Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt der Einzelkaufmann einen Gesellschafter in das Unternehmen auf, so sind laufende Pensionszahlungen an Arbeitnehmer dem Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 2 GewStG und Pensionsrückstellungen dem Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG insoweit zuzurechnen, als sie nach ihrem Bestand im Zeitpunkt des Eintritts des Gesellschafters anteilmäßig auf diesen Gesellschafter entfallen.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Gewerbesteuerveranlagung 1962 die Hinzurechnung von laufenden Zahlungen aus Pensionsverpflichtungen zum Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 2 GewStG und die Hinzurechnung von Pensionsrückstellungen zum Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG.

Die Revisionsbeklagte, eine OHG, entstand auf Grund Gesellschaftsvertrags vom 29. Juli 1960 mit Wirkung vom 1. Juli 1960 durch Aufnahme des Sohnes und des Schwiegersohnes in die bis dahin als Einzelfirma betriebene Versicherungsagentur. Am Gewinn beteiligt waren der bisherige Einzelunternehmer X mit 55 % und die beiden neu aufgenommenen Gesellschafter mit je 22 1/2 %. Ihre im Verhältnis zum Gesamtkapital des Unternehmens geringen Einlagen erbrachten sie durch Umwandlung von Forderungen gegen X in Beteiligungskapital. Der Betrieb als solcher wurde unverändert fortgeführt; stille Reserven wurden im Zuge der Gesellschaftsgründung nicht aufgedeckt.

Im Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung bestanden Pensionsverpflichtungen des X gegenüber einigen leitenden Angestellten, die auf die OHG übergingen. Die hierfür gebildeten Pensionsrückstellungen wurden unverändert in die Eröffnungsbilanz der OHG übernommen.

Im Streitjahr rechnete das Finanzamt (FA) dem gewerblichen Gewinn der OHG die tatsächlich gezahlten Ruhegelder nach Ausgleich mit entsprechenden Auflösungen der Rückstellungen, also den als gewinnmindernd behandelten Betrag mit 4.690 DM zur Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 8 Nr. 2 GewStG und die Pensionsrückstellungen selbst mit 45.327 DM dem Einheitswert des Betriebsvermögens zur Ermittlung des Gewerbekapitals nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG hinzu.

Die Sprungberufung der OHG hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1965 S. 120 veröffentlicht ist, führte im wesentlichen aus. Zwar sei die OHG ein neues Steuersubjekt und ein anderer Unternehmer. Entscheidend sei hier aber, daß sie eine Vereinigung selbständiger Gewerbetreibender darstelle, die ihre Betriebe gemeinschaftlich führten. Bei dieser Betrachtung sei der Betrieb nicht im ganzen auf die OHG übergegangen, sondern zum Teil, und zwar überwiegend bei dem früheren Alleininhaber verblieben. Deshalb seien die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG, die die Gründung oder den Erwerb eines Betriebes voraussetzten, nicht gegeben. Das müsse um so mehr gelten, als sich der Betrieb nicht wesentlich geändert habe. Denn weder hätten der Sohn und der Schwiegersohn das Betriebskapital erhöht noch sei das Unternehmen auf eine wesentlich breitere Grundlage gestellt worden.

Mit seiner nach Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnden Rb. macht der Vorsteher des FA im wesentlichen geltend. Die Begriffe Unternehmer und Unternehmen, besonders in § 2 Abs. 5 GewStG 1961, seien dem Umsatzsteuerrecht entlehnt. Dort sei ein Einzelunternehmer von der Unternehmergesellschaft wesensverschieden. Für den Begriff der Unternehmensgleichheit, auf den das Urteil des FG abstelle, sei nach der Rechtsprechung im Gewerbesteuerrecht erforderlich die Gleichheit des Gewerbetreibenden und des Betriebs (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - IV 353/60 U vom 1. Dezember 1960, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 72 S. 173 - BFH 72, 173 -, BStBl III 1961, 65, und I 19/59 U vom 5. Mai 1959, BFH 69, 111, BStBl III 1959, 304). Gerade im letzten Urteil habe der BFH darauf hingewiesen, daß die umsatzsteuerlichen Begriffe für das Gewerbesteuerrecht maßgebend seien. Demnach könne eine Unternehmenseinheit nicht vorliegen, wenn ein Einzelbetrieb zu einer OHG werde. Das ergebe sich auch aus § 2 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassene Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Pensionsverpflichtungen gehören zu den Renten und dauernden Lasten im Sinne des § 8 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs - RFH - I 3/40 vom 9. April 1940, RStBl 1940, 621; I 206/39 vom 1. Oktober 1940, RStBl 1941, 36, und des BFH I 71/60 S vom 4. Dezember 1962, BFH 76, 259, BStBl III 1963, 93). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.

