Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen; Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude

 

Leitsatz (NV)

Zur Bindung an ein von einer Veräußererseite ausgearbeitetes und angebotenes Bebauungskonzept kann es ausreichen, wenn der Grundstückserwerber vor dem Grundstückskaufvertrag der Veräußererseite ein schriftliches Angebot auf Abschluß eines Gebäudeerrichtungsvertrags gegeben hat.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1

 

Tatbestand

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 30. Dezember 1983 erwarben die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) Miteigentumsanteile von je 1/8 an einem Grundstück. Auf dem Grundstück befand sich ein zum Abriß betimmtes Gebäude. Die Kläger verpflichteten sich zur Entrichtung eines Kaufpreises von . . . DM und zur Übernahme anteiliger Abrißkosten in Höhe von . . . DM. Nach dem Vertragstext erfolgte der Erwerb ,,frei von jeglicher Bauverpflichtung". Ebenfalls am 30. Dezember 1983 beauftragten die Kläger durch schriftliche Erklärung die A mit der Errichtung einer schlüsselfertigen Doppelhaushälfte auf diesem Grundstück. Der Preis betrug . . . DM. Am 11. Januar 1984 erteilten sie der B und Partner GbR den Auftrag zur Baubetreuung gegen ein Entgelt von . . . DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte gegen die Kläger (zulezt mit der Einspruchsentscheidung) Grunderwerbsteuer in Höhe von je . . . DM fest. Als Bemessungsgrundlage zog das FA dabei den Kaufpreis für das Grundstück, die Abrißkosten und den Kaufpreis für das Gebäude heran. Davon zog es Eigenleistungen in Höhe von . . . DM ab. Es sah als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit einer noch zu errichtenden Doppelhaushälfte in Fertigbauweise an. Das Grundstück sei in Tageszeitungen mit einem A-Haus bebaut angeboten worden. Die betreffenden Grundstücke hätten nach vorgefertigten Plänen mit sechs Doppelhaushälften bebaut werden sollen. Die einheitlich projektierte Bebauung habe nur dann gewährleistet werden können, wenn der einzelne Erwerber der Grundstücksanteile nach dem Erwerb keinen entscheidenden Einfluß auf das Gesamtprojekt hatte. Die Ehefrau des Veräußerers als Vermittlerin der A und der Veräußerer selbst seien daran interessiert gewesen, das Grundstück einschließlich des zu errichtenden Gebäudes zu veräußern. Das Interesse der Kläger habe darin bestanden, das bebaute Grundstück zu erwerben. Sämtliche sechs Häuser (drei Doppelhäuser) auf den betreffenden Grundstücken seien von der . . . errichtet worden. Der Vertrag der Erwerber der anderen Doppelhaushälfte datiere vom 13. Dezember 1983.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machten die Kläger geltend, daß kein einheitlicher Vertrag vorliege. Jeder Vertrag habe für sich bestanden und hätte ohne Einfluß auf den anderen gekündigt oder geändert werden können. Der Veräußerer sei ihnen aufgrund früherer Zeitungsanzeigen bekannt gewesen, eine Zeitungsanzeige wegen des erworbenen Objekts sei ihnen nicht bekannt gewesen. Ihnen sei von dem Veräußerer des Grundstücks kein bebautes Objekt angeboten, sondern eine von verschiedenen Möglichkeiten genannt worden. Nach Vertragsabschluß über den Grund und Boden seien sich die Eigentümer darüber einig gewesen, das Grundstück zu bebauen. Jeder Anteilseigner habe dann auf sein eigenes Risiko ein Gebäude errichtet. Der Vertrag mit der A sei erst am 3. Februar 1984 durch Unterschrift des dazu Vertretungsberechtigten zustande gekommen.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die angefochtenen Steuerbescheide entsprechend dem Klageantrag geändert. Gegenstand des Erwerbsvorgangs seien nur die Miteigentumsanteile am unbebauten Grundstück gewesen. Dementsprechend könne die Gegenleistung nur aus dem Grundstückskaufvertrag entnommen werden. Die Leistungen aufgrund des Grundstückskaufvertrags und aufgrund des Kaufvertrags über das Haus mit Keller seien nicht als einheitliche Leistung zu beurteilen.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat den grunderwerbsteuerrechtlichen Begriff des Gegenstands des Erwerbsvorgangs verkannt und dementsprechend die Gegenleistung unzutreffend bestimmt.

