Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbeziehung nachträglicher Herstellungskosten in das Vergleichsvolumen

 

Leitsatz (NV)

Für die Einbeziehung nachträglicher Herstellungskosten in das Vergleichsvolumen nach § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 ist entscheidend, wann die nachträglichen Herstellungsarbeiten beendet waren. Fiel dieser Zeitpunkt in den sog. Vergleichszeitraum (1979 bis 1981), so gehört die Summe aller betreffenden Aufwendungen zum Vergleichsvolumen; einschließlich der Aufwendungen, die vor Beginn des sog. Vergleichszeitraums (z. B. im Jahre 1978) angefallen waren.

 

Normenkette

InvZulG 1982 § 4b Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit Büromaschinen. Im Jahre 1978 erwarb er ein zu Wohnzwecken genutztes Mehrfamilienhaus, das er anschließend mit erheblichem Kostenaufwand in ein Verkaufs-, Werkstatt- und Bürogebäude umgestalten ließ. Das Gebäude wurde in dieser Funktion im Jahre 1980 bezugsfertig; der umbaute Raum war von ... m³ auf ... m³ vergrößert worden. Der Kläger hatte das Gebäude von Anfang an in der Bilanz für sein gewerbliches Unternehmen als Anlagevermögen ausgewiesen.

Mit Antrag vom 15. September 1983 begehrte der Kläger für Investitionen des Kalenderjahres 1982 (Streitjahr) eine Investitionszulage nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes 1982 (InvZulG 1982). Dabei bezog er die in den Jahren 1979 bis 1981 angefallenen Aufwendungen für den Gebäudeumbau in das Vergleichsvolumen nach § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 ein.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) beurteilte die Umbaumaßnahmen als nachträgliche Herstellungsarbeiten und berücksichtigte deren Kosten bei der Ermittlung des Vergleichsvolumens auch insoweit, als sie auf das Jahr 1978 entfielen. Hierdurch ergab sich eine Bemessungsgrundlage von ... DM. Entsprechend setzte das FA die Investitionszulage durch Bescheid vom 11. Januar 1984 auf ... DM fest. Der hier gegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA führte in der Einspruchsentscheidung aus, es lägen zwar keine nachträglichen Herstellungsarbeiten vor, es handele sich jedoch insgesamt um Aufwendungen zur Herstellung (Fertigstellung) eines Wirtschaftsguts, die beim Vergleichsvolumen in vollem Umfang zu erfassen seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum Teil statt; es führte im wesentlichen aus: Die Umbaumaßnahmen seien als nachträgliche Herstellungsarbeiten anzusehen. Es seien daher die im Rahmen des Umbaus durchgeführten Arbeiten, die im Vergleichszeitraum (1979 bis 1981) beendet wurden, bei der Ermittlung des Vergleichsvolumens zu berücksichtigen. Die Aufwendungen, die auf die im Jahre 1978 beendeten Arbeiten entfielen, seien hingegen nicht einzubeziehen. Nach Auffassung des FG waren solche Arbeiten bereits 1978 beendet, die in diesem Jahre abgerechnet wurden. Das FG setzte die Investitionszulage auf ... DM fest.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung des § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 rügt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch seien nachträgliche Herstellungsarbeiten erst dann beendet, wenn ein geplantes einheitliches Werk abgeschlossen sei. Es sei demnach nicht auf die Beendigung der einzelnen hierfür erforderlichen Arbeiten abzustellen. Die Betrachtungsweise des FG widerspreche dem Vereinfachungszweck, der mit § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 verfolgt werde. Das angefochtene Urteil sei auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil das FG zu Unrecht von nachträglichen Herstellungsarbeiten ausgegangen sei. Mit der Umgestaltung des zuvor zu Wohnzwecken genutzten Mehrfamilienhauses zu einem Verkaufs-, Werkstatt- und Bürogebäude sei ein neues Wirtschaftsgut entstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Unrecht einen Teil der Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Umbau des Gebäudes an gefallen waren, nicht in das Vergleichsvolumen nach § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982 einbezogen. Dementsprechend hat es die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Investitionszulage rechtsfehlerhaft ermittelt.

1. Nach § 4 b Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1982 errechnet sich die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der sog. Beschäftigungszulage aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Begünstigungsvolumen nach § 4 b Abs. 4 InvZulG 1982 und dem Vergleichsvolumen nach § 4 b Abs. 5 InvZulG 1982. Bei der Ermittlung des Vergleichsvolumens sind nach Satz 1 der letztgenannten Vorschrift u. a. die Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern zu berücksichtigen, die in den drei letzten vor dem 1. Januar 1982 abgelaufenen Wirtschaftsjahren hergestellt worden sind, sowie die Herstellungskosten für nachträgliche Herstellungsarbeiten, die in diesem Zeitraum beendet worden sind.

