Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsveräußerung; Ansatz der erworbenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter

 

Leitsatz (NV)

1. Veräußert ein Einzelunternehmer sein Unternehmen an eine von ihm gegründete GmbH gegen Übernahme der Schulden und Zahlung eines Kaufpreises in Höhe der Differenz zwischen Aktiva und Passiva, so liegt grundsätzlich ein (teil-)entgeltlicher Betriebserwerb vor. Die GmbH hat jedoch gleichwohl die erworbenen Wirtschaftsgüter nicht mit den Anschaffungskosten, sondern mit den Teilwerten anzusetzen.

2. Danach ist ein übergegangener Geschäftswert auch dann bei der GmbH anzusetzen, wenn ein solcher bei Ermittlung des Betriebsveräußerungsgewinns beim Einzelunternehmen nicht berücksichtigt wurde. Dem Ansatz bzw. der Berücksichtigung der AfA auf den Geschäftswert kann aber im Einzelfall der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 5, 7; EStDV § 7 Abs. 1; BGB § 242

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, wurde mit Vertrag vom 23. Dezember 1985 errichtet. Sie kaufte von ihrem Alleingesellschafter und -geschäftsführer (Beigeladener) mit Vertrag vom 20. Dezember 1985 zum 31. Dezember 1985 dessen Einzelunternehmen zu einem Kaufpreis in Höhe des Überschusses der Buchwerte der Aktiva über die Passiva. In Vollzug dieses Vertrages zahlte die Klägerin an den Beigeladenen 587 150 DM und übernahm die Schulden des Einzelunternehmens in Höhe von 366 561 DM.

Der Beigeladene erklärte für 1985 keinen Veräußerungsgewinn nach § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dementsprechend unterblieb eine Versteuerung der stillen Reserven und eines Geschäftswerts des Einzelunternehmens. Der Einkommensteuerbescheid 1985 wurde bestandskräftig.

Die Klägerin übernahm in ihrer Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1986 die Buchwerte des Einzelunternehmens. Einen Geschäftswert setzte sie nicht an. Auch in den Jahresabschlüssen für 1986 und 1987 (Streitjahre), die die Klägerin zusammen mit den Steuererklärungen am 7. Januar 1988 bzw. am 6. März 1989 abgab, war ein Geschäftswert nicht enthalten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Im Laufe einer Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Streitjahre beantragte die Klägerin, die Ansätze für die übernommenen materiellen Wirtschaftsgüter (Inventar, geringwertige Wirtschaftsgüter) um stille Reserven in Höhe von 43 105 DM aufzustocken und einen Geschäftswert in Höhe von 455 000 DM anzusetzen und abzuschreiben. Dies wurde vom FA mit der Begründung abgelehnt, daß die Beteiligten aufgrund übereinstimmender Handhabung beim Beigeladenen (kein Veräußerungsgewinn) und bei der Klägerin (Buchwertfortführung) an die Buchwerte des Einzelhandelsunternehmens gemäß Treu und Glauben hieran gebunden seien.

Die Klage hatte Erfolg.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der §§ 4, 5 EStG, §§ 20, 24 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform (UmwStG 1977) und des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA ist die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Die Klägerin hat die vom Beigeladenen erworbenen Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert anzusetzen.

a) Gründet ein Einzelunternehmer eine GmbH und überträgt er auf diese gegen Zahlung eines Kaufpreises sein Einzelunternehmen, so sieht das Gesetz eine Fortführung der Buchwerte des Veräußerers bei der erwerbenden Kapitalgesellschaft nicht vor. Eine Buchwertfortführung nach § 20 Abs. 2 UmwStG 1977 ist für den Fall einer Bargründung nicht möglich (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 1. Juli 1992 I R 5/92, BFHE 169, 224, BStBl II 1993, 131; vom 24. März 1987 I R 202/83, BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705). Ebensowenig liegt eine unentgeltliche Betriebsübertragung i. S. des § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) vor, wenn ein Betrieb gegen Zahlung eines Kaufpreises und ggf. zuzüglich einer Übernahme der betrieblichen Verbindlichkeiten erworben wird (vgl. BFH- Urteile vom 16. Dezember 1992 XI R 34/92, BFHE 170, 183, BStBl II 1993, 436; vom 17. Januar 1989 VIII R 370/83, BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563). Der Große Senat (Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4- 6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C. II. 3.) hat nur im Rahmen einer unentgeltlichen Betriebsübertragung die Schuldübernahme nicht als Gegenleistung anerkannt.

