Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine aufschiebend bedingte Gegenleistung
Leitsatz (NV)
Ist in einem notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag vereinbart worden, daß der Kaufpreis erst "fällig" werden soll, wenn ein positiver Bescheid über die Bebaubarkeit des Grundstücks vorliegt, so schließt die Verwendung des Wortes "Fälligkeit" es aus, die Erklärungen der Vertragsparteien dahin zu verstehen, daß sie damit die Wirksamkeit der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises dem Grunde nach vom Eintritt eines künftigen ungewissen Ereignisses abhängig machen wollten. Vielmehr sollte von dem Eintritt der Bedingung lediglich die Fälligkeit des Kaufpreises abhängig sein.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1, § 14; BGB § 158
Verfahrensgang
FG des Landes Sachsen-Anhalt |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) schloß am ... Dezember 1993 mit A und B sowie C (Veräußerer) einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über rechtlich und vermessungstechnisch noch nicht gebildete, im Vertrag genau beschriebene Grundstücksteilflächen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags lag für das betreffende Gebiet kein Bebauungsplan vor. Die Beteiligten gingen jedoch von einer künftigen Bebaubarkeit aus und machten dies ausdrücklich zur Grundlage ihres Vertrags. Nach diesem gingen die Vertragsparteien übereinstimmend davon aus, daß das Vertragsobjekt nach Durchführung eines noch ausstehenden Bauleitplanverfahrens als allgemeines Wohngebiet bebaut werden könne (II. 2. Abs. 1 des Vertrags). Die Klägerin verpflichtete sich, die Baureife herbeizuführen. Vertragsobjekt sollten die beiden näher bezeichneten Teilflächen sein, jedoch mit folgender Maßgabe:
"Wird nur auf einem Teil des vorbezeichneten Vertragsobjektes eine Bebauung gemäß dem nach Abschn. II Ziff. 2 zu erwirkenden Bescheid über die Bebaubarkeit desselben baurechtlich möglich sein, stimmen die Vertragsbeteiligten darin überein, daß dann nur der bebaubare Teil des heute festgelegten Vertragsobjekts das endgültige Vertragsobjekt ist.
Der Veräußerer bevollmächtigt dazu unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB unwiderruflich den Erwerber, eine solche Feststellung zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens aber mit der Meßanerkennung zu treffen und dazu diesen Vertrag betreffend die Größe des Vertragsobjektes zu ändern."
Das so beschriebene Vertragsobjekt wurde von den Veräußerern an die Klägerin verkauft. Der Kaufpreis hierfür sollte ... DM/qm betragen und wurde für eine Gesamtfläche von ... qm mit ... DM berechnet. Die endgültige Höhe des Kaufpreises sollte vom amtlichen Meßergebnis für das Vertragsobjekt abhängen. Der Kaufpreis sollte fällig werden 21 Bankarbeitstage nach Absendung der Mitteilung des Notars darüber, daß fünf im Vertrag genannte Bedingungen für die Fälligkeit erfüllt seien und eine weitere -- vom Notar nicht zu überwachende -- Voraussetzung eingetreten ist. Letztere Voraussetzung der Kaufpreisfälligkeit verlangte das Vorliegen eines bestandskräftigen positiven Bescheids für eine Bebauung des Vertragsobjekts mit Wohnbauten und die Sicherheit der Erschließung. Der Kaufpreis sollte ab einem bestimmten Zeitpunkt, der nicht mit dem genannten Bescheid verknüpft war, verzinst werden. Der Veräußerer erteilte der Klägerin unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Vollmacht u. a. zur Erklärung der Auflassung. Der Notar wurde angewiesen, die Auflassung erst dann dem Grundbuchamt zu übergeben, wenn ihm der Ver äußerer die vollständige Bezahlung des Kaufpreises schriftlich bestätigte oder der Erwerber durch Bankbestätigung glaubhaft nachgewiesen hatte. Beide Vertragsbeteiligten sollten nach dem 30. Juni 1995 zum Rücktritt berechtigt sein, wenn die Bebaubarkeit bis dahin nicht bestandskräftig feststünde. Dieser Termin sollte sich verschieben um die Zeitspanne, um die der Rahmenplan der Stadt nach dem 31. Dezember 1993 gültig werde. Der Veräußerer mußte seine Rücktrittsabsicht dem Erwerber -- der Klägerin -- ankündigen. Dieser konnte durch Zahlung des Kaufpreises innerhalb von 20 Tagen das Rücktrittsrecht des Veräußerers ausschließen.
