Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Grenzen des § 8 Abs. 1 GrEStG bei zunächst abgelehnter, später doch gewährter Kapitalabfindung.

 

Normenkette

GrEStG § 8 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige - Stpfl. - (Revisionskläger) hat am 10. Februar 1956 ein Grundstück mit Wohngebäude gekauft. Er ist Kriegsbeschädigter. Im Zeitpunkt des Kaufs war ihm eine Erwerbsminderung von 50 v. H. anerkannt. Er hatte deshalb beim Landesversorgungsamt beantragt, die ihm zustehende Rente zwecks Erwerbs vorbezeichneten Grundstücks durch eine Kapitalzahlung abzufinden. Diesen Antrag lehnte das Landesversorgungsamt am 31. Juli 1957 ab, weil zwischenzeitlich durch Bescheid des Versorgungsamts vom 6. Juli 1957 die festgestellte Erwerbsminderung auf 30 v. H. herabgesetzt und die Versorgungsbezüge des Stpfl. mit Wirkung vom 1. September 1957 gekürzt worden waren. Den gegen den Bescheid des Versorgungsamts eingelegten Widerspruch des Stpfl. hat das Landesversorgungsamt am 3. April 1958 zurückgewiesen. Ob der Stpfl. Anfechtungsklage dagegen erhoben hat, ist umstritten. Der Stpfl. hat dazu im Berufungsverfahren Abschrift einer vom Kreisverband des Reichsbundes der Kriegs- und Zivilbeschädigten an das Sozialgericht gerichteten Klage vorgelegt. Nach der vom Finanzgericht (FG) eingeholten Auskunft ist der Eingang dieser Klageschrift dort nicht festzustellen.

Nach Ablösung des Bundesversorgungsgesetzes vom 20. Dezember 1950 (BGBl 1950 I S. 791) durch die Neufassung vom 27. Juni 1960 (BGBl 1960 I S. 453) hat das Landesversorgungsamt, dem erneuten Antrag des Stpfl. vom 8. Juli 1960 entsprechend, am 7. September 1961 gemäß § 72 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes eine Kapitalabfindung "zur Bezahlung der restlichen Kaufpreissumme anstelle des Barkredites" bewilligt.

Das Finanzamt (FA) hat den Stpfl. durch Bescheid vom 4. Januar 1960 in vollem Umfang zur Grunderwerbsteuer aus dem vorgenannten Erwerb herangezogen. Der Stpfl. beansprucht Ermäßigung der Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG. Sein Einspruch hatte, von einer geringfügigen Berichtigung der Besteuerungsgrundlage abgesehen, keinen Erfolg. Die Berufung des Stpfl. hat das FG als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Stpfl. ist als Revision zu behandeln. Sie kann aus Rechtsgründen nicht zum Erfolg führen.

Erwirbt ein Kriegsbeschädigter ein Grundstück mit Hilfe einer Kapitalabfindung, die ihm mit Rücksicht auf seine Kriegsbeschädigung nach den Vorschriften des Reichsversorgungsrechts gewährt wird, so wird nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Grunderwerbsteuer nicht erhoben, soweit der für ihre Berechnung maßgebende Wert den fünfzehnfachen Betrag der Kapitalabfindung nicht übersteigt. Die Vorschrift gilt sinngemäß bei Kapitalabfindungen, die einem Kriegsbeschädigten nach den Vorschriften des Bundesversorgungsrechts gewährt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - II 23/60 U vom 18. Januar 1965, BStBl 1965 III S. 174, Slg. Bd. 81 S. 482).

Diese Vergünstigung tritt - abweichend von § 20 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen zum Grunderwerbsteuergesetz 1919 - nicht schon dann ein, wenn die Kapitalabfindung nachträglich für ein bereits erworbenes Grundstück gewährt und zur Bezahlung des Kaufpreises oder der entstandenen Schulden verwendet wird. Vielmehr setzt § 8 Abs. 1 GrEStG eindeutig voraus, daß der Kriegsbeschädigte das Grundstück bereits mit Hilfe der Kapitalabfindung erwirbt. Dafür genügt es aber, wenn der Erwerber die Abfindung unmittelbar vor oder nach dem Kauf beantragt, zur Zwischenfinanzierung einen Kredit aufnimmt, und diese Schuld mittels der Abfindung tilgt (Urteil des BFH II 30/53 S vom 3. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 211, Slg. Bd. 57 S. 550).

Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht erfüllt. Denn der im Jahr 1956 bei den Versorgungsbehörden gestellte Abfindungsantrag ist von diesen abgelehnt worden. Dabei ist es auch verblieben. Die am 7. September 1961 gewährte Abfindung geht nicht auf den früheren Antrag zurück, sondern auf einen Antrag, den der Stpfl. erst am 8. Juli 1960 gestellt hat. Die Abfindung konnte im Jahr 1961 gewährt werden, weil § 72 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes in der Fassung vom 27. Juni 1960 (a. a. O.) abweichend von dessen ursprünglicher Fassung vom 20. Dezember 1950 (a. a. O.) die Kapitalabfindung nicht mehr davon abhängig macht, daß die Erwerbsfähigkeit des Beschädigten zu wenigstens 50 v. H. gemindert ist. Die erst durch die änderung der Rechtslage am 1. Juni 1960 (Art. IV § 4 des Gesetzes zur änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960, BGBl 1960 I S. 453) ermöglichte Abfindung ist daher dazu bestimmt, eine aus dem Kauf entstandene Belastung abzudecken. Das genügt für die Anwendung des § 8 Abs. 1 GrEStG - auch im Hinblick auf die Grundsätze des Urteils II 30/53 S (a. a. O.) - nicht, weil der mittels der Abfindung getilgte Kredit nicht nur die Zeit bis zur Gewährung einer beim Kauf dem Stpfl. bereits in Aussicht stehenden Abfindung überbrücken mußte; er war kein "Zwischenkredit", da die änderung des Bundesversorgungsgesetzes nicht vorherzusehen war.

Zutreffend ist allerdings, daß dem Kläger im Zeitpunkt des Kaufs eine Erwerbsminderung von 50 v. H. anerkannt war und er deswegen eine Kapitalabfindung gemäß § 72 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes erwarten durfte, sofern er nicht mit einer baldigen Herabsetzung der festgestellten Erwerbsminderung zu rechnen brauchte. Das mag für etwaige Billigkeitsmaßnahmen im Rahmen des § 131 AO zu beachten sein. Für die Befreiungsvorschrift des § 8 GrEStG selbst ist dieser Umstand aber ohne Belang. Denn § 8 Abs. 1 GrEStG stellt nicht darauf ab, ob im Zeitpunkt des Erwerbs die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kapitalabfindung nach den Versorgungsgesetzen vorliegen, sondern allein darauf, ob eine solche gewährt und das Grundstück mit deren Hilfe erworben worden ist. Nach § 8 Abs. 3 GrEStG tritt zwar die Steuervergünstigung auch dann ein, wenn die Kapitalabfindung nicht zur Verfügung gestellt werden kann, obwohl deren Voraussetzungen vorliegen (zu dieser Vorschrift vgl. Urteil des BFH II 23/60 U a. a. O.). § 8 Abs. 3 GrEStG kommt aber dem Stpfl. deshalb nicht zustatten, weil das Landesversorgungsamt seinen Antrag am 31. Juli 1957 gerade mit der Begründung abgelehnt hatte, die gesetzlichen Voraussetzungen einer Kapitalabfindung nach § 72 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes lägen nicht mehr vor, nachdem das Versorgungsamt am 6. Juli 1957 nur noch eine Erwerbsminderung von 30 v. H. anerkannt und die Rentenbezüge ab 1. September 1957 entsprechend gemindert hatte (vgl. § 73 Nr. 3, § 74 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes).

Diesem Sachverhalt gegenüber kann es auf sich beruhen, ob der Stpfl. gegen den Bescheid des Versorgungsamts vom 6. Juli 1957 und den Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts vom 3. April 1958 nach Maßgabe der §§ 87 ff. des Sozialgerichtsgesetzes Klage erhoben hat. Denn selbst wenn diese Bescheide später im Rechtsweg aufgehoben werden sollten, würde dadurch der die Kapitalabfindung versagende Bescheid vom 31. Juli 1957 unmittelbar nicht berührt.

Die Revision muß daher als unbegründet zurückgewiesen werden, weil der geltend gemachte Steueranspruch entstanden ist und noch besteht. Nicht entschieden ist damit über die in der Einspruchsschrift des Klägers überdies aufgeworfene Frage, ob die Steuer wegen unbilliger Härte im Einzelfall teilweise zu erlassen ist. Die Entscheidung hierüber steht zunächst der Finanzverwaltung zu (ß 131 AO).

Die Kosten der erfolglosen Revision waren gemäß § 135 Abs. 2 FGO dem Kläger aufzuerlegen. Der Senat hat jedoch für angezeigt erachtet, gemäß § 140 Abs. 1 FGO, § 7 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes anzuordnen, daß von der Erhebung der Gerichtskosten des Revisionsverfahrens abzusehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411955

BStBl III 1966, 282

BFHE 1966, 196

BFHE 85, 196

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