Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsort und -inhalt bei Edelmetallgeschäften

 

Leitsatz (amtlich)

1. Handelt ein Kreditinstitut im Inland mit Lieferansprüchen auf Edelmetall, liegt auch dann eine im Inland ausgeführte sonstige Leistung vor, wenn der Gläubiger die Auslieferung des Edelmetalls im Ausland verlangen kann.

2. Kauft die Bank im eigenen Namen, aber im Auftrag und für Rechnung ihrer Kunden für diese Lieferansprüche ein, findet im Verhältnis zwischen Bank und Kunden (neben der entgeltlichen Geschäftsbesorgung gegen Provision) kein (weiterer) Umsatz statt.

 

Orientierungssatz

Soweit die Bank sowohl für eigene Rechnung erworbene Lieferansprüche auf Edelmetall als auch im Auftrag der Kunden erworbene Lieferansprüche an den ausländischen Geschäftspartner "zurücküberträgt", liegt eine im Inland ausgeführte sonstige Leistung vor.

 

Normenkette

UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 10; BGB §§ 662ff, 662; UStG 1973 § 3 Abs. 1, 8

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 15.11.1984; Aktenzeichen I 190/81)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der im Jahre 1983 in Konkurs gefallenen Kommanditgesellschaft Bankgeschäft H. in A. (im folgenden: Gemeinschuldnerin).

Die Gemeinschuldnerin betrieb ein Bankgeschäft. Dabei tätigte sie sowohl für eigene Rechnung als auch für Rechnung ihrer Kunden Edelmetallgeschäfte. Hierzu unterhielt sie Geschäftsbeziehungen zu einer Schweizerischen Bank (B.).

Beim Kauf von Edelmetall erteilte die B. der Gemeinschuldnerin folgende Auftragsbestätigung: "Auftragsgemäß kauften wir für Sie ... zum Preis von ... Lagerstelle: Schweiz." In den Lieferbedingungen der B. hieß es: "Wir verpflichten uns, Ihnen gemäß den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen die auf Ihrem Metallkonto loco Zürich gutgeschriebene ...menge auf Verlangen am Sitz unserer Bank auszuliefern. Erfüllungsort ist Zürich." Der Kaufpreis für das Edelmetall war unabhängig von der Auslieferung unmittelbar bei Erwerb des Lieferanspruchs vom Käufer zu erbringen. Über die von der Gemeinschuldnerin erworbenen Lieferansprüche wurden bei der B. auf den Namen der Gemeinschuldnerin und bei der Gemeinschuldnerin auf den Namen ihrer Kunden sog. Anspruchs-, Deckungs- oder Metallkonten geführt.

In dem vorliegenden Rechtsstreit geht es um folgende im Jahre 1978 getätigte Edelmetallgeschäfte:

1. Gegen Zahlung von 19 841,41 DM übertrug die Gemeinschuldnerin für eigene Rechnung erworbene Lieferansprüche an inländische Kunden.

2. Die Gemeinschuldnerin erwarb von der B. für Rechnung inländischer und ausländischer Kunden Lieferansprüche und trat sie gegen Zahlung von 342 863,65 DM (inländische Kunden: 145 075,29 DM; ausländische Kunden: 197 788,36 DM) an diese ab.

3. Gegen Zahlung von 198 022,15 DM übertrug die Gemeinschuldnerin für eigene Rechnung erworbene Lieferansprüche an die B. zurück. Diese bestätigte das Geschäft wie folgt: "Auftragsgemäß haben wir von Ihnen übernommen ...kg zum Preis ... Lagerstelle: Schweiz."

4. Für Rechnung in- und ausländischer Kunden übertrug die Gemeinschuldnerin Lieferansprüche an die B. gegen Zahlung von 244 139,33 DM (inländische Kunden: 85 995,69 DM, ausländische Kunden: 158 143,64 DM) zurück.

Bei der Veranlagung der Gemeinschuldnerin zur Umsatzsteuer für 1978 erfaßte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) diese Geschäftsvorfälle entgegen der Steuererklärung in einem nach § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 12.Januar 1981.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Gemeinschuldnerin Klage. Nachdem das FA die Umsatzsteuerforderung zur Konkurstabelle angemeldet hatte, nahm der Konkursverwalter --der nunmehrige Kläger-- das Verfahren auf.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte in allen genannten Fällen im Inland ausgeführte steuerpflichtige Umsätze der Gemeinschuldnerin.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 1 Abs.1 Nr.1 und § 3 Abs.6, 8 und 10 des Umsatzsteuergesetzes 1973 (UStG 1973). Zunächst hat er geltend gemacht, es lägen lediglich nicht durchgeführte obligatorische Kaufverträge über Edelmetalle vor, so daß es an einer Edelmetallieferung (Umsatz) fehle. Sodann hat er vorgetragen, auch die ständige Lieferbereitschaft sei wie eine Lieferung (gemeint wohl: hier im Ausland) zu behandeln. Schließlich hat er die Auffassung vertreten, die Kaufverträge seien durch Übereignung des Goldes unter Abtretung des Herausgabeanspruchs erfüllt worden, so daß aus diesem Grunde Umsätze im Ausland vorlägen.

Zum Sachverhalt behauptet der Kläger, in einigen Fällen sei es in den Jahren 1979 und 1980 zur Auslieferung des Goldes gekommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie den Umsatzsteueränderungsbescheid für 1978 vom 12.Januar 1981 aufzuheben.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist zum Teil begründet. Der Senat kann gemäß § 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst entscheiden.

1. Die Sachverhaltsfeststellung des FG, wonach die Gemeinschuldnerin auf eigene Rechnung erworbene Lieferansprüche an ihre Kunden übertrug, läßt im Unklaren, ob die Gemeinschuldnerin zur Erfüllung des obligatorischen Vertrags mit den Kunden diesen ihren Lieferanspruch gegen die B. gemäß § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abgetreten, oder ob sie sich in eigener Person zur Lieferung des Edelmetalls verpflichtet hat. Diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich. In beiden Fällen hat die Gemeinschuldnerin eine Leistung gegen Entgelt erbracht, die nach § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1973 der Umsatzsteuer unterliegt.

Es ist von einem obligatorischen Forderungsverkauf auszugehen, der seitens der Gemeinschuldnerin entweder durch Abtretung ihres Lieferanspruchs gegen die B. erfüllt wurde oder dadurch, daß sie gemäß § 780 BGB selbst versprach, das nach Art und Menge im Vertrag näher bestimmte Edelmetall dem Kunden auf Verlangen auszuliefern. Damit war der obligatorische Vertrag zwischen Gemeinschuldnerin und Kunden erfüllt. Es liegt nicht ein --seitens der Gemeinschuldnerin nicht erfüllter-- obligatorischer Vertrag über Edelmetallieferungen vor, sondern ein erfüllter Vertrag über Lieferansprüche. Die Gemeinschuldnerin erhielt und behielt das Recht auf den Kaufpreis unabhängig davon, ob es zur Lieferung der im Vertrag genannten Edelmetallmenge kam. Sie hatte ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt, indem sie dem Kunden den Lieferanspruch verschaffte.

Aufgrund dieser Gestaltung war Leistungsgegenstand keine Lieferung (§ 3 Abs.1 UStG 1973), sondern eine sonstige Leistung (§ 3 Abs.8 UStG 1973). Die Gemeinschuldnerin hat den Kunden nicht die Verfügungsmacht am Edelmetall unter Abtretung eines Herausgabeanspruchs gegen die B. oder eine dritte Bank verschafft. Wie das FG ausdrücklich festgestellt hat, wurden die Lieferansprüche, um die es in diesem Rechtsstreit geht, in keinem Fall erfüllt. Diese tatsächliche und rechtliche Feststellung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat ist an die diesbezügliche Sachverhaltsfeststellung des FG gebunden, da der Kläger keine zulässige Verfahrensrüge erhoben hat.

