Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Gebühren sind einem Rechtsanwalt im Jahr der Vereinnahmung im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG grundsätzlich auch dann zugeflossen, wenn noch nicht zweifelsfrei feststeht, ob die Gebühren dem Rechtsanwalt endgültig verbleiben oder ob ein Teil von ihnen an einen anderen Rechtsanwalt weitergegeben werden muß. Die weitergegebenen Gebühren sind im Jahr ihrer Weitergabe Betriebsausgaben.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3, § 4/4, § 11 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Bf., der den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, Gebühreneinnahmen in den Veranlagungszeiträumen 1952 und 1953 oder in späteren Jahren zugeflossen sind.

Der Bf. ist Rechtsanwalt. In dieser Eigenschaft führte er Prozesse, und zwar in Untervollmacht eines anderen Rechtsanwalts, der Direktor einer Organisation war, die die vermögensrechtlichen Interessen eines bestimmten Personenkreises gegen Zahlung eines Honorars wahrnahm. Der Bf. und der andere Rechtsanwalt vereinbarten, die anfallenden Gebühren zur Hälfte aufzuteilen. Diese Gebührenvereinbarung wurde aber in der Folgezeit nicht eingehalten. Die Rechtsanwälte trafen erneut mehrere Vereinbarungen über die Gebührenabrechnung. Der Bf. verfuhr schließlich bei der Gebührenabrechnung so, daß er die in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen oder Kostenabrechnungen für den anderen Rechtsanwalt angesetzten Gebühren diesem nach Eingang überwies, während er die verbleibenden Gebühren als eigenes Honorar betrachtete und auch so verbuchte. Da auf mehrere Vorstellungen des anderen Rechtsanwalts sich ergab, daß dieser mit der bisher getroffenen Art der Abrechnung sich nicht restlos einverstanden erklärte, setzte der Bf im Veranlagungszeitraum 1952 und 1953 die oben angegebenen Beträge von den Endsummen seiner Einnahmen wieder ab, da er der Auffassung war, es handle sich insoweit um Fremdgelder. Erst im Mai 1955 kam es zu einer Einigung dahingehend, daß es bei der bisherigen Gebührenabrechnung sein Bewenden haben solle. Das Finanzamt erkannte die Absetzungen auf Grund der Feststellungen einer Betriebsprüfung nicht an. Es rechnete die abgesetzten Beträge den Betriebseinnahmen wieder hinzu, weil insoweit Betriebseinnahmen vorlägen, die dem Bf. auch zugeflossen seien.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt.

Dem Bf. seien die streitigen Beträge zugeflossen (§ 11 Abs. 1 EStG). Zugeflossen sei eine Einnahme dann, wenn der Empfänger wirtschaftlich in der Lage sei, darüber als eigene Einnahme zu verfügen. Der Bf. habe die Gelder auf einem seiner freien Konten vereinnahmt. Er habe nicht die für die Mandanten vereinnahmten Beträge auf das ihm von dem anderen Rechtsanwalt genannte Ander- Konto überwiesen. Er habe sie auch nicht einem auf seinen Namen lautenden Ander-Konto gutgebracht. Der Bf. habe über die Beträge auch tatsächlich verfügt. Soweit er die Beträge an den anderen Rechtsanwalt oder auf ein Konto der Organisation überwiesen habe, habe er sie mit Recht als Betriebsausgaben abgesetzt. Soweit er die Beträge aber auf seinem Konto habe stehenlassen, habe er damit zum Ausdruck gebracht, daß er die Gelder verbrauchen dürfe. Daraus ergebe sich, daß es der Wille des Bf. gewesen sei, die nicht überwiesenen Beträge als eigene Betriebseinnahmen zu behandeln. Sie seien ihm deshalb im Sinne von § 11 Abs. 1 EStG auch wirtschaftlich zugeflossen.

Mit der Rb. vertritt der Bf. die Ansicht, er habe zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich über die streitigen Beträge verfügen können. Dies sei frühestens im Jahre 1954 möglich gewesen, weil erst in diesem Jahr die Zweifel hinsichtlich der Teilung der Honorare beseitigt worden wären.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Dem Finanzgericht wird darin beigetreten, daß die streitigen Beträge dem Bf. in den Veranlagungszeiträumen 1952 und 1953 zuflossen. Der Bf. hatte, wie er selbst zugibt, nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine wirtschaftliche Verfügungsmacht über diese Beträge. Es kann dahingestellt bleiben, ob er erst im Jahre 1954 oder schon früher darüber tatsächlich verfügte. Entscheidend ist, daß dem Bf. die Beträge tatsächlich zuflossen. Der Senat hat in der Entscheidung IV 159/53 U vom 20. Mai 1954 / 2. September 1954 (BStBl 1954 III S. 314, Slg. Bd. 59 S. 266) ausgesprochen, daß Vorschüsse an Rechtsanwälte, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, Betriebseinnahmen im Sinne dieser Vorschrift sind (vgl. auch Urteil IV 427/60 U vom 29. März 1961, BStBl 1961 III S. 500, Slg. Bd. 73 S. 642, betreffend Gerichtskostenvorschüsse an Rechtsanwälte). Die dort aufgestellten Grundsätze über den Zufluß von Einnahmen gelten im gleichen Masse auch für den Streitfall.

Nach der Entscheidung IV 159/53 U sind als Betriebseinnahmen nicht nur solche Beträge anzusehen, die dem Steuerpflichtigen endgültig verbleiben. Auch Betriebseinnahmen, die später ganz oder teilweise zurückgewährt oder weitergegeben werden müssen, unterliegen der Besteuerung im Jahr der Vereinnahmung. Soweit in späteren Jahren zunächst vereinnahmte Betriebseinnahmen weitergegeben werden, stellen diese Beträge grundsätzliche Betriebsausgaben dar, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat. Eine andere Beurteilung ist z. B. gerechtfertigt, wenn Beträge als Darlehen empfangen werden. Tatsachen, die auf ein Darlehen hinweisen, wurden aber vom Bf. weder behauptet noch sonst festgestellt. Dadurch, daß der Bf. die streitigen Beträge später in seiner Gewinnermittlung wieder absetzte, wurden sie keine Fremdgelder, da es sich um Einnahmen für bewirkte Leistungen handelte. Daß der Bf. die ihm zustehenden Ansprüche insoweit für zweifelhaft hielt, als ein Teil von ihnen gegebenenfalls dem anderen Rechtsanwalt zustehe, ändert nichts an der Tatsache, daß die Beträge ihm auch insoweit tatsächlich zuflossen. Wirtschaftlich betrachtet besteht kein Unterschied zwischen Vorschüssen, die gegebenenfalls zurückbezahlt werden müssen, und zweifelhaften Honoraren, bei denen unter Umständen dieselbe Folge eintreten kann.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 132

BFHE 1963, 358

BFHE 76, 358

StRK, EStG:11 R 39

NJW 1963, 1031

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge