Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der an den Nachweis erhöhter Werbungskosten zu stellenden Anforderungen.

Zur Frage der einkommensteuerlichen Beurteilung der Ministerialzulage.

 

Normenkette

EStG § 3 Ziff. 11, § 3/12, § 9; LStDV § 4 Ziff. 1, § 20

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Regierungsrat bei einer Landesrechnungskammer. Er hat im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichsverfahrens für das Jahr 1952 beantragt, ihm einen besonderen steuerfreien Betrag von monatlich 85 DM aus folgenden Gründen zu gewähren. Bis zu seiner übernahme in den Landesdienst habe er in sachlich gleicher Stellung als Angehöriger des Rechnungshofes des Deutsches Reiches, zuletzt auf Grund der Genehmigung der Militärregierung, neben seinem Gehalt eine Ministerialzulage von monatlich 85 DM erhalten. Bei der übernahme in den Landesdienst sei die Zulage lediglich deshalb weggefallen, weil im Landeshaushalt Mittel für sie nicht bereitgestellt worden seien. Infolge des Fortfalls der Ministerialzulage sei er nunmehr gezwungen, die ihm durch seinen Dienst erwachsenen Aufwendungen, zu deren Abgeltung früher die Ministerialzulage gewährt worden sei, aus seinem Gehalt zu begleichen. Der im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verankerte Grundsatz der Gleichheit erfordere gleichmäßige Behandlung, ohne daß ein Nachweis im einzelnen über die Aufwendungen von ihm verlangt werden könne.

Das Finanzamt hat mangels hinreichenden Nachweises der Aufwendungen den Antrag abgelehnt und auch den hiergegen erhobenen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung des Bf. hat der Kammervorsitzende vor der Entscheidung des Finanzgerichts den Bf. aufgefordert, die von ihm verauslagten Werbungskosten, wenn nicht nachzuweisen, so doch wenigstens glaubhaft zu machen. Der Bf. hat daraufhin als Beispiel erhöhten Kleiderverschleiß und das Halten von Fachliteratur aufgeführt und im übrigen darauf hingewiesen, daß die besonderen Aufwendungen die gleichen gewesen seien, wie sie früher durch die Bewilligung der Ministerialzulage anerkannt seien. Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es führt aus, daß gemäß § 3 Ziff. 11 des Einkommensteuergesetzes (§ 4 Ziff. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -) nur die aus öffentlichen Kassen für öffentliche Dienste gewährten Aufwandsentschädigungen nicht zum Arbeitslohn gehören und grundsätzlich lohnsteuerfrei zu bleiben haben. Dienstaufwand und Werbungskosten seien zwar begrifflich dasselbe, ihr äußere Behandlung sei jedoch verschieden. Im Falle der Zahlung einer Dienstaufwandsentschädigung habe die Finanzverwaltung, soweit ihr eine Befugnis zur Nachprüfung, ob ein Aufwand überhaupt oder in der Höhe der gewährten Entschädigung erwachsen sei, zustehe, dem Empfänger nachzuweisen, daß ihm ein entsprechender Dienstaufwand nicht erwachsen sei. Erhalte ein Beamter jedoch keine Aufwandsentschädigung, so habe er gemäß § 20 LStDV darzutun oder glaubhaft zu machen, welchen Dienstaufwand (Werbungskosten) er gehabt habe, damit die Steuerbehörde feststellen könne, ob und in welcher Höhe ihm Werbungskosten über den Werbungskostenpauschbetrag hinaus entstanden seien. Auf die Gründe, aus denen die Behörde eine Dienstaufwandsentschädigung nicht oder nicht mehr gewähre, komme es nicht an. Der Bf. habe auf die an ihn ergangene Aufforderung lediglich Auslagen für Fachliteratur geltend gemacht, die durch den Werbungskostenpauschbetrag abgegolten seien. Der Verschleiß an Kleidungsstücken berühre grundsätzlich nur die Privatsphäre; Auslagen für Straßenkleidung könnten im Gegensatz zur typischen Berufskleidung nicht als Werbungskosten anerkannt werden. Das Finanzgericht könne somit nicht feststellen, daß der Bf. erhöhte Werbungskosten gehabt habe.

In seiner Rechtsbeschwerde macht der Bf. im wesentlichen geltend, das Finanzgericht verlange in Wirklichkeit nicht nur eine Glaubhaftmachung, sondern einen Einzelnachweis seiner Werbungskosten. Als Glaubhaftmachung müsse jedoch der Hinweis auf den früheren Bezug der Ministerialzulage und die gleich gebliebene Amtsstellung genügen. Es sei nicht verständlich, weswegen die Finanzbehörde diese Glaubhaftmachung, die sie früher bei Gewährung der Ministerialzulage anerkannt habe, jetzt nicht mehr gelten lassen wolle. Die Auffassung des Finanzgerichts verletze auch den Grundsatz der Gleichheit im Steuerrecht. Der Bf. hat deshalb beantragt, beim Bundesminister der Finanzen Feststellungen darüber einzuholen, welcher Art die Ausgaben sind, die der Gewährung der Ministerialzulage allgemein zugrunde liegen.

