Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kinderermäßigung nach § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG steht einem Steuerpflichtigen zu, wenn er beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung des Kindes im wesentlichen trägt.

Ein Anspruch auf Kinderermäßigung nach § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG besteht nicht, wenn das Kind Einkünfte in einer solchen Höhe hat, daß es daraus die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung bestreiten kann.

Das Vorhandensein von Kindesvermögen ist solange unschädlich, als es nicht übermäßig groß und beim überschreiten dieser nach den Verhältnissen des einzelnen Falles festzustellenden Grenze nicht leicht verwertbar ist.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 Ziff. 3, § 32/2/2

 

Tatbestand

Streitig ist die Anwendung des § 32 Abs. 4 Ziff. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1948 und 1949 bei eigenen Einkünften des Kindes. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag für Kinder, die im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und während dieser Zeit auf Kosten des Steuerpflichtigen (Stpfl.) unterhalten und für einen Beruf ausgebildet worden sind, Kinderermäßigung gewährt.

Der Stpfl. beantragte für seinen am 21. Mai 1927 geborenen Sohn, der in den hier in Betracht kommenden Steuerabschnitten II/1948 und 1949 Betriebswirtschaftslehre studierte und für den Beruf eines Diplom-Kaufmanns ausgebildet wurde, Kinderermäßigung. Die Netto-Einkünfte des Sohnes gab der Stpfl. für II/1948 mit 546 DM (brutto 910 DM), für 1949 mit 688 DM (brutto 1.395 DM) an; eine Einkommensteuerveranlagung des Sohnes hat wegen Nichterreichens der Freigrenze nicht stattgefunden. Das ursprünglich mit 36.000 DM veranlagte Vermögen ist nach der unwidersprochen gebliebenen Angabe des Stpfl. auf 17.000 DM berichtigt worden; es besteht aus seit 1946 ertraglosen Wertpapieren und verzinslichen Forderungen.

Das Finanzamt hat die Kinderermäßigung unter Berufung auf Abschn. 197 Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) II/1948 und 1949 versagt. Diese Regelung, nach der eigene Einnahmen des Kindes bis zu 92 DM im Monat die Gewährung der Kinderermäßigung nicht ausschließen, enthält nach seiner Auffassung eine Vergünstigung gegenüber dem Gesetz. Dieses wolle für Kinder nach Vollendung des 18. Lebensjahres keine Kinderermäßigung zulassen, die mit eigenen Einnahmen die Kosten für Unterhalt und Berufsausbildung bestreiten könnten. Da die Einnahmen des Sohnes des Stpfl. die in den EStR bestimmte Grenze überschritten hätten, sei eine Kinderermäßigung nicht gerechtfertigt.

Zur Begründung seiner Berufung hat der Stpfl. vorgetragen: Die Bestimmungen der Richtlinien seien rechtsungültig. Das Gesetz erfordere lediglich das Vorliegen der im § 32 Abs. 4 Ziff. 3 aufgeführten Voraussetzungen. Danach komme es nicht darauf an, ob das Kind ganz oder zum Teil die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung bestreiten könne, maßgebend sei vielmehr allein, ob der Stpfl. das Kind auf seine Kosten tatsächlich für die bezeichneten Zwecke unterhalten habe. Es genüge zudem, wie sich aus den Ausführungen im Steuerrecht in Kurzform, Lieferung 47 vom 1. Februar 1949, Gruppe 3, Bl. 80 Rs. unter 8, ergebe, bereits eine teilweise Kostentragung. Im übrigen müsse es bei Anwendung der Richtlinien nicht auf die Einnahmen, sondern auf das Einkommen abgestellt werden. Ferner sollte eine geringe überschreitung der in den Richtlinien vorgesehenen Grenze von 92 DM monatlich unter dem Gesichtspunkt billigen Ermessens nicht zu einer Versagung der Kinderermäßigung führen. Er habe die gesamten Unterhalts- und Ausbildungskosten, die sich auf jährlich bis zu 3.600 DM beliefen, getragen. Bei dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sei kein Raum für die Frage, ob das Kind Vermögen oder Einkommen habe, oder ob ein wirtschaftliches Bedürfnis zur übernahme der Kosten vorliege. Die Mußfassung der Gesetzesbestimmung ("wird gewährt") verbiete ferner die Ausübung jedes Verwaltungsermessens.

