihnen hieraus irgendwelche Belastungen erwachsen.

Dies gilt insbesondere für den Fall, daß es uns nicht gelingt, den Zuschlag für die PKW-Verteilung ab X zu erhalten. Wir werden Sie über die Entwicklung unserer Auftragslage auf dem laufenden halten und Ihnen die Lieferung des Fahrzeuges rechtzeitig avisieren.

. . ."

Dieser Vereinbarung liegt ein ,,Kaufantrag" vom 25. Juni 1975 zugrunde. Die Lieferung erfolgte am 31. Dezember 1975.

Für die Anschaffung des LKW beantragte der Kläger die Gewährung einer Investitionszulage gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) entsprach diesem Antrag.

Am 25. Mai 1976 trat der Kläger vom Vertrag zurück. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs erhielt er den Kaufpreis in voller Höhe zurückerstattet. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, wegen des Rücktritts habe der Kläger keinen Anspruch auf die Konjunkturzulage für das streitige Fahrzeug. Dementsprechend änderte es im März 1979 den ursprünglichen Investitionszulagebescheid und forderte die für das Fahrzeug gewährte Investitionszulage zurück.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) haben der Kläger und die Firma A während des Begünstigungszeitraums lediglich einen Vorvertrag abgeschlossen.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 4 b InvZulG. Seiner Ansicht nach lassen die vertraglichen Vereinbarungen und die tatsächliche Abwicklung des Geschäfts lediglich den Schluß zu, daß der Kläger bereits im Juni 1975 einen wirksamen Kaufvertrag abgeschlossen habe. Unerheblich sei, daß die Vertragspartner ein Rücktrittsrecht vereinbart hätten. Der Kläger verweist insoweit insbesondere auf Tz. 120 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 1977 IV B 2 - S 1988 - 150/77 (BStBl I 1977, 246). Im übrigen sind nach Ansicht des Klägers dem FA nach Auszahlung der Investitionszulage keine neuen Tatsachen bekannt geworden, die die Rückforderung der Zulage rechtfertigen würden. Das FA habe vielmehr lediglich seine Rechtsmeinung geändert.

Der Kläger rügt ferner Versagung rechtlichen Gehörs und unzureichende Sachaufklärung durch das FG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die vom FG getroffenen Feststellungen ermöglichen es dem Senat nicht, abschließend darüber zu befinden, ob das FA die Investitionszulage zu Unrecht gewährt hatte und es berechtigt war, den Zulagebescheid gemäß § 5 Abs. 5 InvZulG 1975 zu ändern und die gewährte Investitionszulage zurückzufordern.

1. Die Anschaffung eines beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens ist nur dann gemäß § 4 b InvZulG 1975 zulagebegünstigt, wenn der Steuerpflichtige dieses Wirtschaftsgut nachweislich nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 bestellt hat. Dazu ist erforderlich, daß der Investor das Wirtschaftsgut für sich bindend und unwiderruflich in Auftrag gibt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Juni 1979 III R 53/78, BFHE 128, 299, BStBl II 1979, 636).

Nach Ansicht des FG sind die zwischen dem Kläger und der Firma A. im Juni 1975 getroffenen Vereinbarungen lediglich als Vorvertrag zu beurteilen. Eine rechtliche Bindung sollte erst eintreten, wenn aufgrund der tatsächlichen Umstände eine Vollbeschäftigung des Fahrzeugs sichergestellt sein würde. Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen jedoch für eine revisionsrichterliche Überprüfung der Rechtsfolgerung des FG nicht aus. Das FG hat insbesondere nicht mitgeteilt, aus welchen Gründen es zu der Überzeugung gelangt ist, daß die Vertragspartner den Kaufvertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt haben abschließen wollen. Der Inhalt des Schreibens der Firma A. vom 26. Juni 1975 rechtfertigt für sich allein gesehen noch nicht eine solche Schlußfolgerung, insbesondere nicht der in diesem Schreiben enthaltene Rücktrittsvorbehalt. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob das FG bei der Würdigung der vertraglichen Vereinbarungen die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet hat.

Fehlt es in der angefochtenen Entscheidung an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen, so liegt ein materieller Urteilsfehler vor, der auch ohne entsprechende Rüge zu beachten ist (BFH-Urteil vom 17. April 1975 II R 144/74, BFHE 116, 1 BStBl II 1975, 671). Die Vorentscheidung war bereits aus diesem Grunde aufzuheben. Dementsprechend ist es nicht mehr entscheidungserheblich, ob die Verfahrensrügen des Klägers begründet sind.

2. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Sie war daher an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang u. a. die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände zu erforschen, insbesondere auch die außerhalb der Verträge liegenden Umstände zu beachten haben (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475). Dabei wird es beispielsweise zu beurteilen haben, welche Bedeutung den Tatsachen zukommt, daß der Kläger die vertraglichen Vereinbarungen über einen PKW-Spezialtransporter mit der Firma A, einer Fachspedition für Fahrzeugtransporte, und nicht unmittelbar mit dem Kfz-Händler abgeschlossen hat und - damit im Zusammenhang stehend - nach seinem eigenen Vorbringen im Revisionsverfahren die Firma A den Kaufpreis gegen Rückgabe des Fahrzeugs in voller Höhe zurückgewährt hat, obwohl der Kläger zwischenzeitlich 50 000 km gefahren war.

b) Kommt das FG zum Ergebnis, daß die Vertragspartner rechtzeitig einen Kaufvertrag abgeschlossen haben, dann wird es folgendes zu beachten haben:

Eine wirksame Bestellung i. S. des § 4 b InvZulG 1975 liegt auch dann vor, wenn der Kaufvertrag unter einer Bedingung abgeschlossen worden ist, auf deren Eintritt der Steuerpflichtige keinen Einfluß hat (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juni 1979 III R 101/76, BFHE 128, 132, BStBl II 1979, 580). Das gleiche gilt auch dann, wenn die Vertragspartner zwar einen Rücktrittsvorbehalt vereinbart haben, der Rücktritt aber bedingt ist und der Steuerpflichtige keinen Einfluß auf den Eintritt der Bedingung hat. Auch in einem solchen Fall hat der Steuerpflichtige mit Abschluß des Kaufvertrags alles von seiner Seite Erforderliche getan, damit die Rechtswirkungen des Vertrags eintreten können. Solange die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts nicht vorliegen, ist der Käufer gebunden; er ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen (§ 433 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Unerheblich ist insoweit, wann das FA Kenntnis von einem derartigen Rücktrittsrecht erhält.

Tritt die Bedingung ein und macht der Käufer von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch, so ist dies investitionszulagerechtlich ebenso zu beurteilen, wie die Veräußerung des angeschafften Wirtschaftsguts an einen Dritten. Das Eigentum an der übergebenen Sache fällt nicht ohne weiteres an den Veräußerer zurück. Der frühere Eigentümer hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung (vgl. Entscheidung des Reichsgerichts vom 2. November 1923 II 529/22, RGZ 108, 26; Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, heraugegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, Rdnrn. 10, 14 zu § 346). Es bedarf grundsätzlich der Übereignung. Diese ist grundsätzlich unschädlich; denn § 4 b InvZulG 1975 kennt im Unterschied beispielsweise zu § 1 InvZulG 1975 keine zeitliche Bindung des angeschafften Wirtschaftguts an den Betrieb oder die Betriebstätte des Steuerpflichtigen. Davon unberührt bleibt die Frage, inwieweit ein kurzfristiger Rücktritt ein Anzeichen dafür sein kann, daß das angeschaffte Wirtschaftsgut nicht zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehörte.

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 103

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge