Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Beginn und Ende einer Unternehmereinheit haben bei dieser steuerbare Umsätze nicht zur Folge.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Auflösung einer aus zwei Personengesellschaften bestehenden Unternehmereinheit bei dieser einen steuerbaren Umsatz zur Folge hat.

Die Bfinnen., zwei OHG (im folgenden: OHG I und OHG II), an denen die Brüder A und B je zur Hälfte beteiligt waren, bildeten bis zum 31. März 1957 unstreitig eine Unternehmereinheit. Durch zwei inhaltlich aufeinander abgestimmte Verträge setzten sich die beiden Gesellschafter zum 31. März 1957 dahin auseinander, daß A die OHG I und B die OHG II übernahmen. Der jeweils ausscheidende Gesellschafter überließ seinen Geschäftsanteil dem verbleibenden Gesellschafter. Die hierbei entstandenen Auseinandersetzungsguthaben wurden durch Verrechnung oder Zahlung ausgeglichen. Gleichzeitig nahmen die beiden Brüder Familienangehörige in die als Personengesellschaften fortgeführten Unternehmen auf.

Das Finanzamt erblickte in der Auflösung der Unternehmereinheit unter Hinweis auf die Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Nürnberg S 4104 - 80 - U 1 vom 11. August 1955 (Umsatzsteuer-Rundschau - UStR - 1955 S. 140) einen steuerbaren Umsatz. Es zog in dem an die Bfinnen. als Unternehmereinheit gerichteten Steuerbescheid vom 13. Dezember 1961 betreffend die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1957 außer den laufenden Umsätzen die Entgelte für die Anlagewerte und Warenvorräte der beiden Firmen im Gesamtbetrage von ... DM gemäß § 85 UStDB mit 1 v. H. zur Umsatzsteuer heran.

Die hiergegen eingelegte Sprungberufung blieb ohne Erfolg. In der Vorentscheidung wird im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die zwischen den beiden OHG bis zum 31. März 1957 bewirkten Lieferungen und sonstigen Leistungen seien infolge der Unternehmereinheit als sogenannte Innenumsätze nicht steuerbar gewesen. Die übertragung der OHG I an A und der OHG II an B zum 31. März 1957 stellte jedoch einen steuerbaren Vorgang dar. Nach ständiger Rechtsprechung trete zwar beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden OHG und bei Fortführung des Unternehmens durch den anderen Gesellschafter eine Vereinigung der Rechte am Betriebsvermögen in der Hand des im Unternehmen verbleibenden Teilhabers ein, die eine Umsatzsteuerpflicht nicht auslöse. Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung unterliege aber bei der Auflösung einer OHG die Verteilung des Gesellschaftsvermögens unter die Gesellschafter - soweit keine Befreiungsvorschrift in Betracht komme - der Umsatzsteuer. Bei der Auflösung einer Unternehmereinheit durch Verteilung der in ihr zusammengefaßten Betriebe (OHG I und II) an die Mitglieder der die Unternehmereinheit bildenden Personengruppe (Gesellschafter A und B) liege der zuletzt erwähnte Fall vor. Die Unternehmereinheit (bzw. die hinter ihr stehende Personengruppe) habe eine sogenannte Naturalteilung im Sinne des Urteils des Senats V 170/58 U vom 17. November 1960 (BStBl 1961 III S. 86, Slg. Bd. 72 S. 231) vorgenommen, die als letzter Akt der Tätigkeit der Unternehmereinheit zur Umsatzsteuer heranzuziehen sei. Der Sachverhalt stehe dem Falle gleich, in dem ein Einzelunternehmer zwei in der Gliederung seines Unternehmens gesondert geführte Betriebe jeweils im ganzen einem anderen Unternehmer übereigne.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Bei der Unternehmereinheit ist die hinter ihr stehende Personengruppe, die sich aus den Gesellschaftern der in der Unternehmereinheit zusammengeschlossenen Gesellschaften zusammensetzt, der Unternehmer (vgl. Urteil des Bundesfinanzhof V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294). Die Dritten gegenüber getätigten Umsätze sind umsatzsteuerlich der Personengruppe zuzurechnen. Dadurch wird aber die Unternehmereinheit nicht etwa zu einer Einrichtung, die Rechte und Pflichten im Sinne des bürgerlichen Rechts oder des Handelsrechts entstehen läßt. Die Unternehmereinheit ist vielmehr ein Gebilde des Umsatzsteuerrechts, das in Verfolg der auf diesen Rechtsgebiet in besonderem Maße herrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise in jahrzehntelanger höchstrichterlicher Rechtsprechung Gestalt angenommen hat mit dem Ziele, Personenvereinigungen mit gleichen Teilhabern bei gleichen Beteiligungsverhältnissen und einheitlicher Willensbildung zwecks Gleichmäßigkeit der Besteuerung den Einzelunternehmern gleichzustellen. Die Vorschriften des BGB und des HGB über die Gesellschaften sind daher auf die Unternehmereinheit auch nicht vergleichsweise anwendbar. So wird die Unternehmereinheit nicht durch einen Vertrag zwischen den Beteiligten errichtet. Sie entsteht vielmehr von selbst, sobald zwei oder mehr Personenvereinigungen, die die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen erfüllen, im Wirtschaftsleben auftreten. Sie endet von selbst, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen wegfällt. Die Unternehmereinheit nimmt am Wirtschaftsleben nur über die in ihr zusammengeschlossenen Gesellschaften teil. Sie ist nicht Trägerin von Rechten und Pflichten im Sinne des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts. Es gibt bei ihr kein Gesellschaftsvermögen und infolgedessen auch keine Gesellschaftsanteile der Mitglieder der hinter ihr stehenden Personengruppe.