Das Finanzgericht hat die Kinderermäßigung zugesprochen und das wie folgt begründet: Die im Abschn. 197 Abs. 5 EStR II/1948 und 1949 vorgenommene Regelung sei, da es sich um Verwaltungsanweisungen handle, für die Steuergerichte nicht bindend; sie enthalte eine mit dem Gesetz nicht vereinbare Einschränkung, bei der vermutlich davon ausgegangen werde, daß das Kind bei eigenen Einnahmen in gewisser Höhe seinen Unterhalt selbst bestreiten könne. Ob die Ermäßigung auch beim Vorhandensein außergewöhnlich großen Vermögens oder ungewöhnlich hoher Einkünfte zu gewähren sei, brauche im Streitfall nicht untersucht zu werden, da die Einnahmen des Sohnes für Unterhalt und für eine der Lebensstellung und den Einkommensverhältnissen des Stpfl. entsprechende Berufsausbildung bei weitem nicht ausreichten. Es komme auch nicht darauf an, wie die Streitfrage, ob der Vater die gesamten Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung zu tragen habe, zu entscheiden sei. Der Stpfl. habe jedenfalls bis zu 300 DM im Monat die Kosten im wesentlichen getragen. Wenn er dem Sohn seine eigenen Einkünfte zur Verwendung nach freiem Ermessen überlassen und tatsächlich die gesamten Kosten getragen habe, so sei das in Beachtung der Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 229/40 vom 6. März 1941, Slg. Bd. 50 S. 117, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1941 S. 363 = Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform II 669, nicht zu beanstanden. Gemäß den Ausführungen in diesem Urteil sei auch das Vermögen des Sohnes unschädlich, wenn, wie hier, der Vater die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung bestritten habe; er sei nicht verpflichtet, den Sohn auf das eigene Vermögen zu verweisen.

Diese Darlegungen bezeichnet der Vorsteher des Finanzamts in seiner Rechtsbeschwerde als widerspruchsvoll. Wenn nach der Vorentscheidung die Kinderermäßigung wegen der eigenen Einnahmen des Kindes im Hinblick auf die darin liegende, vom Gesetz nicht geforderte Einschränkung nicht versagt werden könne, so hätte die Frage wie beim Vorhandensein eines außergewöhnlich großen Vermögens zu entscheiden sei, nicht offengelassen bleiben dürfen. Im übrigen schränke die Bestimmung des Abs. 5 im Abschn. 197 EStR II/1948 und 1949 das Gesetz nicht ein. Das ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte. § 32 des EStG alter Fassung habe eine Kinderermäßigung zugelassen, wenn die Aufwendungen für Unterhalt und Berufsausbildung vom Stpfl. "überwiegend" getragen worden seien. Das Wort "überwiegend" sei durch das Gesetz Nr. 64 mit Wirkung vom 22. Juni 1948 gestrichen worden. Es dürfe danach nunmehr eine Kinderermäßigung nur gewährt werden, wenn der Stpfl. die vollen Kosten des Unterhalts und Berufsausbildung getragen habe. Nach dieser, mit wenigen Ausnahmen auch vom Schrifttum vertretenen Auffassung könne in der in den Richtlinien getroffenen Regelung keine Einschränkung erblickt werden, sie stelle vielmehr eine Vergünstigung mit der Wirkung dar, daß nicht bereits bei verhältnismäßig geringem Einkommen des Kindes der Anspruch auf Kinderermäßigung nach § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG verloren gehe. Die Einnahmen des Sohnes hätten aber unstreitig den in den Richtlinien aufgestellten Höchstsatz überschritten; sie seien zur Bestreitung des Unterhalts herangezogen worden, und zwar als aus eigenen Mitteln bezogenes Taschengeld; auch ein solches gehöre zu den Unterhaltskosten. Da hiernach eine volle Kostentragung durch den Stpfl. nicht vorliege, habe das Finanzamt zutreffend den Antrag auf Kinderermäßigung nicht entsprochen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Um zu einer zutreffenden Beantwortung der Frage, welche Bedeutung eigenen Einkünften des Kindes bei der Anwendung des § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG zukommt, zu gelangen, wird im Gegensatz zur Vorentscheidung dazu Stellung genommen werden müssen, ob der Stpfl. nach der bezeichneten Gesetzesvorschrift die gesamten Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung zu tragen hat, um die Kinderermäßigung zu erhalten, oder ob es genügt, daß er sie, wie das Finanzgericht meint, im wesentlichen bestreitet. Der Senat schließt sich der Auffassung des Finanzgerichts an. Es ist zwar richtig, daß die vom Finanzamt zutreffend dargestellte Entstehungsgeschichte dafür spricht, daß volle Kostentragung vorliegen muß, um die Kinderermäßigung der hier in Betracht kommenden Vorschrift zu gewähren. Im Gesetz ist das jedoch nicht eindeutig zum Ausdruck gekommen. Der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG (auf Kosten) läßt mit der gleichen Berechtigung auch die Auslegung zu, daß eine Tragung der wesentlichen Unterhalts- und Ausbildungskosten für die Zubilligung der Kinderermäßigung genügt. Von dieser Beurteilung glaubt der Senat um so mehr ausgehen zu können, als der Grundgedanke der Kinderermäßigung für Kinder bis zu 18 Jahren (ß 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG) auch bei der für Kinder vom 18. - 25. Lebensjahr zu beachten ist. Wenn dem Stpfl. für Kinder bis zum 18. Lebensjahr die Kinderermäßigung selbst dann gewährt wird, wenn er für den Unterhalt des Kindes nur in beschränktem Umfang oder unter Umständen überhaupt keine Mittel aufwendet, so erscheint es angesichts der nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht zwingenden Annahme einer vollen Kostentragung gerechtfertigt, eine Kinderermäßigung für Kinder im Alter von 18 - 25 Jahren zuzubilligen, wenn der Stpfl. den Unterhalt und die Ausbildung im wesentlichen bestreitet.

Das der Stpfl. im vorliegenden Fall diese Voraussetzung erfüllt hat, ist nicht streitig; er hat nicht mit Unrecht stets behauptet, er habe die gesamten Kosten getragen.

Das Finanzgericht hat keine gegenteilige Feststellung getroffen. Diese Beurteilung ist um so weniger zu beanstanden, als sie mit dem Akteninhalt übereinstimmt, und ein Betrag bis zu 300 DM monatlich nach der Lebenserfahrung in jedem Falle dafür spricht, daß es sich um den Gesamtaufwand für Unterhalt und Berufsausbildung gehandelt hat. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es nicht darauf an, ob in den eigenen Einkünften des Sohnes ein Taschengeld gesehen wird oder nicht. Tatsächlich liegt ein solches nicht vor, da als Taschengeld naturgemäß nur Zuwendungen aus Mitteln des Stpfl., nicht des Sohnes, bezeichnet werden können. Dieser Einwand kann daher nicht durchdringen. Auch die mit Hilfe des Abs. 5 des Abschn. 197 EStR II/1948 und 1949 erstrebte Versagung der Kinderermäßigung kann im Streitfall nicht zum Erfolg führen. Hiernach sollen Einnahmen bis zu 92 DM unschädlich sein. Bei darüber hinausgehenden Einnahmen würde also die Kinderermäßigung auch dann abzulehnen sein, wenn Werbungskosten bis zur Höhe dieser Einnahmen vorliegen oder sogar darüber hinausgehen. Wenn aber in der angeführten Bestimmung der Richtlinien eine Vergünstigung liegen soll, dann doch höchstens nur dann, wenn ein überschuß in einem bestimmten Umfange vorliegen würde. Mit dem Vorhandensein von Einnahmen allein kann jedenfalls die Vorschrift des § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG nicht außer Wirksamkeit gesetzt werden, wenn im übrigen feststeht, daß der Stpfl. die wesentlichsten Kosten getragen hat. Trifft letzteres nicht zu, dann ist § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG ohnehin nicht anwendbar. Ob und in welchem Umfange dann § 33 EStG zum Zuge kommt, braucht hier nicht erörtert zu werden.

