Leitsatz (amtlich)

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß ein zur Aufstockung eines landwirtschaftlichen Betriebs vorgenommener Grundstückserwerb eines Minderjährigen, der den Betrieb für eigene Rechnung und auf eigene Gefahr bewirtschaftet, von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen ist.

 

Normenkette

Bayer. EuAGrEStG, Art. 1 Nr. 2 Buchst. a

 

Tatbestand

Die Eltern des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) hatten diesem mit Vertrag vom Juli 1973 eine Landwirtschaft (28,2520 ha; Einheitswert: 32 000 DM) unentgeltlich überlassen, die sie selbst Anfang 1972 käuflich erworben hatten.

Mit einem weiteren Vertrag vom Juli 1973 hatte der am 27. Dezember 1956 geborene Kläger, der eine Schule besucht und später Landwirtschait studieren und Landwirt werden will, zwei Grundstücke mit insgesamt 13,4090 ha erworben. Den Kaufpreis hatten seine Eltern entrichtet. Der Kläger war in die damals bestehenden Pachtverhältnisse über die Grundstücke eingetreten. In Abschn. XI der Vertragsurkunde hatte der Kläger Befreiung von der Grunderwerbsteuer beantragt, weil sein Erwerb der Aufstockung der ihm überlassenen Landwirtschaft diene (rechnerischer Einheitswert nach der Aufstockung: 48 200 DM).

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte den Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung ab und setzte die Steuer fest.

Mit seinem Einspruch, über den das FA noch nicht entschieden hat, begehrt der Kläger die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids und die Freistellung seines Erwerbs von der Grunderwerbsteuer.

Die von dem Kläger gleichzeitig begehrte Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids lehnte das FA und - auf die Beschwerde des Klägers - auch die zuständige OFD ab. Das FG München, dessen Urteil vom 7. November 1974 IV 145/74 in den EFG 1975, 171, abgedruckt ist, hob die angefochtenen Verfügungen der Finanzbehörden auf und verpflichtete das FA, die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen.

Mit seiner Revision begehrt das FA die Aufhebung der Entscheidung des FG. Es meint, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids seien nicht gegeben und deshalb eine Aussetzung der Vollziehung nicht gerechtfertigt. Die Vorschriften in Art. 1 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerfreiheit für die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge in die Landwirtschaft und für die Aufstockung landwirtschaftlicher Kleinbetriebe in der Fassung des Gesetzes vom 16. Juli 1969 (BStBl I 1969, 568) und des Zweiten Gesetzes zur Änderung grunderwerbsteuerlicher Vorschriften vom 13. März 1972 (§ 3, § 5 Abs. 1 Buchst. a; BStBl I 1972, 176) - EuAGrEStG - sollten landwirtschaftlichen Betrieben eine Vergrößerung ihrer Grundfläche ermöglichen und damit der bäuerlichen Familie eine sichere Existenz schaffen. Das Gesetz begünstige nicht Hinzuerwerbungen, die einem künftigen Landwirt zugute kommen sollten. Dem Kläger fehle die fachliche Eignung; er habe den Betrieb weder tatsächlich noch rechtlich in eigener Verantwortung geführt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Nach dem bisher erkennbaren Sachverhalt hat das FG zu Recht das FA verpflichtet, die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids auszusetzen, da ernstliche Zweifel - wie das FG zutreffend angenommen hat - an dessen Rechtmäßigkeit (vgl. dazu Entscheidung des BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182) bestehen.

Nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG ist von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks zur Aufstockung eines landwirtschaftlichen Betriebes bis zu einer Größe, die dem Inhaber und seiner Familie eine sichere Existenz bietet. Dabei darf der Einheitswert des aufgestockten Betriebs grundsätzlich den Betrag von 100 000 DM nicht übersteigen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall - soweit dies der bisher festgestellte Sachverhalt erkennen läßt - gegeben.

Das FG hat die Vorschriften in Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG ihrem Wortlaut, Zusammenhang und Sinngehalt nach zutreffend ausgelegt. Es hält sich damit in dem gesetzlich vorgegebenen Regelungsbereich. Die dem entgegenstehende Auffassung des FA übersieht, daß der Relativsatz "die dem Inhaber und seiner Familie eine sichere Existenz bietet" sich auf die "Größe" des Betriebs bezieht und diese näher umschreibt. Dadurch wird verhindert, daß jeder beliebige Grundstückserwerb von der Besteuerung ausgenommen wird. Begünstigt sind nur solche Erwerbe, die zu einer grundflächenmäßigen Aufstockung des Betriebes führen und durch deren Hinzuerwerb die Betriebsgröße "dem Inhaber und seiner Familie eine sichere Existenz" bietet. Mit dem Erwerb der zwei Grundstücke hat der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb auf fast 42 ha aufgestockt, eine Größe, die als sichere Existenzgrundlage angesehen werden kann.

Daß die Steuerbefreiung eine verantwortliche Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebs voraussetzt, legt Art. 1 Nr. 2 Buchst. a Abs. 1 EuAGrEStG im Gegensatz zu den hier nicht eingreifenden Bestimmungen in Abs. 3 Satz 2 zwar nicht ausdrücklich fest. Die Notwendigkeit der Bewirtschaftung für eigene Rechnung und auf eigene Gefahr folgt aber - wovon die Beteiligten und das FG zutreffend ausgegangen sind - für das bayerische Grunderwerbsteuerrecht aus dem Zusammenhang und dem Sinngehalt der Vorschriften in Art. 1 Nr. 2 Buchst. a EuAGrEStG. Zu Recht hat das FG insoweit auf die Verantwortlichkeit für den Betrieb abgestellt, Wenn das FA - ohne dies im einzelnen zu belegen - dem Kläger die fachliche Eignung abspricht und verneint, daß er den Betrieb für eigene Rechnung und auf eigene Gefahr bewirtschafte, so vermag das nicht zu überzeugen. Im Gegenteil sprechen die klaren Darlegungen des Klägers, denen das FA nicht widersprochen hat, für dessen verantwortliche Betriebsführung. Daß sich der Kläger während seiner Ausbildung einer Anzahl von Hilfskräften bedient und sein Vater die Aufgaben eines Betriebsleiters wahrnimmt, steht dem nicht entgegen. Das Risiko der Bewirtschaftung hat nach dem bisher erkennbaren Sachverhalt allein der Kläger zu tragen. Ihn treffen Erfolge oder Mißerfolge der Wirtschaftsführung ebenso wie die sich daraus ergebenden finanziellen Folgen.

Die Minderjährigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs steht einer Befreiung des Erwerbs von der Grunderwerbsteuer nicht entgegen. Im Hinblick auf die schon mit 18 Jahren eintretende und (inzwischen) eingetretene Volljährigkeit des Klägers (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31. Juli 1974, BGBl I 1974, 1713) erscheint es verständlich, daß die Eltern des Klägers um eine Existenzgrundlage für diesen bemüht waren und der Kläger die sich bietende, günstige Möglichkeit zur Aufstockung seines landwirtschaftlichen Betriebs nutzte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71560

BStBl II 1975, 865

BFHE 1976, 418

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