Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Abgrenzung einer Werkleistung (Lohnveredlung) von einer Lieferung, wenn ungeachtet der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung die Absicht der Parteien auf eine Arbeitsleistung gerichtet ist.

 

Normenkette

UStG § 3/1, § 7/3; UStDB § 2

 

Tatbestand

Streitig ist ein Umsatz von 99.274 DM, für den die Beschwerdeführerin (Bfin.) den begünstigten Steuersatz für Großhandelslieferungen gemäß § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nimmt, während die Vorinstanzen den normalen Steuersatz angewandt haben. Hierfür waren folgende Feststellungen maßgebend: Die Bfin. hat im Veranlagungszeitraum 1949 Zellwoll- und Baumwollabfälle eingekauft, diese von Firmen in der sowjetischen Besatzungszone zu Garn verarbeiten lassen und im Großhandel weitergeliefert. Das Finanzamt hat in dem Spinnen der Abfälle zu Garn eine steuerlich schädliche Bearbeitung gemäß § 12 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) erblickt, die gemäß § 12 Abs. 2 a. a. O. der Bfin. zuzurechnen sei. Die Verträge mit den Verarbeitungsfirmen hat es als Werklohnverträge angesehen.

Die Bfin. hat dagegen geltend gemacht, daß mit den "Abnehmern" der Abfälle Lieferungsverträge abgeschlossen worden seien. Bei den in der sowjetischen Besatzungszone getätigten Geschäften handele es sich um Warenlieferungen auf Grund des Abkommens über den Handel zwischen den beiden Währungsgebieten (Frankfurter Abkommen). Die Rohstoffe würden von der Bfin. an die sächsischen Spinner berechnet, die ihrerseits die von ihnen an die Bfin. gelieferten Garne ebenfalls berechneten. Die Differenz zwischen Garn- und Rohstoffwert sei dann in Form eines Akkreditivs auf Grund einer West-Ost-Zahlungsgenehmigung über die Bank Deutscher Länder in Frankfurt (Main) bezahlt worden. Daß nur die ostzonalen Stoppreise auf der Basis von 1944 für die Abfälle in Rechnung gestellt worden seien, beruhe auf interzonalen Abmachungen, die auf Verlangen der Wirtschaftsstellen in der sowjetischen Besatzungszone getroffen worden seien. Für die Auffassung der Bfin. spreche auch der Umstand, daß sie von den Spinnereien in der sowjetischen Zone keine Spinnabrechnung erhalten habe, sondern daß jeweils vertraglich vereinbart worden sei, daß für eine bestimmte, vom West-Partner anzuliefernde Rohstoffmenge eine bestimmte Menge Garn gegengeliefert werde. Es stehe dabei gar nicht fest, daß das Garn wirklich aus den von ihr gelieferten Rohstoffen gesponnen worden sei, wenn auch die Geschäfte durch die Lieferung der Rohstoffe überhaupt erst ermöglicht worden seien. Diese Lieferungen seien nur versehentlich nicht im steuerbaren Umsatz mit aufgeführt worden.