Ist hiernach die in den Einkommensteuer-Richtlinien II/1948 und 1949 getroffene Regelung nicht geeignet, bei wesentlicher Kostentragung die Gewährung der Kinderermäßigung zu verweigern, so soll damit dem Vorhandensein von eigenen Einkünften und eigenem Vermögen des Kindes nicht jede steuerliche Bedeutung abgesprochen werden. Wie alle Vorschriften, so steht auch die des § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG unter den allgemeinen Leitgedanken des § 1 Abs. 2 und 3 des Steueranpassungsgesetzes. Es kann unter Beachtung der Entwicklung der Verhältnisse an der Verwirklichung der aus dem Gesetzesinhalt zu entnehmenden Zweckbestimmung nicht vorbeigegangen werden. Mit der Kinderermäßigung sollen der Aufwand für den Unterhalt und die Erziehung der Kinder und die dadurch herbeigeführte Belastung des Einkommens in gewissem Umfange steuerliche Berücksichtigung finden. Bei Kindern bis zu 18 Jahren ist die Ermäßigung ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens und Vermögens des Stpfl. und des Kindes zu gewähren. Bei Kindern im Alter von 18 bis 25 Jahren wird zusätzlich die übernahme der Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung gefordert. Bei der Aufstellung dieses Merkmals ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß vielfach die Ausbildung der Kinder mit dem 18. Lebensjahr noch nicht beendet ist, daß es aber im Interesse einer vereinfachten Durchführung des Besteuerungsverfahrens liegt, wenn in diesen Fällen der wirtschaftlichen Belastung durch Gewährung einer Kinderermäßigung Rechnung getragen wird, anstatt den Pflichtigen auf den Weg des § 33 EStG zu verweisen, zumal dessen sämtliche Voraussetzungen unter Umständen nicht immer vorliegen werden. Dem Gesetzeszweck wird es aber nicht entsprechen, die Vorschrift des § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG auch dann zum Zuge kommen zu lassen, wenn das Kind Einkünfte oder Vermögen in einer solchen Höhe besitzt, daß es damit seinen Unterhalt und seine Ausbildungskosten bestreiten kann. Der bezeichneten Gesetzesvorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dem Stpfl. eine Kinderermäßigung nur zu gewähren, wenn ein wirtschaftliches Bedürfnis vorliegt. Hierin liegt kein Widerspruch zu den oben gemachten Darlegungen, sondern die Anerkennung von wirtschaftlichen Tatsachen, deren Nichtberücksichtigung den Sinn und Zweck der Gesetzesvorschrift außer acht lassen würde. Es dürfte bei der Allgemeinheit auf kein Verständnis stoßen, wenn dem Vater auch dann noch die Kinderermäßigung gewährt würde, wenn das Kind in der Lage ist, die Kosten des Unterhalts und seiner Ausbildung selbst zu tragen (siehe Entscheidungen des Reichsfinanzhofs IV 19/40 vom 18. April 1940, RStBl. 1940 S. 561; VI 334/39 vom 9. Mai 1940, Slg. Bd. 48 S. 297, RStBl. 1940 S. 571; IV 310/39 vom 28. März 1940, RStBl. 1940 S. 450; IV 249/40 vom 17. April 1941, RStBl. 1941 S. 532). Von ähnlichen Erwägungen geht anscheinend auch das Finanzgericht aus, wenn es unter Umständen eine Ausnahme beim Vorhandensein außergewöhnlich hoher Einkünfte oder ungewöhnlich großen Vermögens zulassen will, wenn es auch die Frage selbst nicht entscheidet. Auch aus den Richtlinien kann die grundsätzliche Auffassung der Verwaltung hergeleitet werden, daß dem Vorhandensein von eigenen Einkünften des Kindes eine steuerliche Bedeutung beizumessen ist. Zweifelhaft kann es jedoch sein, in welcher Höhe Einkünfte oder Vermögen des Kindes vorliegen müssen, um dem Vater die Kinderermäßigung vorzuenthalten. Es wird im allgemeinen verlangt werden müssen, daß die Einkünfte oder das Vermögen so hoch sein müssen, daß das Kind daraus die Kosten des Unterhalts und der Ausbildung bestreiten kann. Mit Einkünften nur in Höhe der in den Richtlinien vorgenommenen Begrenzung können keineswegs die Kosten für Unterhalt und Ausbildung, wie sie im Abs. 4 des Abschn. 197 EStR II/1948 und 1949 aufgeführt sind, bestritten werden. Da die eigenen Einkünfte des Sohnes im Streitfalle bei weitem nicht ausreichen, um Unterhalt und Studienkosten zu bestreiten, braucht diese Frage hier nicht abschließend entschieden zu werden. Dem Finanzgericht wird auch zuzustimmen sein, wenn es das vorhandene Vermögen des Sohnes noch als unschädlich bezeichnet, obwohl hier bereits die Grenze des noch Zulässigen fast erreicht ist. Angesichts des Wortlauts des § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG wird kein zu engherziger Maßstab anzulegen sein. Es wird auch der regelmäßig von Eltern beobachtete Gesichtspunkt nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, den Kindern ihr Stammvermögen möglichst unversehrt zu erhalten, um als Grundlage für den Aufbau einer eigenen Existenz und zur Erleichterung des Eintritts in das wirtschaftliche Leben zu dienen. Dem Stpfl. wird die Kinderermäßigung nicht versagt werden können, wenn er bei einem nicht übermäßig großen Kindesvermögen den Sohn nicht hierauf verweist (siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 229/40 vom 6. März 1941, RStBl. 1941 S. 363). Auch das Vorhandensein eines diese Grenze überschreitenden Vermögens wird nur insoweit schädlich sein, als es bei Beachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte leicht verwertbar ist.

Es könnte die Auffassung vertreten werden, daß bei Vorhandensein von angemessenen Einkünften oder ausreichendem Vermögen die Kinderermäßigung nur dann nicht beansprucht werden kann, wenn das Kind tatsächlich die Aufwendungen für Unterhalt und Berufsausbildung selbst trägt, daß das aber nicht bereits gelten kann, wenn es die Kosten nur tragen könnte. Die Durchführung dieser Ansicht würde auch ein Eindringen in die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten notwendig machen, von dem nicht immer gesagt werden kann, daß es zu einer vollen Klärung der Sachlage und damit zu einem richtigen Ergebnis führen würde.

Da hiernach weder die eigenen Einkünfte noch das eigene Vermögen des Kindes die Grenzen überschreiten, die als Ausnahme für die Anwendung des § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG in Betracht kommen, war die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407697

BStBl III 1953, 281

BFHE 1954, 737

BFHE 57, 737

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