Die bezeichneten Hinzurechnungen setzen voraus, daß die Renten und dauernden Lasten wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs oder eines Anteils am Betrieb zusammenhängen. Der Senat folgt bei der Beurteilung dieses Zusammenhangs weder der Auffassung des FG noch der des FA. Für die Auffassung des FG spricht der Gedanke, daß in der neu gegründeten Personengesellschaft jeder Gesellschafter wirtschaftlich gesehen seinen bisherigen Betrieb nunmehr gemeinschaftlich mit anderen Personen fortsetzt. Diese Auffassung könnte vor allem in den Fällen, in denen der bisherige Alleinunternehmer eine beherrschende Stellung im Unternehmen behält, zu wirtschaftlich vertretbaren Ergebnissen führen. Sie führt jedoch zu einer überbetonung der objektiven Unternehmensidentität, wobei dem Wechsel des Unternehmers zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen wird.

Für die Auffassung des FA kann angeführt werden, daß eine Personengesellschaft, worauf das FA mit Recht hinweist, gewerbesteuerlich ein anderes Unternehmen ist als dasjenige des bisherigen Alleinunternehmers. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 GewStG. Das Unternehmensgleichheit im Sinne des GewStG in der Regel sowohl Unternehmer - als auch Unternehmensidentität voraussetzt, betonte der erkennende Senat zuletzt in seinem Urteil IV 173/64 S vom 14. Januar 1965 (BFH 81, 318, BStBl III 1965, 115) zur Entscheidung der Frage, ob der Verlustabzug im Sinne des § 10 a GewStG auf den Erben des bisherigen Unternehmers übergeht. Es spricht viel dafür, von den dort entwickelten Grundsätzen auch bei der Beantwortung der Frage auszugehen, ob der Eintritt von Gesellschaftern in eine Einzelfirma einen Erwerb oder die Gründung eines Betriebs im Sinne des § 8 Nr. 2 GewStG darstellt. Solche Erwägungen lagen offenbar der Entscheidung des RFH VI 140/39 vom 7. Februar 1940 (RStBl 1940, 461) zugrunde, in der die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 GewStG für Versorgungsrenten bejaht wurde, die bei der Gründung einer Offenen Handelsgesellschaft für die Witwen der Gesellschafter vereinbart wurden.

Diese Auffassung berücksichtigt jedoch nicht ausreichend, daß zwar der neu eintretende Gesellschafter nach Massgabe seiner Beteiligung einen Anteil am Betrieb des bisherigen Alleinunternehmers erwirbt, daß dieser aber im übrigen seinen Betrieb selbst fortführt. Auch bei Personengesellschaften sind gewerbesteuerlich die einzelnen Gesellschafter Unternehmer und Steuerschuldner. Bei der Aufnahme eines Gesellschafters in ein Alleinunternehmen ist daher hinsichtlich des bisherigen Alleinunternehmers und des von ihm in der Gesellschaft fortgeführten Unternehmens die Unternehmensidentität zu bejahen. Die Aufnahme von Gesellschaftern in ein Einzelunternehmen führt zwar zur Gründung einer Gesellschaft. Die Gründung oder den Erwerb eines anderen Betriebs stellt sie indes nur für die neu eintretenden Gesellschafter dar. Dieser Gedanke der teilweisen Unternehmensidentität und der teilweisen Neugründung liegt auch dem Urteil des BFH VI 272/63 vom 3. Februar 1966 (BFH 86, 123, BStBl III 1966, 374) bei Beurteilung des übergangs des Verlustabzugs nach § 10 a GewStG im Fall des Ausscheidens von Gesellschaftern aus einer Personengesellschaft auf die verbleibenden Gesellschafter zugrunde.

Es liegt also ein Erwerbs- oder Gründungsvorgang im Sinn des § 8 Nr. 2 GewStG bei Aufnahme von Gesellschaftern nur insoweit vor, als Gesellschafter in ein Einzelunternehmen aufgenommen werden oder die Gesellschafter einer bereits bestehenden Personengesellschaft wechseln. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Renten oder dauernden Lasten mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs ist anzunehmen, wenn die Renten oder dauernden Lasten ihre Ursache im Gründungs- oder Erwerbsvorgang als solchem haben. Ob ein Gesellschafter durch vorweggenommene Erbfolge unentgeltlich aufgenommen wird oder ob bei der Gesellschaftsgründung Gewinne realisiert werden, ist unerheblich (vgl. RFH-Urteil VI 140/39 sowie das Urteil des Senats IV 80/62 vom 12. Mai 1966, BFH 86, 559, BStBl III 1966, 597).

Die Zurechnung der Ruhegelder kommt im Streitfall nur insoweit in Betracht, als sie die Gewinnanteile der neu eingetretenen Gesellschafter gemindert haben. Maßgebend für die dabei zu berücksichtigenden Renten ist der Stand der Verpflichtungen im Zeitpunkt des Eintritts der Gesellschafter und nicht im Zeitpunkt der Zahlung. Das gilt auch für die Hinzurechnung der Pensionsrückstellungen zum Einheitswert des Betriebsvermögens bei Ermittlung des Gewerbekapitals nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG. Es kommt für die Berechnung des Zurechnungsbetrags auf die Höhe der bei der Gründung der OHG passivierten Beträge an.

Da das FG von anderen rechtlichen überlegungen ausging, war sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur Ermittlung der zuzurechnenden Beträge an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412327

BStBl III 1967, 185

BFHE 1967, 421

BFHE 87, 421

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