Nicht zu folgen ist auch der Ansicht des Klägers, die Lieferbereitschaft stehe der Lieferung gleich. Nur die Verschaffung der Verfügungsmacht ist nach § 3 Abs.1 UStG 1973 eine Lieferung, nicht aber bereits die Bereitschaft zur Verschaffung der Verfügungsmacht. Wird diese entgeltlich eingeräumt, liegt eine sonstige Leistung vor. Eine nachfolgende Lieferung des Edelmetalls ist mangels Entgelts nicht steuerbar (so auch für die einen Lieferanspruch verbriefenden Edelmetallzertifikate Klaas/Stier, Edelmetallzertifikate und Umsatzsteuer, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau --DVR-- 1980, 134). Die nachfolgende Lieferung hat deshalb keinen Einfluß auf das zugrundeliegende umsatzsteuerpflichtige Geschäft.

Die sonstigen Leistungen wurden auch im Inland ausgeführt.

Nach § 3 Abs.10 Satz 1 UStG 1973 wird eine sonstige Leistung u.a. dann im Inland ausgeführt, wenn der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil im Inland tätig wird.

Gleichgültig, ob die Gemeinschuldnerin die Lieferung des Edelmetalls in eigener Person versprach oder ob sie ihre Lieferansprüche gegen die B. abtrat, gab sie in jedem Fall ihre entsprechenden Willenserklärungen im Inland ab.

Für den Fall der Forderungsabtretung ist allerdings zweifelhaft, ob § 3 Abs.10 Satz 1 UStG 1973 Anwendung findet. Nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.August 1976 V R 160/71 (BFHE 120, 415, BStBl II 1977, 226) gilt diese Vorschrift nur für positives Handeln durch Leistung von Diensten und nicht für die Übertragung von Rechten. Gehört das übertragene Recht zum Betriebsvermögen des Unternehmers, wird demzufolge die Übertragung an dem Ort ausgeführt, an dem der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausführt. Auch dieser Ort war im Inland, da die Gemeinschuldnerin ihr Kreditinstitut im Inland betrieb. Die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils in BFHE 120, 415, BStBl II 1977, 226 führen also im Streitfall zu demselben Ergebnis wie die Vorschrift des § 3 Abs.10 UStG 1973.

2. Soweit der Kläger Lieferansprüche auf Edelmetall für Rechnung seiner Kunden erwarb und an diese "übertrug", hat er --neben einer Geschäftsbesorgung-- keinen weiteren Umsatz (Leistungsaustausch) i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1973 getätigt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hatte er Lieferansprüche für Rechnung und im Auftrag seiner Kunden zu den Bedingungen der B. erworben. Diese Feststellung steht im Einklang mit der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des FG vorgelegten Kundenrechnung und der eigenen Sachverhaltsschilderung der Gemeinschuldnerin in der Umsatzsteuerakte, in der sie von einem Kommissionsgeschäft spricht. Zwischen der Gemeinschuldnerin und ihren Kunden bestand demnach ein Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis i.S. der §§ 662 ff. BGB. Dabei geht es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um die Besteuerung der entgeltlichen Geschäftsbesorgungen gegen Provision, sondern um die Besteuerung der besorgten Geschäfte zwischen Gemeinschuldnerin und Kunden, die das FA in dem angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheid erfaßt hat. Besorgt hat die Gemeinschuldnerin den Einkauf von Lieferansprüchen bei der B. Aufgrund des mit der Geschäftsbesorgung verbundenen Auftragsverhältnisses war sie nach § 667 BGB verpflichtet, den Kunden die für sie erworbenen Lieferansprüche herauszugeben. Diese "Herausgabe" --die Übertragung der Lieferungsansprüche-- an die Kunden war keine auf Erhalt eines Entgelts gerichtete Leistung, sondern bloßer Bestandteil der (steuerbaren) Geschäftsbesorgungsleistung. Den im Auftrag der Kunden aufgewendeten Kaufpreis erhielt die Gemeinschuldnerin von diesen nach § 670 BGB ersetzt. Dieser Aufwendungsersatz ist kein Entgelt für die Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten. Der Beauftragte wird für den Auftraggeber nicht tätig, um von ihm seine Aufwendungen ersetzt zu bekommen.