Durch Bescheide vom 8. Juni 1994 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM, ... DM und von ... DM fest. Die Bescheide ergingen jeweils teilweise vorläufig nach § 165 der Abgabenordnung (AO 1977). Über den Einspruch der Klägerin vom 27. Juni 1994 entschied das FA nicht. Mit der am 20. September 1994 erhobenen Klage wurde geltend gemacht, die Grunderwerbsteuer sei noch nicht entstanden.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide aufgehoben. Der Erwerbsvorgang selbst sei nicht i. S. des § 14 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 vom Eintritt einer Bedingung abhängig. Die Fälligkeit des Kaufpreises sei allerdings von einer aufschiebenden Bedingung i. S. des § 158 Abs. 1 BGB -- nämlich eines bestandskräftigen positiven Bescheids für eine Bebauung des Vertragsobjekts mit Wohnbauten und der Sicherheit der Erschließung -- abhängig. Da die Gegenleistung in voller Höhe aufschiebend bedingt vereinbart worden sei, habe keine Steuer festgesetzt werden dürfen.
Nach Zulassung der Revision durch den erkennenden Senat hat das FA Revision eingelegt. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat keine Stellungnahme abgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Es ist nicht nur die sich aus dem Grundstückskaufvertrag ergebende Verpflichtung der Veräußerer zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück unbedingt abgeschlossen worden, sondern -- entgegen der Auffassung des FG -- auch die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises.
1. Der Grundstückskaufvertrag vom 18. Oktober 1993 ist ein Rechtsgeschäft, das nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegt. Der Kaufvertrag als solcher ist von den Vertragsbeteiligten unbedingt abgeschlosssen worden.
Zwar ist es bürgerlich-rechtlich möglich, daß die Vertragsparteien die Wirkung einzelner sich aus dem Vertrag ergebender Verpflichtungen von dem Eintritt einer Bedingung abhängig machen. Im Streitfall ergibt sich aus dem Kaufvertrag jedoch die (unbedingte) Verpflichtung der Veräußerer zur Übertragung des Eigentums an einem hinreichend bestimmten Grundstück. Damit ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 erfüllt.
Aus dem Wortlaut des notariell beurkundeten Vertrags ergibt sich, daß Vertragsgegenstand ein zwar rechtlich noch zu bildendes, tatsächlich aber durch Beschreibung im Vertrag selbst und die in diesem enthaltene Bezugnahme auf einen Lageplan hinreichend bestimmtes Grundstück mit einer Größe von ca. ... qm ist. Auf diesen Vertragsgegenstand bezieht sich die im Vertrag begründete Übereignungsverpflichtung der Veräußerer. Für den Fall, daß in der Folge keine Bebaubarkeit des gesamten Vertragsobjekts eintritt, sollte sich zwar die Verpflichtung zur Übereignung auf eine entsprechend kleinere Teilfläche verringern. Diese Folge soll nach dem Wortlaut des Vertrags jedoch nicht automatisch eintreten, sondern einer Änderung des Vertrags betreffend die Größe des Vertragsobjekts erfordern. Daraus aber folgt, daß vor bzw. ohne eine solche Änderung die unbedingte Verpflichtung zur Übereignung des gesamten Vertragsobjekts besteht. Solange eine solche Vertragsänderung nicht vorgenommen worden ist, erstreckt sich mithin die (unbedingte) Übereignungsverpflichtung auf das gesamte ursprüngliche Vertragsobjekt. Die Tatsache, daß die Vertragsänderung aufgrund Bevollmächtigung des Erwerbers unter Befreiung von § 181 BGB allein vom Erwerber herbeigeführt werden kann, steht dem nicht ent gegen. Die unbedingte Wirksamkeit der Übereignungsverpflichtung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Auflassung nur Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte. Aus dem Kaufvertrag vom ... Dezember 1993 ergibt sich mithin die der Grunderwerbsteuer unterliegende unbedingt wirksame Verpflichtung zur Übereignung eines hinreichend bestimmten Grundstücks.
