Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vor Ablauf der Sperrfrist von einer Bausparkasse gewährte Bausparsumme wird nicht zum Wohnungsbau verwendet, wenn ein Steuerpflichtiger, der ein Grundstück geerbt hat, die Bausparsumme benutzt, um gemäß der Anordnung des Erblassers einen Bruder, der kein Grundstück geerbt hatte, abzufinden.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 2, § 10 Abs. 1 Ziff. 3, § 10/2/2

 

Tatbestand

Der Bg. ist Eigentümer eines gemischtgenutzten Grundstücks, auf dem er ein Malergeschäft betreibt. Das Grundstück, das nicht zu seinem Betriebsvermögen gehört, hat er im Jahre 1952 von seiner Mutter geerbt. Nach dem Testament der Mutter hatten er und ein Bruder, der ebenfalls ein Grundstück erbte, an den dritten Bruder, der kein Grundstück erbte, eine Abfindung zu zahlen. Um den auf ihn entfallenden Betrag zahlen zu können, schloß der Bg. mit einer Bausparkasse zwei Bausparverträge ab, den einen im Jahre 1952 über 8.000 DM und den anderen im Jahre 1954 über 10.000 DM. Die Bausparsumme des ersten Vertrages wurde bereits im Jahre 1954 ausgezahlt. Auf den zweiten Vertrag wurde im Jahre 1955 ein Darlehen (Zwischenkredit) von 9.000 DM gewährt. Beide Beträge verwendete der Bg. zur Abfindung seines Bruders.

Bei den berichtigten Veranlagungen des Bg. und seiner Ehefrau zur Einkommensteuer für die Jahre 1953, 1954 und 1955 erkannte das Finanzamt die in diesen Jahren auf die Bausparverträge geleisteten Beiträge nicht als Sonderausgaben an, weil er die von der Sparkasse an ihn ausgezahlten Summen nicht zum Wohnungsbau, sondern zur Tilgung einer durch Testament auferlegten Abfindungsschuld verwendet habe.

Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht nahm eine Verwendung zum Wohnungsbau an. Es führte aus, die Abfindungsschuld sei im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks entstanden. Dieser Zusammenhang genüge, um die Tilgung der Schuld als Verwendung zum Wohnungsbau anzusehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. b EStG 1953 sowie nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955 sind die an Bausparkassen zur Erlangung von Baudarlehen geleisteten Beiträge im Rahmen der Höchstbeträge als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, liegt ein Baudarlehen in diesem Sinne nicht nur dann vor, wenn die Bausparsumme zum Bau einer Wohnung verwendet werden soll, sondern auch, wenn die Bausparsumme der Ablösung von Verpflichtungen dienen soll, die wegen des Baues, des Erwerbs oder der Verbesserung von Wohnungen eingegangen worden sind (vgl. Abschn. 76 Abs. 2 Ziff. 2 EStR 1953 sowie Abschn. 92 Abs. 2 EStR 1955, die den Grundsätzen entsprechen, die der Senat in dem Urteil VI 187/58 U vom 18. September 1959, BStBl 1959 III S. 464, Slg. Bd. 69 S. 546, aufgestellt hat).

Dem Finanzgericht kann nicht darin zugestimmt werden, daß die hier dem Bg. durch das Testament seiner Mutter auferlegte Schuld einer Verpflichtung dieser Art war. Der Bg. ist die Schuld nicht eingegangen, um das Grundstück zu erwerben. Dieses hatte er auf Grund des Erbfalles erworben. Mag die von ihm geleistete Abfindung des Bruders auch mit dem Erwerb des Grundstücks in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, so reicht dies doch nicht aus, um die auf erbrechtlicher Grundlage entstandene und der Auseinandersetzung zwischen den Brüdern dienende Abfindungsschuld als eine zum Erwerb des Grundstücks eingegangene Verpflichtung anzusehen oder einer solchen gleichzustellen. Ob der Bruder die vom Bg. erhaltene Abfindung seinerseits zum Wohnungsbau verwendet hat, ist unerheblich.

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Sprungberufung gegen die berichtigten Bescheide war als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410855

BStBl III 1963, 424

BFHE 1964, 286

BFHE 77, 186

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