Leitsatz (amtlich)

Das Anbringen von Hausbriefkästen an den Hauswänden der Abnehmer durch den Großhändler ist in der Regel keine die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG ausschließende Bearbeitung des Liefergegenstandes.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 3; UStDB § 12 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Ziff. 3

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige betrieb in den Jahren 1958 bis 1960 im Rahmen einer von der Bundespost durchgeführten Aktion zur Entlastung der Briefträger Handel mit Hausbriefkästen. Die Bundespost zahlte an Hauseigentümer, die an ihren Häusern Hausbriefkästen anbrachten, einen Zuschuß. Die Briefkästen wurden von der Steuerpflichtigen an die Hauseigentümer geliefert und entweder von ihr selbst oder von damit beauftragten Handwerkern an den Hauswänden befestigt.

Streitig ist für den Veranlagungszeitraum 1960, ob das Anbringen von Hausbriefkästen an den Hauswänden eine Bearbeitung im Sinne des § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStDB ist, die die Anwendung des Großhandelssteuersatzes von 1 v. H. (§ 7 Abs. 3 UStG) ausschließt.

Das Finanzamt bejahte diese Frage und lehnte daher die Anwendung des Großhandelssteuersatzes ab. Der Einspruch der Steuerpflichtigen wurde als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen hielt das Finanzgericht die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UStG für gegeben. Es wandte daher den Steuersatz von 1 v. H. an und setzte die Umsatzsteuer der Steuerpflichtigen entsprechend herab.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hat keinen Erfolg. Der Senat hat im Urteil V 155/64 U vom heutigen Tage (BStBl 1965 III S. 469) entschieden, daß das Aufhängen eines Waren-Hängeautomaten an der Wand oder an der Tür des Ladens des Käufers durch den Automaten-Großhändler eine die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG ausschließende Bearbeitung des Liefergegenstandes nicht darstellt. Durch das Anbringen an der Wand werde der Automat in seiner Wesensart nicht geändert. An dem Automaten selbst trete keine Veränderung ein. Das Anbringen des Automaten sei eine leichte Arbeit, die -- wie ein Finanzgericht durch Augenscheineinnahme festgestellt habe -- nur wenige Minuten in Anspruch nehme und handwerkliche Spezialkenntnisse oder -fähigkeiten nicht voraussetze. Nach der Verkehrsauffassung behalte der Automat seine Marktgängigkeit, gleichgültig, ob er sich noch auf dem Lager des Großhändlers befinde oder bereits zum Abnehmer transportiert sei oder schon an seinem endgültigen Platz hänge. Der Senat hat in dem genannten Urteil den Grundsatz aufgestellt, daß eine "Bearbeitung" des Liefergegenstandes im Sinne des § 12 Abs. 1 UStDB grundsätzlich dann nicht gegeben ist, wenn durch das Anbringen des Gegenstandes auf dem Boden, an der Wand oder an der Decke eines Gebäudes oder Raumes (ohne Bildung einer Sacheinheit oder Sachgesamtheit) der Gegenstand selbst in keiner Weise verändert wird, das Anbringen mit einfachen Mitteln erfolgt, die eine handwerkliche oder technische Schulung nicht voraussetzen, und dadurch der Liefergegenstand einerseits und der Boden bzw. die Wand oder Decke anderseits weder in tatsächlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht zu einer einheitlichen Sache werden.

Diese Voraussetzungen treffen im Streitfalle zu. Die Hausbriefkästen selbst verändern sich nicht. Ihre Befestigung geht noch einfacher vor sich als das Anbringen der Hängeautomaten. Die Kästen werden mit drei Nägeln an der Wand befestigt. Das hierbei verwendete kleine Führungsgerät dient dazu, ein Verbiegen der Nägel zu verhindern. Es kann auch keine Rede davon sein, daß sich die Briefkästen durch ihre Befestigung an der Wand mit dieser zu einer einheitlichen Sache verbinden. Sie lassen sich, ohne daß an ihnen eine Beschädigung eintritt, leicht wieder abnehmen und an einer anderen Stelle verwenden. Den geringfügigen Einschlagstellen für die Nägel in der Wand ist keine Bedeutung beizumessen.

Es ist im Streitfalle auch ohne Bedeutung, daß ein Anspruch auf Auszahlung des Zuschusses der Bundespost erst nach dem Anbringen des Briefkastens geltend gemacht werden konnte und die Steuerpflichtige geringere Umsätze erzielt hätte, wenn sie die Briefkästen nicht angebracht hätte. Weil an dem Liefergegenstand keine Bearbeitung vorgenommen wurde und der von der Steuerpflichtigen an die Abnehmer gelieferte und an der Hauswand befestigte Briefkasten derselbe Gegenstand war wie der von ihr erworbene, ist auch keine Werklieferung gemäß § 3 Abs. 2 UStG, sondern eine Lieferung gemäß § 3 Abs. 1 UStG gegeben. Das Anbringen der Hausbriefkästen an der Wand ist eine Nebenleistung, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt.

Erstmalig in der Rechtsbeschwerdeinstanz hat das Finanzamt Zweifel erhoben, ob alle Abnehmer der Steuerpflichtigen Unternehmer gewesen seien; es müsse geprüft werden, ob nicht aus diesem Grunde bei einem Teil der streitigen Umsätze die Großhandelsvergünstigung zu versagen sei. Mit diesem neuen tatsächlichen Vorbringen kann das Finanzamt in der Rechtsbeschwerdeinstanz gemäß § 288 AO nicht mehr gehört werden.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411619

BStBl III 1965, 470

BFHE 1965, 623

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