Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Unternehmereinheit zwischen Gesellschaften, deren zwei Gesellschafter Ehegatten sind.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist für die Veranlagungszeiträume 1951 bis 1955 streitig, ob die Umsätze der Bfin., einer KG, an zwei in verschiedenen Zeiträumen bestehende Kommanditgesellschaften (KG I vom 1. Mai 1951 bis 30. September 1951, KG II ab 1. September 1952) und an eine GmbH der Umsatzsteuer unterliegen oder wegen Unternehmereinheit zwischen den Gesellschaften als sogenannte Innenumsätze nicht steuerbar sind. An den Gesellschaften waren dieselben Gesellschafter, nämlich die in Gütertrennung lebenden Eheleute H. und C. C., beteiligt, und zwar bei den Kommanditgesellschaften HC als persönlich haftender Gesellschafter und CC als Kommanditistin. Ihre Kapital- und Gewinnbeteiligungsverhältnisse waren bei den einzelnen Gesellschaften verschieden (Kapitalbeteiligung HC bei Bfin. 76,92 %, bei KG I 77,77 %, bei KG II 50,00 %, bei GmbH 77,00 %; CC bei Bfin. 23,08 %, bei KG I 22,22 %, bei KG II 50,00 %, bei GmbH 23,00 % - Gewinnbeteiligung HC bei Bfin. 95 %, bei KG I 85 %, bei KG II 85 %, bei GmbH 77 %; CC bei Bfin. 5 %, bei KG I 15 %, bei KG II 15 %, bei GmbH 23 %). Die Ehefrau CC hat ihrem Ehemann HC durch notarielle Erklärung vom ... Vollmacht erteilt, sie in allen ihren persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten, soweit Stellvertretung überhaupt gesetzlich zulässig ist, ihn von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und ihn ermächtigt, die Vollmacht ganz oder teilweise zu übertragen. Die Geschäftsführung lag in allen Gesellschaften allein bei HC. Die Ehefrau CC hat sich als Gesellschafterin aktiv nicht betätigt und von den ihr nach § 166 HGB zustehenden Kontrollrechten keinen Gebrauch gemacht.

Das Finanzamt lehnt die Annahme von Unternehmereinheit zwischen den genannten Gesellschaften mangels gleicher Beteiligungsverhältnisse der Gesellschafter ab und zog die Bfin. mit den streitigen Umsätzen zur Umsatzsteuer heran. Die hiergegen eingelegte Sprungberufung blieb erfolglos.

Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG. Unter Bezugnahme auf verschiedene äußerungen in Schrifttum und Rechtsprechung vertritt sie die Auffassung, die Unternehmereinheit allein aus Ehegatten bestehender Gesellschaften dürfe - insbesondere bei völliger Unterordnung der Ehefrau unter den geschäftlichen Willen des Ehemannes, wie sie in der Erteilung einer Generalvollmacht zum Ausdruck komme, und bei fehlender aktiver Betätigung der Ehefrau als Gesellschafterin - an geringfügigen Abweichungen in den Beteiligungsverhältnissen nicht scheitern. Die Beteiligung der Ehefrau habe im Streitfall lediglich auf einer internen Vereinbarung der Ehegatten beruht. Nach außen hin sei auf Grund der Generalvollmacht seiner Frau und durch die tatsächliche Führung aller Geschäfte der Ehemann HC der alleinige wirtschaftliche Eigentümer des Gesamtunternehmens gewesen. Die Forderung gleicher Beteiligungsverhältnisse bei allen Gesellschaften sei von der Rechtsprechung nur aufgestellt worden, um die einheitliche Willensbildung in allen Gesellschaften sicherzustellen. Außerdem seien die Abweichungen in den Beteiligungsverhältnissen auf Irrtümer und Fehler zurückzuführen. Der hierfür angetretene Beweis sei beachtlich; denn aus ihm ergebe sich mindestens die Absicht der Eheleute C, eine Unternehmereinheit zu bilden. Auch hätte die Umsatzsteuerfreiheit auf andere Weise herbeigeführt werden können, z. B. durch Vermeidung von Umsätzen an die beteiligten Gesellschaften.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rb. hat keinen Erfolg.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß Unternehmereinheit zwischen mehreren Gesellschaften außer der Gleichheit der Gesellschafter, der Einheitlichkeit ihrer Willensbildung und der Nebenordnung der einzelnen Gesellschaften gleiche Beteiligungsverhältnisse der Gesellschafter in den Gesellschaften erfordert. Unter "Beteiligung" sind die Kapitalbeteiligung und die Gewinnbeteiligung zu verstehen. Beide Arten von Beteiligungen müssen, je für sich betrachtet, in allen Gesellschaften denselben Hundertsatz aufweisen. Hieran fehlt es im Streitfalle. Die Abweichungen sind zum Teil nicht unerheblich (z. B. Kapitalbeteiligung des HC an der KG II 50 %, an den übrigen Gesellschaften um 77 %, Gewinnbeteiligung des HC an den einzelnen Gesellschaften 95 %, 85 % und 77 %). Aber selbst kleinste Abweichungen in den Beteiligungsverhältnissen schließen, wie der Senat wiederholt klargestellt hat, die Unternehmereinheit aus (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs V 293/55 U vom 12. März 1959, BStBl 1959 III S. 226, Slg. Bd. 68 S. 594; V 193/59 vom 26. Oktober 1961, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1962 S. 211). Jedes Abgehen von dem Grundsatz der völligen Gleichheit der Beteiligungsverhältnisse würde eine sichere rechtliche Abgrenzung zwischen gleichen und fremden Unternehmern erschweren und Berufungsfälle herbeiführen, die die Gleichmäßigkeit der Besteuerung auf dem Gebiete der umsatzsteuerlichen Unternehmereinheit gefährden würden (Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 255/60 U vom 25. April 1963, BStBl 1963 III S. 345, Slg. Bd. 77 S. 78).

Die vom Bundesfinanzhof für die Unternehmereinheit aufgestellten strengen Grundsätze müssen auch gelten, wenn die Gesellschafter Ehegatten sind (so schon Entscheidung V 105/59 vom 18. Januar 1962, HFR 1962 S. 248). Eine Zusammenveranlagung der Ehegatten, wie sie unter bestimmten Voraussetzungen bei der Einkommensteuer und bei der Vermögensteuer stattfindet, ist dem Umsatzsteuerrecht fremd. Der Unternehmerbegriff, der für das Umsatzsteuerrecht besonders geschaffen wurde, nimmt entsprechend dem Wesen der Umsatzsteuer als Objektsteuer auf persönliche oder familiäre Verhältnisse keine Rücksicht. Soweit sich daher die Bfin. zur Begründung ihrer abweichenden Ansicht auf äußerungen bezieht, die im Schrifttum oder in der Rechtsprechung zu anderen Gebieten des Steuerrechts (z. B. zur Einkommensteuer) gemacht worden sind, gehen ihre Ausführungen am Kern der Sache vorbei.

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß Eheleute hinsichtlich der Gleichheit der Beteiligungsverhältnisse ebenso zu behandeln sind wie fremde Gesellschafter, hat der Senat nur im Falle der allgemeinen Gütergemeinschaft zugelassen, weil hier das Gesamtgut den Ehegatten gemeinschaftlich (zur gesamten Hand) zusteht (Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 186/59 U vom 11. Januar 1962, BStBl 1962 III S. 150, Slg. Bd. 74 S. 400) und daher ihre Gesellschaftsanteile verschmelzen. Beim Güterstand der Gütertrennung, der von den Eheleuten C vereinbart worden ist, werden die Rechte der Eheleute streng auseinandergehalten, so daß der Gesichtspunkt des gemeinschaftlichen Vermögens wegfällt. Gerade bei Vereinbarung einer Gütertrennung können die Eheleute in vermögensrechtlicher Hinsicht daher nicht anders behandelt werden als andere Personen. Aus der Wahl dieses Güterstandes hat das Finanzgericht zu Recht geschlossen, daß es auch der Wille der Eheleute C gewesen sei, ihre Vermögensrechte nicht zu vereinigen, sondern getrennt zu halten.