Findet aber bei dem Beginn und bei der Beendigung der Unternehmereinheit weder eine übertragung von Vermögensgegenständen noch ein Erwerb von Beteiligungsrechten bzw. ein Verzicht auf solche Rechte statt, so ist ein Leistungsaustausch, der die erste Voraussetzung für einen steuerbaren Umsatz bildet, nicht festzustellen. Der Unternehmerwechsel vollzieht sich - wie dies auch sonst gelegentlich vorkommt (z. B. bei der Gesamtrechtsnachfolge) - ohne Leistung und Gegenleistung. Waren, die bisher von der Unternehmereinheit geliefert wurden, werden nach deren Beendigung von den einzelnen Gesellschaften geliefert, als ob nichts gewesen wäre (Schettler, Die Umwandlung von Gesellschaften im Lichte der Rechtsprechung zur Unternehmereinheit, UStR 1956 S. 4 f., 6). Die Nichtbesteuerung der Entstehung und Auflösung einer Unternehmereinheit ist auch deshalb gerechtfertigt, weil andernfalls oft eine doppelte Umsatzbesteuerung erfolgen müßte; denn die Errichtung oder Auflösung von Gesellschaften, die eine Unternehmereinheit entstehen oder aufhören läßt, löst oftmals selbst Umsatzsteuer aus.

Der vom Finanzamt in Anspruch genommene Steuerschuldner ist im Streitfalle die Unternehmereinheit. Auf die Frage, ob bei den beiden OHG durch den Gesellschafterwechsel Umsatzsteuer angefallen ist, war daher nicht einzugehen. Es sei lediglich bemerkt, daß die vom Finanzgericht bei der Prüfung eines Steueranspruchs gegen die Unternehmereinheit angewandte Entscheidung des Senats V 170/58 U vom 17. November 1960 (a. a. O.) bei der Prüfung eines Steueranspruchs gegen die beiden OHG nicht einschlägig ist.

Die Sache ist entscheidungsreif. Der Gesellschafterwechsel bei den beiden OHG hatte einen steuerbaren Umsatz bei der Unternehmereinheit nicht zur Folge. Die Umsatzsteuer der Unternehmereinheit für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1957 vermindert sich daher auf ... DM.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 337

BFHE 1965, 255

BFHE 82, 255

StRK, UStG:2/1 R 209

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