Die gegen die Versagung der Großhandelsvergünstigung gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, daß zwar der Verkauf der Rohstoffe an die Spinner und der Rückkauf der fertigen Garne von den Vertragsparteien ernstlich gewollt gewesen sei. Diese rechtliche Gestaltung sei aber nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise für das Umsatzsteuerrecht nicht maßgebend. Der tatsächliche Verkehrsvorgang sei nicht die Lieferung, sondern die Verarbeitung der Rohstoffe, wofür den Spinnern im wesentlichen nur ein Spinnlohn zustehe, ohne daß ihnen die Verfügungsmacht über die - der Form nach verkauften - Rohstoffe eingeräumt werde. Daß das von den Parteien erstrebte wirtschaftliche Ziel einer Verarbeitung von Rohstoffen im Werklohn nach den für den interzonalen Verkehr maßgeblichen Wirtschaftsbestimmungen nur auf dem von den Beteiligten gewählten Umwege zu erreichen gewesen sei, sei für die umsatzsteuerliche Beurteilung außer Betracht zu lassen. Dagegen sei maßgeblich, daß die den Spinnern in der sowjetischen Zone in Rechnung gestellten Rohstoffe preislich unter den eigenen Anschaffungskosten der Bfin. lägen, wobei vorausgesetzt sei, daß die Spinner den angeblichen "Verkaufspreis" der Garne lediglich unter Aufschlag eines angemessenen "Spinnlohns" berechneten. In einem zu den Akten überreichten Mustervertrage sei denn auch die Bezeichnung "Spinnlohn" für den Unterschied zwischen dem Gesamtwerte der zurückgelieferten Fertigerzeugnisse und dem Gesamtwerte der "angelieferten" Rohstoffe gewählt worden. Wenn nach diesem Vertragsmuster nicht die Ausbeute sämtlicher Rohstoffe an die Bfin. zurückgehe, sondern 15 v. H. der Rohstoffe der verarbeitenden Spinnerei zur eigenen Verwendung verbleibe, so stehe diese Abrede hinsichtlich der restlichen 85 v. H. der Annahme einer Verarbeitung im Werklohn nicht entgegen. Auch der Einwand der Bfin., es stehe nicht fest, daß das Garn wirklich aus den von der Bfin. gelieferten Rohstoffen gesponnen worden sei, könne nicht ausschlaggebend sein, da unstreitig diese Rohstofflieferungen die Geschäfte mit den Spinnern erst ermöglicht hätten, diese also durch Rohstoffmangel wirtschaftlich genötigt seien, die von der Bfin. stammenden Rohstoffe zu verwenden. überdies würde der aus den Rechnungen der Bfin. an die Verarbeitungsfirmen zu ersehende Eigentumsvorbehalt der Verwendung anderer als der rückzuliefernden Garne entgegenstehen. Aus dem Eigentumsvorbehalt gehe auch hervor, daß trotz des "Verkaufs" der Rohstoffe die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht auf die Spinner dauernd ausgeschlossen sei.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) führt die Bfin. unter Wiederholung ihres früheren Vorbringens aus, daß gerade die wirtschaftliche Betrachtungsweise die Auffassung des angefochtenen Urteils widerlege. Der Eigentumsvorbehalt sei bei Verkäufen allgemein üblich, bei Werklohnaufträgen jedoch unsinnig, da die Ware hier immer Eigentum des Auftraggebers bleibe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben. Die Ausführungen der Vorinstanz lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Zutreffend hat das Finanzgericht den tatsächlichen Verkehrsvorgang losgelöst von der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung untersucht. Es ist zwar richtig, daß ein Eigentumsvorbehalt bei Kaufverträgen allgemein üblich ist; er beschränkt sich jedoch nicht auf solche Verträge und hat entgegen der Ansicht der Bfin. auch bei Werkverträgen einen Sinn, wenn nämlich der Hersteller auf Grund seiner Verarbeitung (ß 950 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) Eigentum an dem herzustellenden Werk erlangen würde. Außerdem erlischt der Eigentumsvorbehalt bei Kaufverträgen üblicherweise mit der Bezahlung des Kaufpreises, im Streitfalle jedoch mit der Rücklieferung des Garnes. Da die Parteien das von ihnen erstrebte wirtschaftliche Ziel auf Grund der besonderen Verhältnisse im Interzonenverkehr in den bürgerlich-rechtlichen Formen eines Kaufvertrages zu erreichen trachteten, war die Sicherung der Bfin. durch einen Eigentumsvorbehalt durchaus zweckmäßig, und es ist jedenfalls nicht rechtsirrtümlich, wenn die Vorinstanz hieraus gefolgert hat, daß den Spinnereien die Verfügungsmacht im Sinne des § 2 UStDV nicht verschafft worden sei. Entscheidend für die Beurteilung des Vorganges ist jedoch, daß die Inrechnungstellung der Rohstoffe, worauf die Bfin. ihre Auffassung in erster Linie stützt, nicht von kaufmännischen Erwägungen bestimmt war, sondern daß im Ergebnis der Spinnerei ein von den jeweiligen Marktverhältnissen unabhängiger Spinnlohn zustand, da die Preisgestellung beiderseits von den gleichen Festpreisen des Jahres 1944 ausging, so daß die Ausstellung der Rechnungen mit jeweils dem gleichen Materialpreis lediglich die Berechnungsgrundlage für die Bemessung des Werklohns bildete. Dies haben die Vertragsparteien in dem vorgelegten Mustervertrag auch klar erkannt. Preise für Lieferungen sind den Schwankungen des Marktes unterworfen, sie liegen jedenfalls üblicherweise nicht unter den Einkaufspreisen. Wer aber feststehende Preise zum Ausgangspunkt seiner Berechnungen macht, rechnet nicht wie ein Händler, sondern wie ein Werkleistender (vgl. das Urteil des erkennenden Senats V 57/53 S vom 3. Dezember 1953, Bundessteuerblatt 1954 III S. 65). Hiernach aber konnte die Absicht der Parteien nur auf eine Arbeitsleistung gerichtet sein, weil der Spinnerei eben nur die Arbeitsleistung vergütet wird. Daß im Streitfalle, anders als in dem in der angeführten Entscheidung zu beurteilenden Falle, die auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beruhende Annahme eines Werkvertrages ein vom Steuerpflichtigen nicht gewünschtes Ergebnis zeitigt, ist kein Grund, von den in beiden Fällen anzuwendenden Grundsätzen abzugehen (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs V A 182/25 vom 23. Oktober 1925, Slg. Bd. 17 S. 228, Reichssteuerblatt 1926 S. 14).

Ist hiernach für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von einem Werkvertrag auszugehen, so ist die in dem Verspinnen der Rohstoffe zu Garn liegende, gemäß § 12 UStDB steuerlich schädliche Verarbeitung gemäß § 12 Abs. 2 a. a. O. der Bfin. zuzurechnen. Hieraus ergibt sich die Versagung der Großhandelsvergünstigung.

Die Rb. ist somit als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

BStBl III 1954, 151

BFHE 1954, 630

BFHE 58, 630

StRK, UStG:3/1 R 8

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