Auch die dem Ehemann HC von seiner Frau erteilte Generalvollmacht vermag an der umsatzsteuerlichen Rechtslage nichts zu ändern. Sie gewährleistete zwar bis zu einem gewissen Grade eine einheitliche Willensbildung bei allen Gesellschaften, an denen ausschließlich die Eheleute C beteiligt waren, beeinflußte aber in keiner Weise den Umfang der Anteils- und Gewinnrechte der Ehefrau CC. Der Ansicht, die Forderung gleicher Beteiligungsverhältnisse bezwecke lediglich, die einheitliche Willensbildung sicherzustellen, letztere sei das allein entscheidende Merkmal der Unternehmereinheit, ist der Senat bereits in seinem Urteil V 293/55 U vom 12. März 1959 (BStBl 1959 III S. 226, Slg. Bd. 68 S. 594) entgegengetreten. Bei Einzelpersonen rechnen nur solche Betriebe zum Unternehmen, die dem Unternehmer gehören oder ihm auf Grund sonstiger Rechte (z. B. Mietrechte, Pachtrechte, Nießbrauch) zuzurechnen sind. Die Unternehmereinheit bei Gesellschaften ist aus der Einheit des Unternehmens bei Einzelpersonen (ß 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) abgeleitet worden. Es ist daher für die Unternehmereinheit zwischen mehreren Gesellschaften neben der Einheitlichkeit der Willensbildung unverzichtbare Voraussetzung, daß ähnliche Rechte wie bei Einzelpersonen bestehen, d. h. daß die Gesellschaftsrechte denselben Personen gehören und ihre Beteiligungsverhältnisse bei allen Gesellschaften gleich sind. Die Voraussetzungen der Unternehmereinheit stehen gleichrangig nebeneinander und müssen, damit Unternehmereinheit angenommen werden kann, jede für sich vorliegen. Auf Urteile, die zur Organschaft ergangen sind, kann sich die Bfin. nicht berufen, weil die Voraussetzungen für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses andere sind.

Ohne jede Bedeutung für die Frage des Bestehens einer Unternehmereinheit ist die von der Bfin. besonders herausgestellte Tatsache, daß der Ehemann C die Geschäfte der einzelnen Gesellschaften allein geführt hat. Sie steht weder mit den Anteilsverhältnissen der Gesellschafter noch mit ihrer Willensbildung in Zusammenhang. Der Geschäftsführer ist nur willensausführendes, nicht willenbildendes Organ. Die alleinige Führung der Geschäfte macht daher den Geschäftsführer keineswegs zum alleinigen wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens. Da die einzelnen Firmen als handelsrechtlich eingetragene Gesellschaften am Wirtschaftsleben teilgenommen haben, kann auch keine Rede davon sein, daß die Ehefrau CC nur intern an ihnen beteiligt gewesen wäre. Die Gesellschaften sind zu verschiedenen Zeiten gegründet worden. Es ist daher unverständlich, daß so viele Fehler und Irrtümer hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse aufgetreten, und daß sie nicht im Laufe der Jahre beseitigt worden sind. Im übrigen sind im Umsatzsteuerrecht die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie verwirklicht worden sind, maßgeblich. Es ist infolgedessen auch ohne Bedeutung, daß die Steuerpflicht der streitigen Vorgänge auf verschiedene Weise hätte vermieden werden können und daß sie durch änderung der Verträge für die Zukunft beseitigt worden ist.

In einem die mündliche Verhandlung vor dem Senat vorbereitenden Schriftsatz hat die Bfin. ausgeführt, es bedürfe weiter der Prüfung, ob nicht zwischen ihr und den KGen ein organschaftsähnliches Verhältnis gegeben gewesen sei. Ein solches hätte u. a. vorausgesetzt, daß die KGen zur Bfin. in einem Unterordnungsverhältnis standen. Demgegenüber hat die Bfin. bisher stets behauptet, zwischen ihr und den KGen habe ein Nebenordnungsverhältnis und mithin Unternehmereinheit bestanden. Es handelt sich daher, wenn sie jetzt wirtschaftliche Abhängigkeit der KGen im Sinne von Unterordnung geltend macht, um neues, zu ihrem bisherigen Sachvortrag in Widerspruch stehendes tatsächliches Vorbringen, das nach § 288 AO im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411510

BStBl III 1965, 210

BFHE 1965, 585

BFHE 81, 585

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