b) Gemäß § 5 Abs. 6 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind grundsätzlich bei einem entgeltlichen Erwerb eines Betriebs die Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert, höchstens jedoch mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Auch ist ein teilentgeltlicher Erwerb ein entgeltlicher i. S. dieser Vorschrift (vgl. BFH- Urteile vom 19. Februar 1981 IV R 41/78, BFHE 133, 510, BStBl II 1981, 730; vom 31. Mai 1972 I R 49/69, BFHE 106, 71, BStBl II 1972, 696; Werndl in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 6 H 10; Blümich/Ehmcke, Einkommensteuergesetz, § 6 Rdnrn. 103, 1075; vgl. zur Problematik auch BFH-Urteil vom 7. Februar 1995 VIII R 36/93, BFHE 178, 110, BStBl II 1995, 770), denn nur für unentgeltliche Betriebsübertragungen ist in § 7 Abs. 1 EStDV die Buchwertfortführung zulässigerweise vorgesehen (vgl. hierzu auch Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847; BFH in BFHE 170, 183, BStBl II 1993, 436).

Diese Grundsätze gelten aber nicht für Einlagen eines Gesellschafters in eine Kapitalgesellschaft. So hat der Senat in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705 entschieden (vgl. ebenso BFH-Urteile vom 2. September 1988 III R 117/86, BFH/NV 1990, 20; vom 10. August 1989 X R 98/88, BFH/NV 1990, 289), daß die mit dem Verkauf sämtlicher wesentlichen Wirtschaftsgüter dem Betriebsvermögen verbundene Einlage eines Geschäftswerts mit dem Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG anzusetzen ist. Auch hat der IV. Senat des BFH mit Urteil vom 14. Januar 1993 IV R 121/91 (BFH/NV 1993, 525 unter Nr. 3) entgegen der sog. Einheitstheorie (vgl. BFH in BFHE 178, 110, BStBl II 1995, 770; BFH-Urteil vom 10. Juli 1986 IV R 12/81, BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811) für einen vergleichbaren Fall entschieden, daß bei einer teilentgeltlichen Betriebsveräußerung in Höhe der auf die Kapitalgesellschaft übergehenden stillen Reserven der materiellen Wirtschaftsgüter auf der Seite der veräußernden Gesellschafter ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entsteht. Auf der Seite des Betriebserwerbers muß diese Auffassung -- konsequent zu Ende gedacht -- nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG zu einer Bewertung der teilentgeltlich erworbenen materiellen Wirtschaftsgüter in Höhe des Teilwertes führen. Die Vorschriften über die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG bzw. einer Entnahme gemäß § 4 Abs. 1 EStG einerseits und über die Bewertung der Wirtschaftsgüter des erworbenen Betriebs beim Betriebserwerber andererseits stehen in einem inneren, sich systematisch ergänzenden Zusammenhang (vgl. Werndl in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 6 H 5). Dem entspricht es, die versteuert erworbenen Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert anzusetzen und hiervon Abschreibungen zuzulassen. Anderenfalls hätte der Veräußerer eine Entnahme bzw. einen Veräußerungsgewinn zu versteuern, ohne daß dem Erwerber dies in Form eines Abschreibungsvolumens zugute käme. Damit wären fiskalische Interessen einseitig und in sachlich unberechtigter Weise bevorzugt.

2. Dem Ansatz der Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert kann jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen (§ 242 BGB).

Mit Urteil vom 25. Oktober 1995 I R 104/94 (BFHE 179, 265) hat der Senat für einen vergleichbaren Fall entschieden, daß dies der Fall sein kann, wenn die Erwerberin des Betriebes durch mißverständliche oder irreführende Erklärungen gegenüber den Finanzbehörden den Eindruck erweckt haben sollte, der übergegangene Betrieb habe keinen Geschäftswert. Entsprechendes gilt für die in den übertragenen materiellen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das genannte Urteil Bezug genommen. Die Feststellungen des FG reichen im Streitfall nicht aus, ein derart widersprüchliches Verhalten der Klägerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, zu bejahen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 214

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