Der Senat hat entsprechend diesem Antrag eine äußerung des Bundesministers der Finanzen eingeholt. Sie besagt folgendes:

"Die Aufwandsentschädigung, die den Beamten und Angestellten bei den obersten Bundesbehörden gewährt wird (Ministerialzulage), soll die Mehraufwendungen ausgleichen, die sich aus der Eigenart des Dienstes bei den Zentralbehörden ergeben. Bei den Aufwendungen, zu deren Ausgleich die Ministerialzulage dienen soll, handelt es sich um Aufwendungen, die ihrer Art nach zu den Werbungskosten gehören. Die in Betracht kommenden Aufwendungen sind nicht bei allen Beamten und Angestellten die gleichen; aus der Dienststellung und der Ressortzugehörigkeit ergeben sich Verschiedenheiten. Zu den Aufwendungen gehören z. B. Mehrausgaben für Mahlzeiten und Erfrischungen, die durch die regelmäßige Arbeitsleistung über die vorgeschriebenen Dienststunden hinaus - sei es in der Dienststelle, sei es in der Wohnung - entstehen; Mehrausgaben infolge der Notwendigkeit, ein besonderes Arbeitszimmer zu halten, insbesondere für Strom und Heizung; Ausgaben im Zusammenhang mit Ressortbesprechungen, Ausschußsitzungen, Plenarsitzungen des Bundestages und Bundesrats und anderen Besprechungen am Dienstort außerhalb der Dienststelle, die häufig die ganztätige Anwesenheit von Angehörigen der Zentralbehörden erfordern; Repräsentationsaufwendungen, insbesondere bei Auslandsreisen und Besuchen aus dem Ausland; erhöhte Aufwendungen für Fachliteratur."

Auf diese äußerung hin erklärte der Bf. unter Bezugnahme auf sein früheres Vorbringen, daß die für die Zahlung der Ministerialzulage erforderlichen Voraussetzungen bei ihm stets erfüllt gewesen seien.

 

Entscheidungsgründe

Der Rechtsbeschwerde ist der Erfolg zu versagen.

Aus der Tatsache, daß dem Bf. früher eine Ministerialzulage zustand, kann nicht gefolgert werden, daß ihm nunmehr ohne weiteres erhöhte Werbungskosten in gleicher Höhe zuzubilligen sind. Der Bf. übersieht zunächst, daß die Zubilligung einer Zulage zu den Dienstbezügen durch den Arbeitgeber (Staat) sich dem Tatbestand nach von den Fällen unterscheidet, in denen eine solche Zulage nicht gezahlt wird. Nur für den Fall, in dem eine Aufwandsentschädigung aus einer öffentlichen Kasse tatsächlich gezahlt wird, ist die besondere Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 11 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden. Für alle anderen Tatbestände gilt die Regelvorschrift des § 9 des Einkommensteuergesetzes, § 20 Abs. 1 und § 2 LStDV.

Sachlich ist § 3 Ziff. 11 des Einkommensteuergesetzes eine Vereinfachungsvorschrift. Sie geht davon aus, daß die als Dienstaufwandsentschädigung aus einer öffentlichen Kasse für öffentliche Dienste gewährten Bezüge Werbungskosten im Sinne von § 9 des Einkommensteuergesetzes abgelten. Deshalb hat die Rechtsprechung von jeher diese Befreiungsvorschrift einengend dahin ausgelegt, daß der Veranlagungs- bzw. Lohnsteuerstelle ein Nachprüfungsrecht (gegebenenfalls eine Nachprüfungspflicht) zusteht, ob überhaupt und ob in der gewährten Höhe erfahrungsgemäß nach der Art der Dienststellung ein echter Dienstaufwand (also Werbungskosten) in Betracht kommt (vgl. auch § 4 Ziff. 1 Sätze 5 und 6 LStDV). Dieses aus dem Grundgedanken des Gesetzes selbst zu entnehmende Nachprüfungsrecht der Finanzbehörde ist nicht, wie anscheinend das Finanzgericht annimmt, irgendwie beschränkt. Auch aus Abschnitt 17 der Lohnsteuer-Richtlinien ist eine solche Beschränkung nicht zu entnehmen. Das Nachprüfungsrecht könnte dem für die Prüfung der steuerlichen Tatbestände in erster Linie zuständigen Finanzamt auch nicht dem Grundgedanken des Gesetzes zuwider durch Verwaltungsanweisungen im einzelnen Fall oder für eine Gruppe von Fällen entzogen werden. Zwar hat der Reichsfinanzhof in seinem Urteil VI A 532/36 vom 14. Oktober 1936, Slg. Bd. 40 S. 165 (167), Reichssteuerblatt 1937 S. 390, ausgeführt, daß das Nachprüfungsrecht der Finanzämter im Verwaltungswege ausgeschlossen werden könne; dies sei insbesondere durch den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 8. April 1936 S 2172 - 1957 III geschehen für alle Aufwandsentschädigungen, die von einer obersten Reichs- oder Landesbehörde festgesetzt und aus Reichs- oder Landeskassen gezahlt werden. Der Senat vermag jedoch einer solchen Einschränkung nicht zuzustimmen. Sie würde rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen. Es muß vielmehr dem zuständigen Finanzamt unbenommen bleiben, nachzuprüfen, ob und inwieweit ein als Aufwandsentschädigung bezeichneter Bezug und somit auch die Ministerialzulage unter dem Gesichtswinkel der Werbungskosten sachlich als Dienstaufwandsentschädigung im Sinne der gesetzlichen Befreiungsvorschrift anzusehen ist.

