Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur doppelten Haushaltsführung eines ledigen Arbeitnehmers

 

Leitsatz (NV)

1. Die Abziehbarkeit von Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung setzt voraus, daß die Begründung der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlaßt ist.

2. Ein geschiedener Arbeitnehmer, der mit seiner Tochter nach dem Tode ihrer Mutter einen gemeinsamen Haushalt führt, hat erst ab diesem Zeitpunkt einen Hausstand i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Hat er bereits vorher eine auswärtige Beschäftigung aufgenommen und eine Zweitwohnung am Beschäftigungsort bezogen, so liegt nicht deshalb eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung vor, weil auch ein lediger Arbeitnehmer für eine gewisse Übergangszeit Mehraufwendungen wie ein verheirateter Arbeitnehmer, der einen doppelten Haushalt führt, geltend machen kann.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5; LStR 1981 Abschn. 27 Abs. 5

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat seit 1974 seinen ersten Wohnsitz in N, X-Straße; er ist seit 1972 geschieden. Seine 1969 geborene Tochter A lebte bis zum Tode ihrer Mutter, der geschiedenen Ehefrau des Klägers, am 15. Juli 1981 mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt in N, Y-Straße. Von Januar 1978 bis November 1979 begründete der Kläger erstmals eine Nebenwohnung in B, weil er dort Arbeit gefunden hatte. Er trägt vor, in dieser Zeit an jedem Wochenende nach N gefahren zu sein. Die elterliche Gewalt über A sei zwar bis zum Tode ihrer Mutter dieser übertragen gewesen; es habe jedoch Einvernehmen darüber bestanden, daß A jeweils das Wochenende beim Kläger verlebe.

Vom 29. November 1979 bis 17. November 1980 war der Kläger arbeitslos. In dieser Zeit gab er seine Wohnung in B auf und hielt sich in seiner Wohnung in N auf. Am 17. November 1980 begründete er wieder eine Nebenwohnung in B, weil er dort Arbeit gefunden hatte. Er trägt vor, auch im Streitjahr 1982 an 45 Wochenenden jeweils am Freitagabend nach N gefahren zu sein und dort die Wochenenden mit der Tochter in seiner Wohnung verlebt zu haben, bevor er am Montagmorgen nach B zurückgekehrt sei. Montags bis Donnerstags sei seine Tochter nach der Schule teils bei ihrer Großmutter und teils in seiner Wohnung unter der Aufsicht der Großmutter gewesen; in dieser Zwei-Zimmer-Wohnung habe sie ihr eigenes Reich und einen Großteil ihrer persönlichen Habe.

Bei seiner Einkommensteuer-Erklärung für 1982 machte der Kläger Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von . . . geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ diese Aufwendungen nicht zum Abzug zu, da die Tochter erst nach dem Tode ihrer Mutter am 15. Juli 1981 in die Wohnung des Klägers gezogen sei, dieser aber bereits am 17. November 1980 seine Tätigkeit in B aufgenommen habe. Im Laufe des Klageverfahrens ermäßigte der Kläger seinen Klageantrag auf die Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von . . . DM.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus, zwar scheide bei Ledigen die Annahme einer doppelten Haushaltsführung grundsätzlich aus. Ausnahmsweise werde aber auch bei ihnen eine doppelte Haushaltsführung anerkannt, wenn der Arbeitnehmer einen von ihm finanziell abhängigen Angehörigen in seinen außerhalb des Beschäftigungsorts liegenden Haushalt aufgenommen habe. Denn in diesem Fall herrsche auch während seiner Abwesenheit in der Wohnung hauswirtschaftliches Leben, das er allerdings auch maßgeblich persönlich und finanziell beeinflussen müsse. Dies gelte auch dann, wenn sich der Angehörige vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhalte.

Im Streitfall lägen Besonderheiten vor, aufgrund derer offenbleiben könne, ob der Kläger bereits vor der Arbeitsaufnahme in B einen Haushalt mit seiner von ihm abhängigen Tochter geführt habe. Zwar habe er zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme in B jeweils nur die Wochenenden sowie die Urlaubs- und Feiertage mit seiner Tochter in der Wohnung in N verbracht. Erst nach dem Tode der Mutter am 15. Juli 1981 habe die Tochter erheblich mehr Zeit in der Wohnung des Klägers verbracht und dort mit Einverständnis des nunmehr sorgeberechtigten Klägers zumindest ganz überwiegend unter Aufsicht der in der Nähe lebenden Großmutter gewohnt. Dies stehe aufgrund der glaubhaften Bekundung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und der schriftlichen Bestätigung der Großmutter zur Überzeugung des Senats fest. Zumindest vom Zeitpunkt des Todes der Mutter an bestehe deshalb die doppelte Haushaltsführung. Bis zu diesem Zeitpunkt aber hätte der ledige Kläger seine mit der Tätigkeit am neuen Beschäftigungsort in B zusammenhängenden notwendigen Mehraufwendungen für eine Übergangszeit, die nicht vor Juli 1981 geendet hätte, als Werbungskosten geltend machen können. Da der Kläger mithin noch während der Übergangszeit einen ,,echten" doppelten Haushalt mit seiner von ihm abhängigen und im Rahmen seiner Möglichkeiten umsorgten Tochter begründet habe, könne die Abziehbarkeit der streitigen Aufwendungen nicht daran scheitern, daß er den Haushalt möglicherweise vor der Arbeitsaufnahme am neuen Beschäftigungsort noch nicht geführt habe.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es meint, nach der eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung setze die doppelte Haushaltsführung bei einem Unverheirateten u. a. voraus, daß er vor der Aufnahme der auswärtigen Beschäftigung mit einem von ihm finanziell abhängigen Angehörigen einen eigenen Haushalt unterhalten habe. Dies entspreche den allgemeinen Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung, die davon abhänge, daß ihre Begründung beruflich veranlaßt sei. Bis zur Aufnahme der Tochter in die Wohnung in N habe der Kläger aber nur einen Hausstand in B gehabt. Dies habe das FG zwar nicht ausdrücklich festgestellt, es sei jedoch stillschweigend davon ausgegangen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er führt aus, das FG habe zu Unrecht offengelassen, ob er nicht bereits vor der Arbeitsaufnahme in B einen Haushalt mit seiner von ihm finanziell abhängigen Tochter geführt habe. Diese Frage sei zu bejahen, da er sich während seiner Arbeitslosigkeit ausschließlich in N aufgehalten und seine Tochter ihn zumindest jedes Wochenende besucht habe. Daß sie in der Regel in der Woche bei der Mutter gelebt habe, stehe einer Anerkennung der Wohnung als Haushalt nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei es unschädlich, wenn sich Angehörige vorübergehend außerhalb der Wohnung aufhielten.