Anders ist es bei der Einkaufskommission nach § 383 des Handelsgesetzbuches (HGB). Bei ihr liegt nicht nur zwischen dem Dritten und dem Kommissionär (Auftragnehmer, Geschäftsbesorger), sondern auch zwischen dem Kommissionär und dem Kommittenten (Auftraggeber) eine Lieferung vor (§ 3 Abs.3 UStG 1973). Der Senat hat es jedoch abgelehnt, diese für Warenkommissionäre des Handelsrechts geltende Regelung auch bei Einschaltung einer Mittelsperson zur Weitergabe von sonstigen Leistungen anzuwenden (Ablehnung der sog. Leistungskommission; BFH-Urteil vom 15.Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Ein derartiger Fall der Weitergabe einer sonstigen Leistung (des Lieferanspruchs gegen die B.) liegt im Streitfall vor. Die hiervon abweichende Vorgabe in Art.6 Abs.4 der 6.EG-Richtlinie wirkt sich auf das Streitjahr noch nicht aus.

3. Soweit die Gemeinschuldnerin für eigene Rechnung erworbene Lieferansprüche an die B. "zurückübertrug", ist auch hier der vom FG festgestellte Sachverhalt nicht eindeutig. Es kann sein, daß die Gemeinschuldnerin ihre Lieferansprüche gegen die B. an diese entgeltlich gemäß § 398 BGB abtrat (mit der Folge der Vereinigung von Forderung und Schuld bei der B.); es kann aber auch sein, daß die Gemeinschuldnerin auf ihre Lieferansprüche gegen die B. (durch Erlaßvertrag nach § 397 BGB) entgeltlich verzichtet hat, wie dies das FG angenommen hat.

In jedem Fall liegt eine entgeltliche sonstige Leistung i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1973 vor.

Diese sonstige Leistung ist im Inland ausgeführt worden. Dabei kann wiederum dahinstehen, ob dies daraus folgt, daß die Gemeinschuldnerin bei der Abtretung des Lieferanspruchs oder bei der Abgabe der Verzichtserklärung gemäß § 3 Abs.10 Satz 1 UStG 1973 im wesentlichen im Inland tätig wurde, oder daraus, daß der Lieferanspruch, den die Gemeinschuldnerin an die B. abgetreten hat oder auf den sie verzichtet hat, zu ihrem inländischen Betriebsvermögen gehörte (vgl. Urteil in BFHE 120, 415, BStBl II 1977, 226). Einen Grund, den Ort der sonstigen Leistung beim Verzicht auf ein Forderungsrecht anders zu bestimmen als bei seiner Abtretung (vgl. oben unter 1.), sieht der Senat nicht.

4. Auch die "Rückübertragung" der im Auftrag der Kunden erworbenen Lieferansprüche an die B. ist eine sonstige Leistung im Inland. Es gelten hier dieselben Grundsätze wie bei der "Rückübertragung" der im eigenen Namen erworbenen Lieferansprüche (vgl. oben unter 3.).

Da die Gemeinschuldnerin bei der "Rückübertragung" im eigenen Namen und nicht im Namen ihrer Kunden auftrat, hat auch sie die Umsätze ausgeführt. Dabei ist sie gegenüber der B. entgeltlich tätig geworden. Daß sie für Rechnung ihrer Kunden handelte, hindert nicht, daß sie die sonstigen Leistungen an die B. ausführte (vgl. auch BFH-Urteil vom 24.September 1987 V R 152/78, BFHE 151, 90, BStBl II 1988, 29).

Die Steuer errechnet sich wie folgt:

Umsatzsteuer lt.

angefochtenem Bescheid 88 557,10 DM

Kommissionskäufe 342 864,65 DM

davon Umsatzsteuer 36 720,70 DM

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Umsatzsteuer lt. Urteil 51 836,40 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63201

BFH/NV 1991, 11

BStBl II 1991, 193

BFHE 162, 515

BFHE 1991, 515

BB 1991, 198 (L)

DB 1991, 582 (T)

HFR 1991, 298 (LT)

StE 1991, 61 (K)

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