Der Vorbehörde ist darin zuzustimmen, daß der Steuerpflichtige, wenn er erhöhte Werbungskosten geltend macht, diese in angemessener Weise darzutun hat, wie das aus § 20 Abs. 2 LStDV hervorgeht.

Der bloße Hinweis auf den früheren Bezug einer Ministerialzulage ist kein ausreichender Nachweis in dieser Beziehung. Denn der Senat ist der Auffassung, daß der Ministerialzulage in ihrer heutigen unterschiedslosen Ausdehnung auf alle Angehörigen der Ministerien das Wesen einer echten Aufwandsentschädigung abzusprechen ist. Die Ministerialzulage war wie andere besoldungsmäßige Zulagen bereits unter der Herrschaft der Einkommensteuergesetze 1920 und 1925 als eine Leistungszulage (Funktionszulage) und demgemäß als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt worden (vgl. z. B. Pissel-Koppe, 5. Auflage 1932, Anmerkung 8 Abs. 2 zu § 36 des Einkommensteuergesetzes, Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 16. Oktober 1920 III Ku 24735 sowie Fischbach, Deutsches Beamtengesetz, 1. Auflage 1937, Bemerkung II 4 b aa zu § 38, S. 382). Erst durch einen Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 2. Dezember 1937 A 4502 - 18271 IV wurde ihre Steuerfreiheit angeordnet, ohne daß dies durch eine sachliche Strukturänderung begründet gewesen wäre. (Vgl. Fischbach, Deutsches Beamtengesetz, 2. Auflage 1940 Bemerkung IV 4 d zu § 38, S. 605. Dort wird im Anschluß an die Wiedergabe des Erlaßinhalts und in sachlichem, wenn auch in eine vorsichtige Fassung gekleidetem Widerspruch zu diesem bemerkt, die Ministerialzulage sei ein "Mittelding zwischen einer Dienstaufwandsentschädigung und einer ... Funktionszulage"; sie habe keineswegs ausschließlich den Charakter einer Dienstaufwandsentschädigung.) Auch die Darlegungen des Bundesministers der Finanzen im vorliegenden Streitfall sprechen für die Auffassung des Senats. Die von ihm angeführten Aufwendungen sind nach der ständigen Rechtsprechung größtenteils nicht zu den Werbungskosten zu rechnen. So grundsätzlich Mehraufwendungen für Mahlzeiten und Erfrischungen, die höchstens je nach der Lage des Einzelfalles bei mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung bis zu 1,50 DM je Arbeitstag besonders abzugsfähig wären. Die anderen aufgeführten Aufwendungen, insbesondere für ein besonderes Arbeitszimmer und gewisse Repräsentations- und erhöhte Reiseaufwendungen, könnten unter Umständen sachlich Werbungskosten bilden; sie fallen jedoch nur bei einem ganz eng begrenzten Kreis von Angehörigen der Ministerien in leitender Stellung an; bei der weitaus größten Zahl kommen sie überhaupt nicht oder nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, so z. B. bei Büropersonal und Arbeitern. Dabei braucht für den vorliegenden Fall nicht dazu Stellung genommen zu werden, in welcher Höhe in den bezeichneten Ausnahmefällen ein echter Dienstaufwand anzuerkennen wäre.

Der Hinweis des Bf. auf den früheren Bezug einer Ministerialzulage hätte nach den Ausführungen zu 2. bei seiner gleichgebliebenen Tätigkeit nur dann eine brauchbare Grundlage für eine angemessene Schätzung von Werbungskosten im Streitjahr bieten können, wenn der Bf. zusätzlich klargelegt hätte, welche Werbungskosten mit der ihm früher zugebilligten Ministerialzulage abgegolten worden sind, oder anders ausgedrückt, welche Werbungskosten nach Entzug der Ministerialzulage nunmehr seine Dienstbezüge durchschnittlich unmittelbar belasten. Da der Bf. indessen bewußt von solcher Klarlegung abgesehen hat und auch auf Aufforderung des Finanzgerichts keine irgendwie wesentlichen Werbungskosten im Sinne des § 9 des Einkommensteuergesetzes dargetan hat, hat ihn die Vorbehörde mit Recht als beweisfällig und sein Begehren auf Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten im Lohnsteuerjahresausgleich als unbegründet erklärt, ohne damit den Grundsatz der Gleichheit im Steuerrecht zu verletzen oder gegen die Pflicht zu ausreichender Sachaufklärung zu verstoßen.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 181

BFHE 1956, 488

BFHE 62, 488

StRK, EStG:9/1 u. 2 R 33

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