2. Die Grunderwerbsteuer dafür ist nach dem Wert der Gegenleistung zu bemessen (§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983). Gegenleistung ist im Streitfall der Kaufpreis. Entgegen der Auffassung des FG ist die Verpflichtung zur Entrichtung des Kaufpreises im Streitfall nicht unter einer aufschiebenden Bedingung vereinbart worden. Zwar haben die Parteien die Kaufpreiszahlung u. a. an die Voraussetzung geknüpft, daß ein bestandskräftiger positiver Bescheid für eine Bebauung des Vertragsobjekts und die Sicherheit der Erschließung vorliegt. Nach dem eindeutigen Wortlaut der notariell beurkundeten Erklärungen der Vertragsparteien ("der Kaufpreis wird fällig ... "; "als weiterer Voraussetzung der Kaufpreisfälligkeit") sollte damit jedoch nur eine Regelung über die Fälligkeit des Kaufpreises getroffen werden. Die Verwendung des Wortes "Fälligkeit" in dem notariell beurkundeten Vertrag schließt es aus, die Erklärungen der Vertragsparteien dahin zu verstehen, daß sie damit die Wirksamkeit der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises dem Grunde nach vom Eintritt eines künftigen ungewissen Ereignisses (Bebaubarkeit des Grundstücks) abhängig machten. Vielmehr sollte von dem Eintritt der Bedingung lediglich die Fälligkeit des Kaufpreises abhängig sein. Diese am Wortlaut des Vertrags orientierte Auslegung wird bestätigt durch dessen sonstigen Inhalt und die Interessenlage der Parteien. Nach dem Gesamtinhalt des Vertrags ist der Erwerber nach Abschluß des Vertrags jederzeit zur Zahlung des vollen Kaufpreises berechtigt und der Veräußerer dementsprechend zu dessen Annahme und zur Übereignung des gesamten Grundstücks verpflichtet. Zum Vollzug der Auflassung ist der Notar dementsprechend von den Beteiligten angewiesen, wenn ihm die vollständige Bezahlung des Kaufpreises nachgewiesen wird. Ein Nachweis des Eintritts der Bebaubarkeit ist dagegen nicht erforderlich. Besonders deutlich wird die Berechtigung des Erwerbers zur jederzeitigen vollen Entrichtung des Kaufpreises dadurch, daß er mit der an keine weitere Voraussetzung geknüpfte Zahlung das Recht des Veräußerers zum Rücktritt vom Vertrag wegen Nichtbebaubarkeit ausschließen kann. Diese Vertragskautelen machen deutlich, daß ab Vertragsschluß die Kaufpreisforderung dem Grunde nach bestanden hat und lediglich noch nicht fällig sein sollte. Andernfalls müßte man unterstellen, daß die im Vertrag vorgesehene (vorzeitige) Erfüllung der Kaufpreisforderung rechtsgrundlos und damit grundsätzlich nach § 812 BGB kondizierbar erfolgen sollte. Das aber war von den Parteien nicht gewollt. Die nach dem Vertrag bestehende Berechtigung des Erwerbers zur jederzeitigen Zahlung des Kaufpreises für das gesamte (unverringerte) Vertragsobjekt und die Verpflichtung des Veräußerers zur Annahme dieser Leistung und -- Zug um Zug -- zur Übereignung des gesamten Vertragsobjekts setzen das Bestehen einer wirksamen Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung dem Grunde nach ab Vertragsschluß voraus und bestätigen mithin die am Wortlaut des Vertrags orientierte Auslegung, daß die Kaufpreisforderung nicht aufschiebend bedingt vereinbart worden ist. Die vertraglichen Regelungen über die Zinszahlung und über den Rücktritt vom Vertrag als solchem stehen im Einklang mit dieser Auslegung und geben dem Vertrag insgesamt einen sinnvollen Inhalt.
3. Die von anderen Grundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Weitere Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids sind nicht ersichtlich. Ins besondere ist die festgesetzte Grunderwerbsteuer im übrigen der Höhe nach nicht streitig. Die Klage ist daher abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 422048 |
BFH/NV 1997, 705 |