Leitsatz (amtlich)

1. Ein Lediger, der am Beschäftigungsort während der Arbeitstage ein möbliertes Zimmer bewohnt, führt einen doppelten Haushalt i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG, wenn zu dem am bisherigen Wohnort weitergeführten Haushalt ein von ihm finanziell abhängiger Angehöriger gehört (BFH-Urteil vom 16. November 1971 VI R 353/69, BFHE 103, 501, BStBl II 1972, 132). Dies gilt auch, wenn sich der Angehörige vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält.

2. Während der vorübergehenden Abwesenheit des Angehörigen können Mehraufwendungen des ledigen Steuerpflichtigen für Verpflegung jedoch nicht berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Die geschiedene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist seit dem Jahre 1966 als Arztsekretärin im Krankenhaus H angestellt. Sie ist dort in einem 12 qm großen Zimmer eines Wohnheimes untergebracht. Im Mai 1966 bezog sie zusammen mit ihrer Schwiegermutter und ihrer Tochter eine Wohnung in T, zu der sie jeweils an den Wochenenden zurückkehrte. Die Schwiegermutter der Klägerin starb im Jahre 1969. Im Streitjahr 1971 studierte die Tochter in M und hatte hier ein Zimmer gemietet. An den Wochenenden und in den Semesterferien hielt sie sich - wie die Klägerin behauptet - ebenfalls in der Wohnung in T auf.

In ihrem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung 1971 begehrte die Klägerin u. a. die Berücksichtigung von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 4 788 DM als Werbungskosten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA), das wegen dieser Werbungskosten zunächst einen Freibetrag von 1 563 DM vorläufig eingetragen hatte, widerrief die Eintragung im Einspruchsbescheid und lehnte die Anerkennung von Werbungskosten ab. Das FG wies die Klage ab und führte u. a. aus: Die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung seien nicht erfüllt, da die Klägerin in T keinen eigenen Hausstand unterhalten habe. Es habe nämlich kein dauerndes hauswirtschaftliches Leben in der Wohnung in T geherrscht. Die Klägerin könne nicht gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten anwesend gewesen sein, sondern immer nur an einem Ort. Da sich auch die Tochter überwiegend während des Streitjahres zum Studium in M aufgehalten habe, sei der Hausstand in T während der Abwesenheit der Klägerin auch nicht von der Tochter zur Lebensführung genutzt und damit aufrechterhalten worden. Die gemeinsame Benutzung der Wohnung durch die Klägerin und ihre Tochter an den Wochenenden begründe noch keinen eigenen Hausstand. Soweit die Tochter ihre Semesterferien in der Wohnung in T verbracht habe, führe dies zu keiner anderen Beurteilung.

Mit der vom BFH zugelassenen Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und dem Klageantrag stattzugeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zum Teil begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach der Rechtsprechung des Senats zur doppelten Haushaltsführung (vgl. insbesondere Urteil vom 19. November 1971 VI R 132/69, BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155) unterhält ein Lediger, der in einem möblierten Zimmer am Beschäftigungsort wohnt, in der Regel dort seinen Haushalt. Besitzt er eine Wohnung mit eigenen Möbeln an einem anderen Ort, so hat er dort nicht einen zweiten Haushalt, da er sich nicht gleichzeitig an zwei Orten aufhalten kann. In einem solchen Falle ruht der verlassene Haushalt in der Zeit, in der sich der Ledige am Beschäftigungsort aufhält. Der Senat hat indessen auch bei einem Unverheirateten die Möglichkeit einer doppelten Haushaltsführung anerkannt, wenn der ledige Steuerpflichtige in einem außerhalb des Beschäftigungsortes befindlichen Haushalt einen von ihm finanziell abhängigen Angehörigen aufgenommen hat, da in einem solchen Fall auch während seiner Abwesenheit in seiner Wohnung hauswirtschaftliches Leben herrscht. Diese Voraussetzung ist immer dann gegeben, wenn sich der finanziell abhängige Angehörige während der Abwesenheit des Steuerpflichtigen auch tatsächlich fortwährend in der Wohnung aufhält. Ein solcher fortwährender Aufenthalt ist aber nicht in jedem Falle erforderlich. Hält sich der Angehörige unter Beibehaltung seiner Zugehörigkeit zum Haushalt nur vorübergehend an einem anderen Ort auf, so schließt dies die Annahme der Fortführung des zweiten Haushalts des Steuerpflichtigen nicht aus.

Im Streitfall führte die Klägerin in der Wohnung in T einen eigenen Haushalt, in den auch die von ihr finanziell abhängige Tochter aufgenommen war. Nach der Lebenserfahrung kann angenommen werden, daß Kinder, die auswärts studieren und am Studienort in einem gemieteten Zimmer untergebracht sind und die in den Semesterferien sowie an den Wochenenden in die elterliche Wohnung zurückkehren, den Mittelpunkt ihres Lebens in der elterlichen Wohnung beibehalten und dementsprechend Mitglieder des Haushalts der Eltern auch während ihrer Abwesenheit bleiben. Nicht anders verhält es sich, wenn Wohnung und Haushalt - wie im Streitfall - nur von einem Elternteil unterhalten werden. Es ist daher davon auszugehen, daß die Tochter der Klägerin das ganze Jahr über zu deren Haushalt gehörte. Ihre nur vorübergehende, durch das Studium in M bedingte Abwesenheit konnte ihre Zugehörigkeit zum Haushalt nicht beseitigen oder unterbrechen.

Da die Klägerin somit während des ganzen Streitjahres 1971 neben ihrem Haushalt in H einen weiteren Haushalt in T beibehalten hat, kann sie die durch die doppelte Haushaltsführung entstandenen, notwendigen Mehraufwendungen als Werbungskosten geltend machen. Dazu gehören die Aufwendungen für die wöchentlichen Heimfahrten und für die Zimmermiete in H. Von den Mehraufwendungen für Verpflegung in H können dagegen nur diejenigen Kosten berücksichtigt werden, die während der ununterbrochenen Anwesenheit der Tochter in T, also während der Semesterferien, entstanden sind. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind nämlich nur diejenigen Mehraufwendungen Werbungskosten, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen. Bei der Verpflegung entstehen durch die doppelte Haushaltsführung Mehraufwendungen in der Regel dadurch, daß sich der Arbeitnehmer und seine Familienangehörigen während der Arbeitswoche getrennt verpflegen müssen. Im Streitfall hätten sich aber die Klägerin und ihre Tochter, solange sich die Tochter in M aufhielt, auch dann getrennt verpflegen müssen, wenn die Klägerin in T tätig gewesen wäre und keinen doppelten Haushalt geführt hätte. Es würde daher zu einer unzutreffenden Besteuerung führen, wenn Aufwendungen der Klägerin, die ihr auch ohne die doppelte Haushaltsführung entstanden wären, als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Die Klägerin kann daher für die Zeit, in der sich ihre Tochter in M aufhielt, keine Mehraufwendungen für Verpflegung geltend machen.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 649

BFHE 1976, 41

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