Der Senat kann unerörtert lassen, ob im Streitfall die gesamten Umbaukosten bei der Ermittlung des Vergleichsvolumens deshalb anzusetzen sind, weil das erworbene Gebäude möglicherweise so grundlegend umgestaltet wurde, daß von einer Neuherstellung auszugehen ist (vgl. dazu die Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. Dezember 1991 III R 108/90, BFHE 167, 257, BStBl II 1992, 452, sowie vom 19. März 1991 IX R 131/86, BFH/NV 1991, 670, und vom 31. März 1992 IX R 175/87, BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808). Der Senat braucht auch nicht auf die vom FA aufgeworfene Frage einzugehen, ob die Herstellung eines anderen Wirtschaftsguts wegen der geänderten Nutzung des Gebäudes nach dessen Umbau in Betracht kommt. Denn auch dann, wenn es sich -- wie vom FG angenommen -- um nachträgliche Herstellungsarbeiten gehandelt haben sollte, sind die Kosten für die im Jahre 1978 durchgeführten Bauarbeiten beim Vergleichsvolumen zu berücksichtigen.

2. a) An der Beurteilung der fraglichen Aufwendungen als Herstellungskosten besteht -- auch bei den Beteiligten -- kein Zweifel. Der Kläger gestaltete ein Wohngebäude für mehr als ... DM in ein Verkaufs-, Werkstatt- und Bürogebäude um; er vergrößerte dabei den umbauten Raum von ... m³ auf ... m³. Dadurch wurde das Gebäude sowohl in seiner Substanz wesentlich vermehrt als auch in seinem Wesen erheblich verändert, so daß die Annahme von Erhaltungsaufwand ausscheidet (vgl. hierzu z. B. das Urteil des erkennenden Senats vom 11. Januar 1991 III R 60/89, BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5; s. auch Glanegger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 6 Anm. 43 m. w. N.).

b) Die Einbeziehung nachträglicher Herstellungskosten in das Vergleichsvolumen folgt sodann aus § 4 b Abs. 5 Satz 1 InvZulG 1982, wonach zum Vergleichsvolumen auch die Summe der Herstellungskosten gehört, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten entfallen, die im sog. Vergleichszeitraum in einem inländischen Betrieb beendet wurden. Dabei kommt es schon dem Wortlaut der Vorschrift nach nicht darauf an, wann mit den Herstellungsarbeiten begonnen wurde oder wann einzelne Teilmaßnahmen abgeschlossen wurden; entscheidend ist vielmehr, wann die nachträglichen Herstellungsarbeiten (insgesamt) beendet waren. Fiel dieser Zeitpunkt wie im Streitfall in den sog. Vergleichszeitraum (1979 bis 1981), so gehört die Summe aller betreffenden Aufwendungen zum Vergleichsvolumen, unabhängig davon, wann die einzelnen Aufwendungen angefallen waren.

Dies hat der erkennende Senat für im Jahre 1978 entstandene (anfängliche) Teilherstellungskosten eines Neubaus auch schon ausdrücklich so entschieden (s. Urteil vom 9. Dezember 1988 III R 167/85, BFHE 155, 441, BStBl II 1989, 241). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dies bei nachträglichen (Teil-)Herstellungskosten eines (bereits vorhandenen) Altbaus anders sein sollte. Auch insoweit enthält das Gesetz -- anders als beim Begünstigungsvolumen -- für die in das Vergleichsvolumen einzubeziehenden Aufwendungen keine Fertigstellungsfristen oder Vorschriften über Beginn und Ende der Arbeiten (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1988 III R 72/86, BFHE 155, 438, BStBl II 1989, 244).

In gleicher Weise spricht auch hier gegen eine Aufgliederung (der nachträglichen Herstellungsarbeiten) der Gesichtspunkt der Praktikabilität. In vielen Fällen ließe sich nicht eindeutig bestimmen, welche Bautätigkeiten gesondert zu betrachten sind und wann sie beendet worden sind. Das nach Ansicht des FG für die Beendigung von einzelnen nachträglichen Herstellungsarbeiten maßgebliche Abgrenzungsmerkmal der Abrechnung der Arbeiten durch die Handwerksunternehmen könnte allenfalls ein Indiz sein. Zu Recht weist das FA insoweit darauf hin, daß die Regelung über das Vergleichsvolumen bewußt einfach gehalten worden ist, um die Schwierigkeiten bei der Ermittlung in der Praxis gering zu halten (s. hierzu auch die Senatsurteile in BFHE 155, 441, BStBl II 1989, 241, und in BFHE 155, 438, BStBl II 1989, 244).

3. Das angefochtene Urteil war nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420647

BFH/NV 1996, 73

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