Im Streitfall ist es entscheidend, ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs die Miteigentumsanteile am Grundstück in unbebautem oder noch zu bebauendem Zustand sind. Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück, so konnten auch die Leistungen der Kläger für das Gebäude in die Gegenleistung und damit in die Bemessungsgrundlage mit einbezogen werden (§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).

Im Streitfall ergibt sich nicht bereits aus der kaufvertraglichen Übereignungsverpflichtung des Grundstücksvertrages, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist. Der Grundstücksvertrag und der Gebäudeerrichtungsvertrag sind auch nicht zivilrechtlich als einheitlicher Vertrag anzusehen. Sie sind weder ausdrücklich in ihrer Gültigkeit verknüpft noch ist anzunehmen, daß sie nach dem Willen der Beteiligten miteinander stehen oder fallen sollen (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Dezember 1981 II R 124/79, BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330, und vom 23. Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741). Insofern folgt der erkennende Senat dem FG zumindest im Ergebnis. Damit ist die Prüfung jedoch noch nicht abgeschlossen.

Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung eines Gebäudes auf diesem aus mehreren Verträgen, so kann - abgesehen von dem Fall der rechtlichen Bestandsverknüpfung durch den Willen der Parteien - Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand auch dann sein, wenn zwischen den Verträgen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand (vgl. dazu BFH-Entscheidungen vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898, und vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627) das bebaute Grundstück erhält. Dies ist der Fall, wenn dem Erwerber aufgrund einer ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung (vgl. dazu BFH-Entscheidungen in BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627, und in BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609) ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur annehmen kann. Zur Begründung dieser Auslegung verweist der Senat auf seine Entscheidungen vom 18. Oktober 1989 II R 85/87 (BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181) und II R 143/87 (BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183) sowie vom 24. Januar 1990 II R 94/87 (BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590). Dabei können auf der Veräußererseite auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 136, 127, BStBl II 1982, 741). Nicht ausschlaggebend ist, daß der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist vielmehr, daß (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht mit einbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (vgl. BFH in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, m. w. N.).

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach den dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Entscheidend ist dabei letztlich, ob der Grundstückserwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstücksvertrages an ein von einer untereinander zumindest vertraglich verbundenen Veräußererseite ausgearbeitetes und angebotenes Bebauungskonzept gebunden ist. Dies ist stets der Fall, wenn er sich bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrages oder spätestens zusammen mit diesem hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks gegenüber der Veräußererseite zivilrechtlich gebunden hat (BFH in BFHE 158, 483 und 477, BStBl II 1990, 181 und 183). Dazu reicht es aus, wenn der Grundstückserwerber zu diesem Zeitpunkt der Veräußererseite bereits ein schriftliches Vertragsangebot auf Abschluß eines Gebäudeerrichtungsvertrags unterbreitet hat, das nur noch der Annahme durch die Veräußererseite bedarf (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 II R 144/86, BFH/NV 1991, 346). Ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag wird jedoch nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß der Abschluß der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge zeitlich erst kurz nach dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags erfolgt. Der objektive enge sachliche Zusammenhang kann in solchen Fällen dann bestehen, wenn der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das ,,Ob" und ,,Wie" einer Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben. Ein derartiger faktischer Zwang kann allerdings nicht aus den Vorgegebenheiten des Bebauungsplans bzw. der Bebauung im Nachbarbereich abgeleitet werden (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532).

Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen auf, so hält es der Senat für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen für ausreichend, wenn diese aufgrund einer vertraglichen Abrede (z. B. Maklervertrag) bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß aller Verträge (Übereignung des Grundstücks und Errichtung des Gebäudes) hinzielen (BFH-Urteil vom 14. März 1990 II R 169/87, BFH/NV 1991, 263).

2. Die Entscheidung des FG geht von anderen Grundsätzen aus. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG erlauben keine Entscheidung darüber, ob bei objektiver Betrachtungsweise ein derartiger enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen besteht, mit der Folge, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG die dazu notwendigen Feststellungen nicht getroffen.

Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Bei seiner Entscheidung wird das FG zu berücksichtigen haben, daß nach Auffassung des erkennenden Senats die zivilrechtlich bestehende Möglichkeit der getrennten Aufhebbarkeit der beiden Verträge die Annahme eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen diesen nicht ausschließt (vgl. bereits BFH in BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181). Ein paralleler Geschehensablauf (Abschluß der Errichtungsverträge immer mit demselben Unternehmen) und eine Anzeigenwerbung, die auf bebaute Objekte abstellt, können als Indiz für das Vorliegen entsprechender vertraglicher Abreden auf der Veräußererseite gewertet werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417916

BFH/NV 1992, 626

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