Aber auch wenn man dieser Auffassung nicht folge, sei die Revision unbegründet. Denn wenn er vor dem Zuzug der Tochter in N keinen steuerlich anzuerkennenden Hausstand gehabt habe, so habe der verlassene Haushalt dort zumindest ,,geruht". Spätestens im Juli 1981, als er seine Tochter vollständig in den Haushalt aufgenommen habe, sei dieser wieder aktiviert worden.

Wenn man schließlich dem FA darin folge, daß er durch die Aufnahme seiner Tochter erstmals einen Familienwohnsitz begründet habe, könne die Revision ebenfalls keinen Erfolg haben. Insoweit sei auf die Rechtsprechung des BFH zu verweisen, nach der eine doppelte Haushaltsführung auch dann anzuerkennen sei, wenn ein Familienwohnsitz nach Beschäftigungsaufnahme durch eine Heirat begründet und die zweite Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen beibehalten werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Zutreffend ist das FG zunächst davon ausgegangen, daß die Geltendmachung von Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung voraussetzt, daß die Aufsplitterung der Haushaltsführung selbst beruflich veranlaßt ist (BFH-Urteil vom 2. Dezember 1981 VI R 22/80, BFHE 135, 182, BStBl II 1982, 323). Zu Unrecht hat es dann jedoch geglaubt, die Frage, ob der Kläger bereits im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme in B und der Wohnungsnahme dort mit seiner Tochter einen gemeinsamen Haushalt geführt hat, offenlassen zu können. Denn entgegen der Auffassung des FG ist eine Aneinanderreihung einer Übergangszeit i. S. des Abschn. 27 Abs. 5 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1981, in der ein lediger Arbeitnehmer gewisse Mehraufwendungen wie ein verheirateter Arbeitnehmer, der einen doppelten Haushalt führt, geltend machen kann, mit einer ,,echten" doppelten Haushaltsführung mit einem finanziell abhängigen Angehörigen nicht möglich. Abgesehen davon, daß die Anerkennung von Mehraufwendungen in der Übergangszeit bei einer auf Dauer angelegten auswärtigen Beschäftigung die Umzugsbereitschaft des Arbeitnehmers voraussetzt, die hier nicht festgestellt ist, handelt es sich bei der Anerkennung derartiger Mehraufwendungen als Werbungskosten nicht um einen Fall der doppelten Haushaltsführung, sondern um die Berücksichtigung der durch die Beibehaltung der Zweitwohnung verursachten Kosten aus Billigkeitsgründen. Dies ergibt sich auch daraus, daß als Rechtsgrundlage für die Abziehbarkeit der Mehraufwendungen bei Ledigen in der Übergangszeit nicht § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG, sondern § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Ausfluß des allgemeinen Werbungskostengedankens angesehen wird (BFH-Urteil vom 15. November 1982 VI R 102/79, BFHE 137, 167, BStBl II 1983, 177). Auch in den Rechtsfolgen bestehen entscheidende Unterschiede, insbesondere insoweit, als Mehraufwendungen für Verpflegung - von den ersten zwei Wochen abgesehen - nicht mit den für die doppelte Haushaltsführung geltenden Pauschbeträgen geltend gemacht werden können, sondern nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden müssen (Urteil in BFHE 137,167, BStBl II 1983, 177).

2. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht. Die Sache, die nicht spruchreif ist, ist gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird festzustellen haben, ob die Tochter des Klägers bereits im November 1980, als der Kläger die Stelle in B antrat, im Haushalt des Klägers in N gelebt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers kann auf diese Feststellung nicht deshalb verzichtet werden, weil der BFH im Urteil vom 13. Juli 1976 VI R 172/74 (BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 654; vgl. auch BFH-Urteil vom 2. Oktober 1987 VI R 149/84, BFHE 151, 78, BStBl II 1987, 852) eine doppelte Haushaltsführung bejaht hat, obwohl der Familienhausstand erst nach der Arbeitsaufnahme begründet bzw. verlegt worden ist. Denn diese - auf Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes gestützte - Rechtsprechung betrifft lediglich Fälle von Eheleuten, die beide einer Arbeit an unterschiedlichen Orten nachgehen und hieraus Einkünfte erzielen. Sie ist nach Auffassung des Senats einer Erweiterung auf einen Fall der hier vorliegenden Art nicht fähig.

Für den Fall, daß der Kläger im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme in B mit seiner Tochter noch keinen gemeinsamen Familienhausstand begründet hatte, wird das FG zu prüfen haben, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger Fahrtaufwendungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG geltend machen kann (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1985 VI R 7/83, BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221, und vom 9. Juni 1988 VI R 85/85, BFHE 154, 59).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416090

BFH/NV 1989, 296

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